SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hält das Abkommen CETA zwischen Kanada und der EU für „das beste Freihandelsabkommen der Welt“. Und was tut der SPD-Parteivorstand? Er hat sich vergangene Woche hinter Gabriel gestellt und behauptet, bei CETA seien „in sehr vielen Bereichen fortschrittliche Regeln vereinbart worden“. Die Fakten aber halten dem nicht Stand.
Zum Beispiel Schiedsgerichte:
Sie heißen jetzt anders, tragen den schönen Namen „Investitionsgerichtshof“. Inhaltlich sind sie minimal transparenter und haben eine Berufungsinstanz. Aber im Grundsatz ändert sich gar nichts: Es bleibt bei Sonderklagerechten für Konzerne, mit denen diese gegen Umwelt-, Verbraucher- und Sozialstandards klagen können. Eine solche Paralleljustiz hat zwischen funktionierenden Rechtssystemen nichts verloren. Sie gefährdet Rechtsstaat und Demokratie.
Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung sagt, wie es ist: „Gegen das Investitionsgericht spricht vor allem, dass es nicht neutral ist – es soll investitionsfreundlich urteilen. Das ist seine Geschäftsgrundlage. Das heißt, um es mit Orwell zu sagen: Alle Menschen sind gleich, aber Investoren sind gleicher.“
Zum Beispiel der CETA-Ausschuss:
Er findet in der öffentlichen Debatte noch viel zu wenig Aufmerksamkeit – hat es aber in sich. Dieses Gremium kann den CETA-Vertrag jederzeit ändern – ohne dass dies von irgendeinem Parlament legitimiert wird. Alle „weichen“ und ungenauen Regelungen im Vertrag könnte der CETA-Ausschuss im Nachhinein präzisieren – im Sinne der Konzerne!
Ein Fracking-Verbot wäre dann schnell „keine gerechte Behandlung“ von Konzernen, ein höherer Mindestlohn eine „Enteignung“ und die kommunale Wasserversorgung ein „Wettbewerbsnachteil“. Der Ausschuss hätte Gesetzgebungskompetenz – und seine Zusammensetzung ist völlig unklar!
Zum Beispiel Negativlisten:
Auf ihnen stehen Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Wasserwerke, Krankenhäuser oder Abfallentsorgung, die nicht privatisiert und liberalisiert werden müssen. Sprich: Alles andere ist dem freien Spiel der Marktkräfte freigegeben. Und damit auch jede neue Dienstleistung, die entsteht. Doch auch die öffentlichen Dienstleistungen, die eigentlich vom Privatisierungsdruck ausgenommen sind, sind nicht klar geschützt. Die Abgrenzungen sind schwammig gehalten.
Zum Beispiel das Vorsorgeprinzip:
Nirgendwo in CETA wird das so wichtige Vorsorgeprinzip erwähnt. Stattdessen bezieht sich das Abkommen nur auf den „wissenschaftsbasierten“ Ansatz der Welthandelsorganisation (WTO): Potentiell für unsere Gesundheit gefährliche Produkte und Technologien können erst dann verboten werden, wenn ihr Risiko wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen ist – und damit eben oft viel zu spät. Mehr noch: Durch den CETA-Ausschuss und die „regulatorische Kooperation“ könnten Hormonfleisch und Gentechnik durch die Hintertür auf unsere Teller kommen.
Keine Schiedsgerichte und keine nicht-legitimierten Ausschüsse, keine Negativlisten und keine Aufweichung des Vorsorgeprinzips – das alles hatte die SPD vor zwei Jahren eigentlich als ihre „roten Linien“ beschlossen. Eine weise Entscheidung. Doch jetzt behauptet die Parteiführung, wenige kosmetische Änderungen am Vertrag würden reichen, um die roten Linien nicht zu überschreiten. Die Fakten scheinen nicht zu interessieren.
Dass die roten Linien nicht eingehalten sind, das wissen auch die meisten Delegierten. Aber der Druck, nicht gegen die Parteiführung zu rebellieren, ist immens. Nur wenn wir mit Hunderttausenden auf die Straße gehen, werden sich die Delegierten sagen: „Diese vielen Menschen können wir nicht alle gegen uns aufbringen.“
Gegen CETA und TTIP, für einen gerechten Welthandel – dafür gehen wir am Samstag auf die Straße.