Auf der Kampagnenplattform Campact erschien folgender Beitrag, den wir hier gerne wiedergeben.
Seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten lesen wir immer wieder, dass TTIP an ihm gescheitert sei. Selbst die EU-Kommission sprach kurz nach der Wahl davon, dass TTIP jetzt „im Gefrierschrank“ schlummere. Wir klären auf, wer TTIP wirklich ausgebremst hat – und welches Abkommen ganz nach Trumps Geschmack ist.
Es ist ein ziemlich gelungener PR-Coup der EU-Handelskommission: Mit Trump als US-Präsidenten seien die TTIP-Verhandlungen nun bedauerlicherweise auf Eis gelegt. Denn Trump gilt als „Freihandelsgegner“ – und bietet damit einen perfekten Vorwand, um zu erklären, warum es mit TTIP gerade nicht vorangeht. Doch stimmt das überhaupt?
Ist Trump gegen oder für Freihandel?
Zunächst einmal: Trump hat sich bisher noch nie öffentlich zu TTIP geäußert. Alles was er bisher über Handelsabkommen gesagt hat, bezog sich auf die bereits bestehende Freihandelszone NAFTA zwischen USA, Mexiko und Kanada, sowie auf das gerade fertig verhandelte transpazifische Abkommen TPP. Beide sind in den USA sehr umstritten. NAFTA möchte Trump neu verhandeln und TPP nicht abschließen. Mit Blick auf den Außenhandel vor allem mit China sprach Trump immer wieder davon, die amerikanische Wirtschaft mit nationalistisch-protektionistischen Mitteln wie Zöllen und Handelsbarrieren schützen zu wollen, also eine Abschottung nach außen zu betreiben. Das ging soweit, dass er vorschlug Strafzölle von 45 Prozent auf chinesische Produkte zu verlangen und eine Mauer an der mexikanischen Grenze zu errichten.
Wie steht Trump zu TTIP?
Diesen Aussagen zufolge ist Trump ein Freihandelsgegner. Das ist jedoch nicht das vollständige Bild. Trump hat sich nie prinzipiell gegen Handelsabkommen positioniert. Im Gegenteil: In seinem Manifest führt er aus, wie er einen „Kampf für Freien Handel“ führen möchte und dazu in Zukunft sehr wohl weitere Handelsabkommen abschließen will. Als gute Handelsabkommen sieht er solche an, die neue Jobs in den USA schaffen und Exporte statt Importe begünstigen. Genau das haben die Befürworter von TTIP immer behauptet. Je nachdem wem oder welchen Interessen Trump in dieser Frage Gehör schenkt, könnte er also sehr wohl zu der Einsicht gelangen, dass TTIP eine gute Sache ist.
Ein erfolgreicher Abschluss von TTIP ist dennoch zum jetzigen Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich. Trump hat nämlich auch eine klare Fokussierung auf US-amerikanische Interessen angekündigt, die beispielsweise in seinem Wahlspruch „America first“ Ausdruck findet. Die USA dürften also in Zukunft noch weniger Kompromissbereitschaft an den Tag legen, was die festgefahrenen Verhandlungen noch schwieriger machen dürfte.
Dennoch sollten wir uns als Anti-TTIP-Bewegung klar darüber sein, dass es derzeit nur eine Verhandlungspause bei TTIP gibt. Wir müssen wachsam bleiben. Das belegen Aussagen des neuen Außen- und Sicherheitspolitischen Beraters von Trump, Jeffrey D. Gordon. Bei einer Veranstaltung in Budapest Anfang Dezember sprach er davon, dass TTIP zur Zeit zwar keine Priorität habe, jedoch keines Weges vom Tisch sei.
TiSA: Ein Abkommen ganz nach Trumps Geschmack
Eiligst befassen sollten wir uns jedoch mit dem Dienstleistungsabkommen TiSA, dessen Zustandekommen durch Trump nicht unwahrscheinlicher geworden ist. Trump betreibt internationale Hotels und Casinos – und hat dadurch als Unternehmer im Dienstleistungsgewerbe ein Interesse an einer weiteren Liberalisierung dieses Marktes. Zudem ist er ein vehementer Befürworter von Deregulierung und das ist der Kern des TiSA-Abkommens. Er wäre also überhaupt nicht verwunderlich, wenn sich Trump dem TiSA-Abkommen annehmen und dieses zu seiner Art von „gutem Handelsabkkommen“ deklarieren würde.
