Von den Medien weitgehend unbemerkt feierte EU-Kommissarin Cecilia Malmström am vergangenen Montag einen kleinen Etappensieg bei CETA: Sie hat die Nachverhandlungen mit Kanada abgeschlossen und die Paralleljustiz für Konzerne darin verankert. Allerdings unter einem neuen, schöneren Namen: Was sie jetzt großspurig „Handelsgerichtshof“ nennt ist weiterhin das Privileg für ausländische Konzerne, Schadensersatz für demokratische Entscheidungen zu verlangen. Es ist demokratiefeindlich, teuer und zutiefst ungerecht.
Bereits einen Tag später am Dienstag, enthüllte Malmström den Plan, wie sie CETA durchsetzen will:
- Im Juni sollen sich die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten im Rat mit CETA befassen.
- Im September sollen sie CETA absegnen und voraussichtlich gleichzeitig entscheiden, ob das Abkommen „vorläufig“ in Kraft gesetzt wird und ob die Parlamente der Mitgliedsstaaten ein Mitspracherecht haben oder nicht.
- Noch im September oder im Oktober soll CETA dann im Europaparlament beraten werden, zunächst in den Ausschüssen des Parlaments.
- Anfang 2017 soll dann das Europaparlament über CETA entscheiden. Je nachdem ob CETA als „gemischtes“ Abkommen behandelt wird, wäre dies möglicherweise schon die letzte Entscheidung!
- Wenn der Bundestag und die anderen Parlamente über CETA entscheiden dürfen, dann könnte dennoch ab März/April 2017 CETA „vorläufig“ in Kraft gesetzt werden. Das heißt, Investorenklagen wären möglich, ebenso wie Angriffe auf unsere öffentlichen Dienstleistungen. Dieser Schaden würde nicht wieder gut gemacht, wenn CETA danach am Bundestag oder an anderen Parlamenten scheitert.
So werden wir diesen Plan durchkreuzen
Unser politische Ziel für dieses Jahr ist klar: CETA soll nicht ratifiziert werden – und auch keines der anderen Abkommen wie TTIP und TISA. Und das politische Ziel für 2017 lautet genauso.
Klar ist aber auch, dass dieser Kampf sehr schwierig wird. Weder im Rat noch im Europaparlament ist nach heutigem Stand mit einer Ablehnung von CETA zu rechnen. Vor allem der Etikettenschwindel der EU-Kommission in Sachen Investorenklagen und „Handelsgerichtshof“ hat bei vielen Parlamentariern Eindruck gemacht. Wir brauchen 2016 eine machtvolle Kampagne, um den Schwindel aufzudecken.
Aktivist/innen aus ganz Deutschland arbeiten zusammen
Die gute Nachricht ist, die Vorbereitungen dafür sind auf einem sehr guten Weg. Zwei Tage lang trafen sich in Kassel Aktivistinnen und Aktivisten aus ganz Deutschland zum Austausch. Das Ziel: die vielen regionalen und lokalen Bündnisse miteinander zu vernetzen, von einander zu lernen, auf Ideen für neue Aktionsformen zu kommen und dabei Kraft und Begeisterung zu tanken. Ein Konzept, das den Nerv der 500 Teilnehmer/innen traf.
Herausgekommen sind viele neue gemeinsame Projekte:
- Am 23. April werden wir mit einer überregionalen Demo in Hannover US-Präsident Barack Obama und Angela Merkel die Show stehlen, wenn die beiden anlässlich der Hannover-Messe versuchen, dem entzauberten TTIP neuen Glanz zu verleihen.
- Unter dem Dach der Europäischen Bürgerinitiative soll ein Dialog mit der Bürger/innen mit ihren Abgeordneten organisiert werden, um die Ratifizierung von CETA in zu verhindern.
- Im Herbst stehen mehrere regionale Demonstrationen verteilt in ganz Deutschland auf der Agenda.
- Am 5. November schließlich ist ein globaler Aktionstag geplant.
Zu dem Geplanten kommt noch das, was noch nicht planbar ist. Ob der oben skizzierte Zeitplan bei CETA eingehalten wird und nach welchen Regeln entschieden wird, ist derzeit ungewiss. Wir haben in Kassel vereinbart, schnell zu reagieren und notfalls spontan vor jedem Wahlkreisbüro oder Parteibüro zu protestieren. Wenn die EU-Kommission meint, dass sie die CETA am Bundestag und Bundesrat vorbei durchsetzen kann, dann wird sie sich noch wundern!
Nach den zwei Tagen in Kassel bin ich noch zuversichtlicher als zuvor, dass wir es schaffen können
Denn ich habe gesehen, welche Kraft, welche Begeisterung und Kreativität, aber auch welch beeindruckendes Maß an Wissen über die komplexe Materie der Handelspolitik die Aktiven aus allen Ecken dieses Landes mitbringen.
Hier ein paar Beispiele – ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
Margot Rieger erzählte uns, wie sie in ihrem Landreis Traunstein im dritten Anlauf die Mehrheit für eine TTIP-kritische Resolution durch beharrlichen Dialog mit den Kommunalpolitikern gewinnen konnte. Nachdem das Bündnis in Traunstein mit Veranstaltungen und Demonstrationen den Landkreis erfolgreich aufgerüttelt hat, will es jetzt den Kontakt zu seinem österreichischem Nachbarlandkreis knüpfen und so auf lokaler Ebene international werden.
Martina Römmelt-Fella, die Geschäftsführerin eines mittelständischen Maschinenbauunternehmens, engagiert sich in einer Initiative von kleinen und mittleren Unternehmen gegen TTIP. Sie wehrt sich gegen die geplante Paralleljustiz und dagegen, dass Unternehmen von ihren Kammern für dumm verkauft werden.
In einer Ausstellung wurden viele spannende Aktionsformen vorgestellt: Tango tanzen gegen TTIP, Fahrraddemonstrationen, Flashmobs und Veranstaltungen. In Hamburg, der Heimat des Piraten Störtebecker, nennt man TTIP ein „Freibeuterabkommen“.
Für die Kreativität und Vielfalt gab es großes Lob von den internationalen Gästen. John Hilary aus Großbritannien prophezeite gar: „Am Ende unserer Kampagne wird es in ganz Europa nur noch eine Person geben, die für TTIP ist, und das ist Sigmar Gabriel!“ Melinda St Louis von der größten US-Verbraucherschutzorganisation Public Citizen kam um Danke zu sagen. Unsere Arbeit hier in Europa sei immens wichtig für die amerikanische Zivilgesellschaft, die aus den gleichen Gründen wie wir gegen die unfairen Deals ihrer Regierung kämpft. Monica Vargas von TNI und Sven Hilbig von Brot für die Welt hoben hervor, wie sehr unsere Bewegung den Menschen in Entwicklungsländern den Rücken stärkt, denn auch denen sollen mit aller Macht Verträge nach dem Muster von TTIP und CETA aufgezwungen werden.
Die zwei Tage von Kassel haben gezeigt, was unsere Stärke ist: Der Geist der Solidarität.
Er macht es möglich, dass wir als Bewegung eine Breite und Vielfalt repräsentieren, wie es sie lange nicht mehr gegeben hat. Für diese Bewegung sind unterschiedliche Perspektiven, Berufe, Interessen, und Muttersprachen nichts Trennendes. Denn der Versuch, die Regeln unseres Zusammenlebens zugunsten von Konzernen umzuschreiben trifft uns alle gleichermaßen. Und nur gemeinsam können wir ihn abwehren.