SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist seinen Zielen ein bisschen näher gekommen: die Macht der globalen Konzerne auszubauen – und die SPD bei künftigen Wahlen unter 10 Prozent zu drücken. Die Partei folgt ihm auf diesem Kurs.
Am Montag, den 19. September, sprach sich der SPD-Konvent, eine Art kleiner Parteitag, mit Zweidrittelmehrheit für das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA aus. Das war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Immerhin hatten die Grundwerte-Kommission der Partei, die JuristInnen, die Jusos, mehrere SPD-Landesverbände, der Arbeitnehmerflügel, die SPD-Frauen und zahlreiche Landes- und Kreisverbände klargestellt, dass CETA die roten Linien reißt, die die SPD gezogen hatte. Dennoch stimmten die Delegierten des kleinen SPD-Parteitags dem Antrag des Parteivorstands zu.
Somit befürwortet die SPD die Zustimmung zum vorliegenden CETA-Vertragstext im Ministerrat. Und will sogar die vorläufige Anwendung des Abkommens, wenn auch ohne das Kapitel über den Investitionsschutz. Diese Entscheidung ist wahrscheinlich nur für PoliikerInnen ohne jede Bodenhaftung nachvollziehbar. Schließlich sagt selbst die Parteiführung um Sigmar Gabriel, dass CETA große Schwächen hat. Die SPD gibt also ohne Not ihr einziges wirkungsvolles Druckmittel aus der Hand, die EU-Kommission zu wirklichen Nachverhandlungen zu bringen.
Stattdessen setzen die SozialdemokratInnen auf eine Strategie, von der unklar ist, ob sie die Probleme von CETA auch nur im Ansatz beheben kann. Bei Investitionen, Arbeitsstandards, öffentlichen Dienstleistungen, dem Vorsorgeprinzip und öffentlicher Beschaffung sollen in „rechtlich verbindlichen“ Protokollerklärungen zwischen der EU und Kanada sowie durch Beratungen im Europaparlament Verbesserungen erreicht werden.
Klarstellung in einer Protokollnotiz?
Einige der Probleme von CETA könnten so vielleicht entschärft werden. Doch die Betonung liegt auf „könnten“. Denn damit aus vage angemahnten Verbesserungen Realität wird, sind viele Hürden zu nehmennehmen nehmen:
• Grundsätzlich haben Kanadas Handelsministerin Chrystia Freeland und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström zwar ihre Bereitschaft erklärt, in einer Protokollerklärung Klarstellungen vorzunehmen. Doch bislang liegt dieser Text nicht vor. So ist völlig unklar, ob das Papier auch nur eines der Probleme von CETA entschärfen wird. Dass alle zentralen Punkte behandelt werden, ist angesichts der Position von Malmström aber so gut wie ausgeschlossen. Sie erklärte mehrfach, dass es neben einigen Klarstellungen keine Änderungen am Vertrag und keine zusätzlichen Vertrags-Anhänge geben werde.
• Das Europäische Parlament hat tatsächlich die Macht, CETA als Ganzes abzulehnen oder kann damit drohen, um weitere Veränderungen zu erzwingen. Die Dominanz liberaler und konservativer Abgeordneten im EU-Parlament macht es allerdings unwahrscheinlich, dass das Parlament seine Macht für Verbesserungen nutzen wird. Da hilft es gar nicht, dass die SPD jetzt Bedingungen formuliert hat, die erfüllt sein müssen, damit die SPD-Abgeordneten im Europaparlament CETA zustimmen dürfen.
• Haben der Ministerrat und das Europaparlament keine Einwände und stimmen der vorläufigen Anwendung zu, sind die Möglichkeiten für weitere Klarstellungen durch nationale Parlamente wie den Bundestag sehr eingeschränkt. Diese bräuchten die Anerkennung Kanadas und würden rechtlich erst wirksam, wenn der gesamte Ratifikationsprozess abgeschlossen ist – was viele Jahre dauern kann. Daran ändert auch der Wille der SPD nichts, dass vor dieser Entscheidung ein ausführlicher Anhörungsprozess von nationalen Parlamenten und Zivilgesellschaft durchgeführt werden soll.
Weg von der SPD. Hin zu lohnenderen Zielen
Keine Frage: Die Bundes-SPD hat ihre Flinte ins Korn geworfen. Nun können wir auf ihre Ablehnung nicht mehr bauen – und kämpfen an anderen Stellen weiter gegen CETA. Denn auch jetzt können wir das gefährliche Abkommen noch verhindern. Wie stark unsere Bewegung ist, hat der vergangene Samstag gezeigt, als 320.000 Menschen bundesweit auf den Straßen waren.
Was tun? Hier ist unser Plan für die nächsten Wochen und Monate:
• Nach der Zustimmung im Ministerrat muss CETA auch vom Europaparlament ratifiziert werden, um in Kraft zu treten. In enger Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern werden wir alle deutschen Europaabgeordneten mit den Schwächen des Abkommens konfrontieren und deren Ablehnung einfordern.
• Als gemischtes Abkommen muss CETA auch von Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden, um endgültig in Kraft zu treten. Unsere beste Chance ist derzeit, CETA im Bundesrat zu stoppen. Die Grünen sind an 10 von 16 Landesregierungen beteiligt – nach der Berlin-Wahl womöglich an 11. Fast überall haben die Grünen klar gemacht, dass sie CETA im Bundesrat nicht zustimmen werden. Doch Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg ducken sich weg. In den kommenden Monaten müssen wir dafür sorgen, dass auch sie Farbe gegen CETA bekennen.
• Bislang ist es der CDU und CSU zu gut gelungen, sich die Debatte vom Leib zu halten. Vor allem die CSU-Basis sieht mit CETA die bäuerliche, gentechnikfreie Landwirtschaft und die kommunale Gestaltungshoheit bedroht. Mit einem Volksbegehren in Bayern zwingen wir die CSU-Landesregierung, CETA im Bundesrat abzulehnen.
Und dann sind wir ja erfreulicherweise nicht allein in Europa. Der Widerstand gegen CETA ist auch in anderen Ländern groß – und das könnte entscheidend sein. In Österreich, wo die SPÖ hinsichtlich CETA und TTIP deutlich mehr Mumm hat als die SPD. In Luxemburg, wo das Parlament bereits eine Ablehnung angedeutet hat. In den Niederlanden, wo eine Volksabstimmung anstehen könnte … Gut, dass Europa nicht auf eine SPD angewiesen ist, der die Interessen der Großindustrie wichtiger sind als die Belange der Gewerkschaften. Diese hatten – das zeigten die Demonstrationen am Samstag – eindrücklich gegen CETA mobilisiert.
Text: Campact.de/pw