Die TiSA-Verhandlungen stehen kurz vor dem Abschluss. Es wird Zeit diesem Abkommen unsere volle kritische Aufmerksamkeit zu widmen.
Hier unterschreiben: TiSA-KAMPAGNE.
Die Verhandlungen zwischen der EU und USA steckten lange vor Trump fest
Trump taugt bei näherem Hinschauen also gar nicht als Freihandelsgegner, dem man das bedauerliche Ende aller Freihandelsabkommen mit den USA zuschreiben kann. Dass die EU-Kommission es trotzdem versucht, liegt wohl eher daran, dass sie nicht zugeben will, dass die TTIP-Verhandlungen schon lange vor Trump ins Stocken gerieten – und die Ursache dafür der Protest von Millionen europäischen Bürger/innen war. Zur Erinnerung:
- Ein breites europäisches Bündnis sammelte mit der selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA gut 3,4 Millionen Unterschriften.
- Mehr als 2.000 europäische Kommunen, Gemeinden und Regionen sprachen sich gegen TTIP aus.
- In Deutschland fanden die größten Massenproteste in Deutschland seit dem Beginn des Irak-Krieges statt, mit einer Viertelmillion Menschen auf Berlins Straßen im Herbst 2015 und 320,000 in sieben Städten ein Jahr später.
- Eine breite Koalition gegen TTIP bildete sich, in der von Attac und Greenpeace über den Paritätischen Wohlfahrtsverband, den DGB bis hin zur katholischen Arbeitnehmerbewegung, sowie kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) alle vertreten sind.
- Selbst der Deutsche Richterbund sprach sich gegen Investorenklagen und damit ein Kernstück des Abkommens aus.
Durch diese Aktivitäten wurde eine hohe mediale Aufmerksamkeit für das Abkommen erzeugt. Aus vereinzelten Medienberichten wurden immer mehr und schließlich kam kein Bericht mehr aus, ohne TTIP das Adjektiv „umstritten“ voranzustellen. Aufgrund des starken Widerstandes musste auch die EU-Kommission einlenken. Sie musste wieder und wieder zusagen keine Standards in Europa zu senken, mehr Transparenz in den Verhandlungen herstellen, musste die Investoren-Schiedsgerichte zumindest im Ansatz reformieren. Die Reformen waren winzig, jedoch bewegte sich die Kommission einige Millimeter in unsere Richtung. Um die Verhandlungen erfolgreich abschließen zu können, hätte sie sich in vielen Punkten jedoch einige Meter auf die USA zu bewegen müssen. Das konnte sie nicht, weil sie unter ständiger Beobachtung und Kritik stand.
Folglich machten auch die USA keine Zugeständnisse mehr, beispielsweise in Bezug auf die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens, die europäische Konzerne so ersehnt hatten. Schon im Mai gab es bereits Berichte über die strauchelnden Verhandlungen. Auch Sigmar Gabriel gab in einem Interview Ende August zu, dass die Verhandlungen seit langem keine nennenswerten Fortschritte mehr machten – lange vor Trump.
TTIP ist am Protest von Millionen BürgerInnen gescheitert
Auch wenn es uns von vielen Seiten aus suggeriert wird: Donald J. Trump hat TTIP nicht gestoppt. Die Verhandlungen steckten bereits vor den US-Wahlen fest – und das ist der Erfolg unserer breiten europäischen Bürgerbewegung. Im öffentlichen Diskurs um diese neue Form von Handelsabkommen wie TTIP, CETA und TiSA zeigten sich kritische BürgerInnen besonders wach und informiert, gingen auf die Straße und traten mit ihren PolitikerInnen in den Dialog. Ihr Engagement für fairen Handel hat die TTIP-Verhandlungen immer wieder ausgebremst. Es wird Zeit diesen Erfolg auch zu feiern.