Dieser Beitrag erschien am 8. Februar im Online-Magazin Telepolis: heise online
Angesichts anhaltender Proteste gegen das geplante transatlantische Handelsabkommen TTIP hat die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten aufgefordert, eine gemeinsame Strategie zur Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln.
Brüssel und die EU-Mitgliedsstaaten sollen in der Schlacht um die öffentliche Meinung zum Handelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA stärker an einem Strang ziehen. Dazu hat die EU-Kommission die Regierungsvertreter im Rat aufgefordert, wie heise online aus Brüsseler Kreisen erfuhr. An die Mitgliedsstaaten erging demnach der Appell, auf die nationalen Belange zugeschnittene PR-Kampagnen zu entwickeln und diese auf die Kommunikationsstrategie der Kommission abzustimmen. Die Kommission allein könne den Kampf nicht gewinnen.
Gegner direkt ansprechen
Die Kommission hält es dabei für besonders wichtig, dass PR-Strategen und Spindoktoren die Medien beeinflussen. Es sei dafür zu sorgen, dass Tatsachen berichtet und nicht die Argumente der Kritiker wiedergekäut werden. Gegnerische Gruppen wie Gewerkschaften oder zivilgesellschaftliche Organisationen müssten direkt angesprochen, im Bereich der politischen Kommunikation zudem Gespräche mit Bürgern geführt und öffentliche Auftritte gesucht werden. Dabei sei zu beachten, dass nicht etwa nur Hinterbänkler anrückten.
Transparenz lautet ein weiteres Motto der Brüsseler Kommunikationsstrategie: Es müsse stärker deutlich werden, was bei den Verhandlungen auf dem Tisch liegt und welche Ziele verfolgt würden. Abgeordneten des EU-Parlaments und des Bundestags stehen seit Kurzem Leseräume unter vergleichsweise hohen Sicherheitsvorkehrungen offen, was Kritikern aber nicht weit genug geht. Die Kommission will auch anschauliche Erfolgsbeispiele für den Freihandel unters Volk bringen; dabei soll auch deutlich werden, welche Bedeutung dem Außenhandel für die Gesellschaft insgesamt zukomme.
Getöse um Handelspolitik
Nach Ansicht Brüssels ist rund um TTIP ein solches Getöse entstanden, dass die Handelspolitik viel stärker im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehe und sich Deals nicht mehr so einfach wie früher arrangieren ließen. Die öffentliche Debatte sei daher genau zu untersuchen und die PR-Kampagne an den Ergebnissen zu orientieren.
Besorgt zeigt sich die Kommission, dass laut „Eurobarometer“ TTIP auf immer weniger positive Resonanz in der Bevölkerung stoße. So habe im Dezember die Mehrheit in Deutschland, Luxemburg, Österreich und Slowenien das Vorhaben skeptisch beäugt. Nur in osteuropäischen Mitgliedsstaaten habe die geplante Handelspartnerschaft noch große Zustimmungsraten. Generell komme man mit den eigenen Botschaften nur noch schwierig durch, wie externe Beobachter herausgefunden haben sollen. So sei vielfach zu hören, dass TTIP nur multinationalen Konzernen helfe, David gegen Goliath verhandele und Produkte mit schlechterer Qualität und höheren Preisen zu erwarten seien.
Steife Brise im Dauerstreit
Die Kommission strebt an, die Unterredungen dieses Jahr abzuschließen. Dafür erforderlich sei aber ein ambitionierter Abkommenstext, der eine gute Balance zwischen den beteiligten Interessengruppen finde. Dieser Ansatz müsse auch beim Besuch von US-Präsident Barack Obama auf der Hannover-Messe im April verfolgt werden. Unterschiedliche Meinungen gebe es etwa noch zu besonders umkämpften Kapiteln wie dem zur „regulatorischen Zusammenarbeit“, in dem Kritiker ein Mitspracherecht der USA bei europäischen Gesetzesvorhaben befürchten.
Für die 12. Verhandlungsrunde in zwei Wochen erwartet die EU-Kommission noch kein ernstzunehmendes US-Angebot zum Beschaffungswesen, obwohl ein solches elementar sei für das weitere Gelingen. Erst für rund die Hälfte der umrissenen Kapitel sollen konsolidierte Texte vorliegen. Eine steife Brise dürfte der Kommission etwa im Dauerstreit über die Investoren-Schiedsgerichte entgegen wehen: Laut „Politico“ stoßen die als heilige Kuh betrachteten Reformvorschläge Brüssels für ein unabhängigeres Verfahren in Washington auf wenig Gegenliebe. Die Amerikanische Handelskammer gehe davon aus, dass die US-Regierung die Initiative wohl kaum einfach akzeptieren werde. (anw)