TTIP-Leak zur regulatorischen Zusammenarbeit: Die Mogelpackung der EU-Kommission
Von Max Bank, Lobbycontrol
Die frisch geleakte EU-Verhandlungsposition zu regulatorischer Zusammenarbeit zeigt: Die EU-Kommission ist durchaus empfindlich für unsere Kritik und für den öffentlichen Druck von Bürgerinnen und Bürgern. Doch bedauerlicherweise reagiert sie mit einem Täuschungsversuch – ähnlich wie beim Thema Schiedsgerichte. Einer kosmetischen Korrektur zum Trotz sollen Unternehmenslobbyisten und US-Behörden weiterhin privilegierten Zugriff auf die EU-Gesetzgebung bekommen.
Scheinbares Aus für machtvolles Gremium…
Der umstrittene, machtvolle „Rat für regulatorische Zusammenarbeit“, der die Harmonisierung der Gesetzgebung zwischen USA und EU koordinieren sollte, taucht in der neuen EU-Verhandlungsposition nicht mehr auf. Der entsprechende Artikel 14 wurde gestrichen. Hier reagiert die EU-Kommission offensichtlich auf die zunehmende öffentliche Kritik.
…doch dessen Funktionen bleiben – eine Mogelpackung
Mit dem Gremium entfallen jedoch keineswegs auch die Funktionen, die es ursprünglich ausüben sollte. Im Gegenteil: Diese bleiben allesamt erhalten. Die Kommission fordert weiterhin eine „Koordinierung“ der regulatorischen Zusammenarbeit – und auch die „frühestmögliche“ Einbeziehung von Lobbyisten in die Gesetzgebung. Es handelt sich also um eine Mogelpackung: Die regulatorische Zusammenarbeit soll es weiterhin geben, bloß nicht mehr koordiniert durch ein Gremium namens „Rat“.
EU-Kommission stärkt US-Einfluss und greift selbst nach Macht
Die stattdessen für die Koordinierung zuständigen Akteure werden erstmals explizit benannt: Es sollen die EU-Kommission und die US-Regulierungsbehörden sein. Sie sollen künftig Gesetzesvorhaben gemeinsam darauf überprüfen, ob sie den transatlantischen Handel negativ beeinträchtigen (Artikel 2b und Artikel x5.1). Die transatlantische Koordinierung bei der Gesetzgebung erscheint besonders fragwürdig, weil sie weder in den USA noch in der EU demokratisch legitimiert ist. Warum sollen US-Regulierungsbehörden bei EU-Gesetzen und die EU-Kommission umgekehrt in den USA mitsprechen dürfen?
Beteiligung von Lobbyisten: So früh wie möglich
Zudem zielt auch der neue Verhandlungsvorschlag darauf, Unternehmenslobbyisten enorme Privilegien in Regulierungsverfahren zu geben. Zahlreiche Wege sind vorgesehen, Lobbyisten zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt zu beteiligen (Artikel 7, Artikel x5.2 und Artikel x6.1). Rund zwei Drittel der schätzungsweise 15.000-25.000 Lobbyisten in Brüssel sind Vertreter von Unternehmen, die über dieses neue Einfallstor ihren Einfluss geltend machen werden.
Zwar ist nun auch ein Beirat für regulatorische Zusammenarbeit vorgesehen, der ausgeglichen besetzt sein soll (Artikel x6.3). Allerdings bleibt dessen Rolle und genaue Zusammensetzung vage.
Fragwürdiger Kriterienkatalog
Die Prüfinstrumente für regulatorische Zusammenarbeit sind im neuen Vorschlag expliziter ausgearbeitet als bisher (Artikel 8). Das sogenannte “ regulatory impact assessment“, also die Messung der Auswirkungen von Gesetzgebung, wird detailliert in einem eigenen Artikel ausgeführt.
Dabei sollen zwar fortan auch soziale und ökologische Folgen berücksichtigt werden (Artikel 8.2.c). Doch stehen Faktoren wie die Auswirkungen auf Handel und Investitionen sowie die Abstimmung mit US-Regulierungsbehörden weiter als ebenso wichtige Indikatoren daneben.
Zurückhaltender ist die EU-Kommission bei der Reichweite von regulatorischer Zusammenarbeit geworden. Sie soll sich jetzt „nur“ noch auf EU-Richtlinien und -Regulierungen beziehen. Im vorletzten Vorschlag sollte auch die Gesetzgebung der EU-Mitgliedstaaten und möglicherweise sogar der Kommunen davon betroffen sein. Dies ist nun vom Tisch.
Diese Nachbesserung ist ein Erfolg der Kritik von Bürgerinnnen und Bürgern sowie der Regierungen der Mitgliedstaaten. Jedoch: Auch über die EU-Richtlinien wird regulatorische Zusammenarbeit die nationale Gesetzgebung beeinträchtigen, mit Auswirkungen auch auf Bundesländer und Kommunen.
Fazit: Gefahr für die Demokratie ist nicht gebannt
Die Mini-Zugeständnisse der EU-Kommission können nicht darüber hinwegtäuschen: Die von ihr vorangetriebene regulatorische Zusammenarbeit bei TTIP gefährdet weiterhin die Demokratie und die Gesetzgebung im öffentlichen Interessse. Die privilegierte Rolle von Konzernlobbyisten und US-Behörden schwächt das demokratisch legitimierte EU-Parlament und schließt die Öffentlichkeit von wichtigen Entscheidungen aus. Ein derart konzipierter transatlantischer Harmonisierungsprozess kann nicht gut für Bürgerinnen und Bürger sein.