Hier ein Beitrag, der am Dienstag in der Online-Ausgabe der Wochenzeitung „Zeit“ erschien.
Das europäisch-kanadische Handelsabkommen ist nicht so sicher, wie Sigmar Gabriel sagt. Es hängt am Kleingedruckten und an Cecilia Malmström, wie Dokumente zeigen.
Von Petra Pinzler
Als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am vergangenen Freitag in Bratislava kurz vor die Presse trat, da war er ziemlich fröhlich. So wie jemand, der endlich ein leidiges Thema fast vom Tisch hat. Es habe eine große Bereitschaft gegeben, Ceta zu unterzeichnen, sagte der Wirtschaftsminister und das klang so, als ob es für das europäisch-kanadische Abkommen Ceta nicht mehr viele Hürden gebe.
Doch ganz so einfach ist die Sache offensichtlich doch nicht. Das belegen Dokumente, die Anfang der Woche kurz auf der Webseite des Europäischen Gewerkschaftsdachverbandes ETUC auftauchten – und die ein anderes Licht auf den Stand der Verhandlungen werfen. Die Papiere, die inzwischen wieder von der Seite entfernt wurden, analysieren nicht nur sehr konkret, wo der Vertrag nach Ansicht des deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und des kanadischen Gewerkschaftsdachverbandes (CLC) verbessert werden muss – um akzeptabel zu werden. Sie dokumentieren auch, welche Forderung die SPD auf ihrem Konvent vor einer reichlichen Woche verabschiedete und damit Parteichef Sigmar Gabriel – der als Wirtschaftsminister die Verhandlungen mit führt – als Aufgabe mitgab.
Die mittlerweile über eine andere Webadresse erreichbaren Papiere listen auf, wie wenig von all diesen Forderungen bisher offensichtlich von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström übernommen wurden – klar dokumentiert anhand ihrer öffentlichen Auftritte und Äußerungen.
Das Papier der Gewerkschaften beschreibt dringenden Handlungsbedarf an vier Punkten: Beim Investitionsschutz, beim Vorsorgeprinzip, bei der Frage, wie Verstöße gegen Arbeits-, Sozial und Umweltstandards geahndet werden und beim Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dabei stellen die Autoren nicht nur die Forderungen der Gewerkschaften dar. Sie verweisen klar darauf, dass bei all diesen Punkten auch der Beschluss des SPD-Konvents die Nachbesserung in „rechtlich verbindlichen“ Weise verlange.
Man arbeite derzeit an einem Zusatzprotokoll, das alle offenen Fragen klären werde, heißt es zwar in der Brüsseler EU-Kommission. Doch die entscheidende Frage bleibt dort bisher unbeantwortet: Wird dieses Protokoll wirklich die wichtigsten Kritikpunkte aufnehmen und rechtlich verbindlich nachbessern – oder bleibt es bei ein paar netten Formulierungen im Kleingedruckten?
Noch läuft die Gnadenfrist. Am 17. Oktober wollen die Regierungen endgültig über Ceta abstimmen. Bis dahin kann Handelskommissarin Malmström den Vertrag noch gemeinsam mit der kanadischen Regierung nachbessern. Tut sie das allerdings nicht, bleiben Sigmar Gabriel nach der dieser Analyse nur zwei Optionen: Entweder er stimmt dem Vertrag trotzdem zu – und muss dann hinterher seiner eigenen Partei erklären, dass er als der mächtigste Wirtschaftsminister Europas keinen der auf dem SPD-Konvent erarbeiteten Verbesserungsvorschläge bei der EU-Kommission durchsetzen konnte. Oder aber er sagt Nein – und handelt sich Ärger mit dem Koalitionspartner und einigen anderen Regierungen ein.