Das geplante Handelsabkommen der EU mit Japan (JEFTA) könnte Investoren und Konzerne zulasten von Bürgern bevorzugen. Das zeigen geheime Unterlagen, über die die Süddeutsche Zeitung jetzt berichtet. Sie werfen Zweifel auf, ob der Schutz von Gesundheit und Umwelt im Abkommen ausreichend verankert ist.
Von Alexander Hagelüken und Alexander Mühlauer, Brüssel
Bei dem von Europa angestrebten Handelsvertrag mit Japan sollen politisch heikle Fragen offenbar ausgeklammert und Industriekonzerne zulasten der Bürger bevorzugt werden. Das zeigen Hunderte Seiten geheimer Verhandlungsdokumente, die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR einsehen konnten. Sie wurden von Greenpeace und anderen Quellen zur Verfügung gestellt, werden teils veröffentlicht und erlauben den ersten tiefen Einblick in die seit 2013 laufenden, geheim geführten Gespräche.
Europa möchte rasch eine politische Einigung mit Japan erreichen und will damit auf dem Hamburger G-20-Gipfel am 7. und 8. Juli ein Gegengewicht zum Anti-Freihandels-Kurs des US-Präsidenten Donald Trump setzen. Der Handelspakt soll die Exporte nach Japan um 20 bis 30 Prozent steigern. Europa und Japan produzieren zusammen schon heute ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung.
Die Dokumente werfen aber Zweifel auf, ob der Schutz von Gesundheit und Umwelt im Abkommen ausreichend verankert ist. Das gilt etwa für das sogenannte Vorsorgeprinzip, das im Japan-Vertrag bisher kaum vorkommt. Wenn dieses Prinzip nicht greift, kann die EU die Einfuhr etwa von hormonbehandeltem Fleisch oder genetisch veränderten Lebensmitteln nur noch dann verbieten, wenn wissenschaftlich deren Gesundheitsgefahren erwiesen sind. Bisher genügen entsprechende Anhaltspunkte für ein Verbot. „Das Prinzip, auf dem der EU-Umwelt- und Verbraucherschutz beruht, ist nicht gesichert“, urteilt der Handelsrechtler Peter-Tobias Stoll von der Universität Göttingen.
Ein weiterer Punkt sind die Rechte für Investoren. Japan beharrt auf umstrittenen privaten Schiedsgerichten, die hinter verschlossenen Türen über strittige Punkte verhandeln, und weigert sich, den von der EU vorgeschlagenen Investitionsgerichtshof zu akzeptieren. Mit einem solchen Gerichtshof erschwert es die EU Konzernen etwa im Handelsabkommen mit Kanada (Ceta), an Klagen gegen Umwelt- und Verbrauchergesetze zu verdienen. Gemeint sind damit Klagen wie die des schwedischen Vattenfall-Konzerns vor einem privaten Schiedsgericht gegen den deutschen Atomausstieg. Vattenfall fordert fünf Milliarden Euro Schadenersatz.
Die Dokumente zeigen, dass Japan einen Investitionsgerichtshof bisher ablehnt. „Japan zeige sich hierin bisher ausgesprochen hartleibig“, zitiert ein interner Lagebericht der Bundesregierung von Mitte Juni die EU-Kommission, die auf europäischer Seite die Verhandlungen führt. Insgesamt falle der bisherige Vertragstext stärker zugunsten der Konzerne aus als andere Abkommen, warnt der Völkerrechtler Markus Krajewski von der Universität Erlangen. „Solche Formulierungen könnten dazu führen, dass Investorenklagen leichter möglich sind als beim Abkommen mit Kanada.“ Käme das so, wäre dies politisch brisant. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) etwa konnte das Ceta-Abkommen mit Kanada in seiner Partei nur mit Nachverhandlungen durchsetzen. Anschließend warnte er die EU-Kommission davor, künftig weniger ehrgeizige Verträge abzuschließen.
Japans Premier Shinzō Abe hatte gewarnt, wenn die Verhandlungsdokumente bekannt würden, wäre dies ein schwerer Vertrauensbruch. Die EU will eine rasche Grundsatz-Einigung, um das Abkommen bis Ende 2017 zu besiegeln. Die „drastisch sinkende Popularität von Abe sei ein Grund für die EU, die Verhandlungen so schnell wie möglich zu einem Abschluss zu bringen“, zitiert der Lagebericht der Bundesregierung von Mitte Juni die EU-Kommission.