Die EU will die Kontrollen für einige Lebensmittel aus Fukushima und Umgebung aufheben. Sie gibt damit Forderungen aus Tokio nach, die während der Verhandlungen über das japanisch-europäische Handelsabkommen JEFTA auf den Tisch kamen. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung.
Von Thomas Kirchner/Jan Willmroth, Brüssel
Die japanische Regierung hat die politische Einigung auf das geplante Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union für eine Nebenabrede genutzt. Nach der Sommerpause will die EU-Kommission die Exportbeschränkungen für Schalen- und Krustentiere, zahlreiche Fischarten sowie Reis- und Reisprodukte aus der Region Fukushima weitgehend aufheben. Das kündigte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auf dem EU-Japan-Gipfel vergangene Woche in Brüssel an. Japan habe „bemerkenswerte Fortschritte“ gemacht, was die Sicherheit der Produkte aus der Gegend betreffe. Japans Premier Shinzō Abe bestätigte, er habe in den Gesprächen eine Lösung für die Fukushima-Exporte verlangt. Juncker entgegnete, er sei zuversichtlich, dass es dazu komme: „Wir arbeiten daran.“
Seit der Reaktorkatastrophe vom März 2011 gelten für den Import von Nahrungsmitteln aus der betroffenen Gegend und den umliegenden Regionen besondere Regeln. Die EU wollte damit verhindern, dass kontaminierte Produkte auf den Tisch der europäischen Verbraucher kommen. Fische, Fischprodukte, auf Reis basierende Lebensmittel, Pilze, essbare Wildpflanzen und einiges mehr werden in Japan erst speziell untersucht, bevor sie in den Export Richtung Europa gelangen. Nur Produkte, welche die Grenzwerte für Caesium-134 und Caesium-137 einhalten, dürfen freigegeben werden.
Bei Stichproben in der EU seien in mehr als fünf Jahren keine Verstöße festgestellt worden, heißt es in einer Vorlage der Kommission, man könne daher die „niedrige Frequenz der Importkontrollen“ beibehalten. Festgelegt ist dies in einer Durchführungsbestimmung zu der Verordnung, die allgemein die Lebensmittelsicherheit und den Import aus Drittländern betrifft. Sie wurde seit 2011 regelmäßig verlängert. Bei dieser Art der Gesetzgebung macht die Kommission Vorschläge, die von Experten aus den Mitgliedstaaten genehmigt werden. Das Europäische Parlament ist daran nur insofern beteiligt, als es einen Einwand äußern darf.
Für Reis und Reisprodukte aus der Präfektur Fukushima sollen die Kontrollen künftig ganz wegfallen, ebenso für Hummer, Krabben und Garnelen sowie für Austern, Miesmuscheln und Tintenfische sowie einige Fischarten. Bisher betreffen die Einschränkungen nicht nur Fischereiprodukte aus Fukushima, sondern auch aus den umliegenden Präfekturen Gunma, Ibaraki, Tochigi, Miyagi, Chiba und Iwate. Begründet wird die geplante Aufhebung der Kontrollen mit dem Verweis auf 132 000 Radioaktivitäts-Messdaten der japanischen Behörden.
Die Grünen im Europäischen Parlament stoßen sich an dem Vorgehen der Kommission. Es sei „höchst intransparent“, sagte der Abgeordnete Claude Turmes. Die Daten müssten für das Parlament und die Öffentlichkeit zugängig gemacht werden. Es müsse klar werden, wie sie erhoben würden. „So drängt sich die Frage auf, ob die Importkontrollen nicht als Verhandlungsmasse beim EU-Japan-Freihandelsabkommen geopfert wurden.“
Der Luxemburger Politiker verwies auch auf eine Parallele zu den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta), „als der Import von Sprit aus den besonders klimaschädlichen kanadischen Teersänden zugelassen wurde, um der kanadischen Regierung entgegenzukommen“.