Neue Dokumente zeigen: Das geplante EU-Japan-Handelsabkommen JEFTA enthält eine ganze Reihe von Punkten, die inakzeptabel sind. Hier fünf Beispiele, zusammengestellt von der Tagesschau-Redaktion.
Beispiel Investorenschutz
Die japanische Regierung beharrt offenbar bislang auf umstrittenen privaten Schiedsgerichten, mit denen Unternehmen Staaten auf Schadensersatz verklagen können. Diese verhandeln hinter verschlossenen Türen. Kritiker sehen in Schiedsgerichten die Möglichkeit, dass Konzerne mehr oder weniger heimlich demokratische Entscheidungen aushebeln könnten.
Beim Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) hatte die EU-Kommission nach Protesten öffentliche Investitionsgerichtshöfe als Standard etabliert, mit Richtern, die die Regierungen ernennen und nicht die Kläger selbst. „Das neue System wird wie ein internationales Gericht funktionieren, so dass die Bürger auf faire und objektive Urteile vertrauen können“, hatte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström versprochen.
Bisher sperrt sich Japan aber gegen solche Investitions- anstelle der Schiedsgerichtshöfe. Zu dem Thema gäbe es „so gut wie keine Fortschritte“, zitiert die Regierung Malmströms Beamte in einem diplomatischen Bericht. Die deutschen Diplomaten in Brüssel meldeten an Berlin: „Möglicherweise könnte diese Thematik bei einer politischen Einigung zunächst ausgespart und erst zum Schluss der Verhandlungen geklärt werden“.
Professor Markus Krajewski, Völkerrechtler an der Universität Erlangen-Nürnberg, warnt: „Im momentanen Verhandlungsstand sehen wir einige Klauseln, die bei CETA sehr viel strikter waren und die in dem Japan-Abkommen weicher sind. Das heißt, dass sich Investoren möglicherweise doch auf weitere Standards berufen können. Die strikten Standards die bei CETA eingeführt wurden, die sehen wir jedenfalls jetzt in dem Abkommen mit Japan noch nicht.“
Beispiel Vorsorgeprinzip
In der EU gilt das Vorsorgeprinzip. Es besagt, dass Produkte so lange nicht auf den Markt dürfen, bis Risiken für den Verbraucher wissenschaftlich ausgeschlossen werden können. Das ist beispielsweise bei Genfood der Fall. Dieses fundamentale Prinzip der EU ist im bisherigen Vertragstext nur geringfügig verankert. „Die wirklich wichtigen Kapitel wie Landwirtschaft sind davon unberührt. Das Prinzip, auf dem der EU-Umwelt- und Verbraucherschutz beruht, ist nicht gesichert“, urteilt der Handelsrechter Peter-Tobias Stoll von der Uni Göttingen.
Beispiel Holzhandel
Auch um den letzten Urwald Europas fürchten Kritiker: Denn Japan ist einer der größten Holzimporteure der Welt mit gleichzeitig laxer Nachhaltigkeitsregulierung. Der Import aus Europa könnte durch das Abkommen noch befeuert werden, auch mit illegal geschlagenem Holz aus Nationalparks und Schutzgebieten, beispielsweise aus Rumänien.
Die Schutzstandards in puncto Nachhaltigkeit sind im Abkommen auf wenige Zeilen begrenzt und enthalten keine konkreten Verpflichtungen. Weder die seit 2013 geltende Holzregulierung der EU noch der umfangreiche EU-Aktionsplan zum Schutz der Wälder werden erwähnt. „Die Klauseln über den Holzhandel sind extrem schwach, sie verpflichten die Parteien zu gar nichts“, sagt David Gehl von der Washingtoner Umweltorganisation Environmental Investigation Agency (EIA). Wachse der Holzhandel auf Basis des Abkommens, nehme auch der Handel mit illegalem Holz zu. „Die EU hat die Gelegenheit verpasst, Japan hier stärker in die Pflicht zu nehmen“, bewertet Gehl die Regeln im Vertragstext.
Beispiel Walfang
Außerdem nimmt die EU-Kommission Japan nicht beim illegalen Walfang in die Pflicht: Obwohl seit 1986 ein weltweites Walfang-Moratorium gilt, jagen Japaner weiter Wale – angeblich zu wissenschaftlichen Zwecken. Fast 670 Zwergwale wurden seit 2015 gefangen, darunter viele trächtige Weibchen. Doch das Unterlassen des Jagens von bedrohten Arten hat die EU-Kommission nicht zu einer Bedingung für ein Handelsabkommen gemacht. Walfang wird in den Dokumenten kein einziges Mal erwähnt.
„Die EU plant keine Vorschriften über Einzelfragen wie Walfang“, hatte Handelskommissarin Malmström dem EU-Parlament nach Kritik geantwortet. Begründung: Die Kommission strebt lieber umfassende Verpflichtungen an, die Japan und der EU erlauben, in der Umsetzungsphase eine große Spanne von Themen anzugehen. Der Import von Walfleisch nach Europa bliebe allerdings weiterhin verboten.
Beispiel Transparenz
Die Bundesregierung erhofft sich die größten Effekte der Handelsliberalisierung für die Agrar- und Industriegüterindustrie und setzt außerdem auf die Öffnung der Vergabe öffentlicher Aufträge, vor allem im Verkehrsbereich. Die EU-Kommission verspricht Europas Unternehmen neue Geschäfte und damit auch Arbeitsplätze. Über die Vorteile des Freihandelsabkommen wird gern gesprochen. Im Fall Japans gibt es bislang lediglich vier Dokumente, die für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Auch, weil der japanische Premier Shinzo Abe Brüssel gewarnt hat: Ein Leak der Dokumente wäre ein „schwerer Vertrauensbruch“.
Nach den Protesten gegen die Freihandelsabkommen mit den USA und mit Kanada, wollte die EU-Kommission es eigentlich anders machen. Es vergeht kein Auftritt der EU-Handelskommissarin Malmström, ohne dass sie darauf hinweist, wie wichtig ihr die Transparenz sei. Doch nicht einmal das Verhandlungsmandat für das Freihandelsabkommen mit Japan wurde veröffentlicht. Der formalistische Grund: Es wurde 2012 angenommen und damit vor der neuen Transparenz-Offensive, die im Jahr 2015 verabschiedet wurde.
Malmström dringt dennoch darauf, das Japan-Mandat publik zu machen. „Als Verhandlerin für die EU halte ich die Veröffentlichung des Mandats nicht für schädlich für die europäische Verhandlungsposition, sondern im Gegenteil, ich glaube, dass die Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt sehr hilfreich dabei wäre, Ängste und Spekulationen abzubauen. Es würde der EU helfen, die Ziele zu erreichen.“
Doch die EU-Staaten kamen ihrem Wunsch bislang nicht entgegen. Auch deswegen will die Organisation Greenpeace die Dokumente online stellen.
„Ich verspreche mir von dem Leak, dass es wieder eine breitere Diskussion gibt, über das, was von der EU an Handelsabkommen abgeschlossen wird“, sagt Christoph von Lieven, Kampagnenmanager von Greenpeace. Das Abkommen betreffe alle Bürger, daher habe er kein Verständnis dafür, dass es geheim gehalten werden solle.
PS: Alle geleakten Dokumente wurden von der Umweltorganisation Greenpeace veröffentlicht. Hier der Link zur Webseite: https://ttip-leaks.org/jefta-leaks/