Bundestagswahl: CETA und die Konstanzer Kandidaten

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Das kanadisch-europäische Handelsabkommen CETA ist unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Es kann also noch gestoppt werden – unter anderem vom Bundestag oder vom Bundesrat. Wir wollten wissen, wie die Bundestagskandidaten im Wahlkreis Konstanz dazu stehen. Hier das Ergebnis.

CETA ist eins der über zwanzig Handelsabkommen, die die EU derzeit plant und die weitaus mehr vorsehen als nur die Absenkung von Zöllen. Anders als die Freihandelsabkommen mit Japan, mit Mexiko, mit den Philippinen usw. ist CETA jedoch schon ausverhandelt. Es wird ab dem 21. September vorläufig angewandt und tritt in Kraft, falls alle Parlamente der 28 EU-Mitgliedsstaaten zustimmen.

Viele zivilgesellschaftliche Organisationen, Verbände und Initiaven stehen CETA kritisch gegenüber – darunter Umweltverbände, Verbraucherschutzorganisationen, Gewerkschaften, der Deutsche Kulturrat, der Deutsche Richterbund und viele andere. Und hat daher interessiert, wie die Bundestagskandidaten im Landkreis Konstanz  und ihre Parteien das Abkommen sehen und ob sie ihm zustimmen. Hier sind ihre Antworten – in der Reihenfolge ihres Eingangs bei uns (wir haben alle gleichzeitig angefragt).

 

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Simon Pschorr, Die Linke:

1. Werden Sie und Ihre Partei CETA im Bundestag zustimmen – oder ablehnen?

Wir werden CETA im Bundestag ablehnen. Es ist ein gefährliches Instrument zur rechtlichen Entgrenzung des Marktes zulasten aller schützenswerter Staatsziele! Freihandel mit rechtlichen Sonderregimes und einer Sondergerichtsbarkeit können und wollen wir nicht dulden. CETA bedeutet für uns TTIP durch die Hintertür.

2. Wie wird sich Ihre Partei im Bundesrat entscheiden? Werden alle Bundesländer, in denen Ihre Partei mitregiert, für CETA stimmen, den Vertrag ablehnen oder sich enthalten?

Die LINKE wird mit den Stimmen aller Bundesländer, in der sie an der Regierung beteiligt ist, CETA ablehnen. Das gilt auch und insbesondere für Thüringen.

3. Werden Sie beziehungsweise Ihre Partei nach der Bundestagswahl eine Koalition eingehen, die eine Zustimmung zu CETA vorsieht?

Nein. Dies ist ein klarer Ausschlussgrund für eine Koalition. Wir werden darüber hinaus zur Bedingung einer Koalition machen, dass es keine Initiativen von deutscher Seite zum Abschluss weiterer Freihandelsabkommen geben wird. Wir würden in einer Regierungskoalition den großen Einfluss Deutschlands auf Ebene des Europäischen Rates dazu nutzen, europäische Verhandlungen zu solchen Abkommen einzustellen und stattdessen zurück zu Aktivitäten auf Ebene der WTO zu finden, die alle Länder der Erde gleichberechtigt erfasst, anstatt mit dem Instrument „Teile und Herrsche“ neue ökonomische Fakten zu schaffen. Handelskrieg ist Krieg wie der Militärische auch – und die LINKE ist die einzige Friedenspartei Deutschlands.

 

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Tassilo Richter, FDP

Vorbemerkung: Die liberale Welthandelsordnung gerät unter Druck. Protektionistische Tendenzen dies- und jenseits des Atlantik setzen bereits ausgehandelte Verträge und Abkommen aufs Spiel. Dabei hat freier Handel die Welt zusammenrücken lassen. Mehr Chancen und Annehmlichkeiten für mehr Menschen sind die Folge. Abschottung und wirtschaftlicher Nationalismus gefährden jedoch nicht nur die internationalen Strukturen der wirtschaftlichen Freiheit. Denn: Enge wirtschaftliche Verbindungen zwischen Staaten fördern Frieden und Stabilität weltweit.

1. Werden Sie und Ihre Partei CETA im Bundestag zustimmen – oder ablehnen?

Zustimmen.

2. Wie wird sich Ihre Partei im Bundesrat entscheiden? Werden alle Bundesländer, in denen Ihre Partei mitregiert, für CETA stimmen, den Vertrag ablehnen oder sich enthalten?

Für Ceta stimmen.

3. Werden Sie beziehungsweise Ihre Partei nach der Bundestagswahl eine Koalition eingehen, die eine Zustimmung zu CETA vorsieht?

Ja, selbstverständlich. Wir Freie Demokraten wollen die Chancen des Freihandels nutzen, ohne die hohen Standards hierzulande aufzugeben. Das geht, denn freier Handel sichert Fortschritt und Frieden weltweit. Er schafft Arbeitsplätze und Wachstum, ohne die Staatshaushalte zusätzlich zu belasten. Deshalb setzen wir auf Wohlstand für mehr Menschen durch freien Handel. Handelshemmnisse sollen abgebaut, hohe Standards bei Menschenrechten, Arbeits-, Lebensmittel- und Umweltsicherheit beibehalten werden. Damit eröffnen Freihandelsabkommen auch die Chance, der Globalisierung Regeln zu geben.

 

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Tobias Volz, SPD

1. Werden Sie und Ihre Partei CETA im Bundestag zustimmen – oder ablehnen?

Wer die Globalisierung fair gestalten will, muss für Regeln beim Welthandel sorgen. Dazu bedarf es eines internationalen Handelsgerichtshofs, damit nicht länger private Schiedsgerichte im Streitfall entscheiden, sondern öffentlich bestellte Richter. Daneben müssen Standards bei Arbeitnehmer- und Verbraucherrechten, sowie beim Umweltschutz im Vergleich zum status quo deutlich angehoben werden. All diese Kriterien erfüllt CETA. Deshalb befürworten sowohl meine Partei als auch ich dieses Abkommen. Es ist das fairste Freihandelsabkommen aller Zeiten. Es wäre aus meiner Sicht ein großer Fehler, ein Abkommen mit einem Land wie Kanada – welches zentrale europäische Werte mehr lebt als viele EU-Mitglieder – zu verhindern um dann darauf zu warten, dass die Trumps und Putins dieser Welt die Regeln für den Welthandel festlegen.

2. Wie wird sich Ihre Partei im Bundesrat entscheiden? Werden alle Bundesländer, in denen Ihre Partei mitregiert, für CETA stimmen, den Vertrag ablehnen oder sich enthalten?

Im Bundesrat sitzen Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierungen, keine Abgeordneten oder Delegierten von Parteien. In unserem föderalen System entscheiden die einzelnen Landesregierungen autonom über ihre Haltung zu einzelnen Sachfragen. Ich gehe davon aus, dass sich die jeweiligen SPD-Ministerinnen und -Minister in ihren Landesregierungen für CETA stark machen werden, weil es dank der Nachverhandlungen, ein gutes Regelwerk geworden ist.

3. Werden Sie beziehungsweise Ihre Partei nach der Bundestagswahl eine Koalition eingehen, die eine Zustimmung zu CETA vorsieht?

Der Parteikonvent der SPD hat sich nach intensiver Diskussion für  CETA ausgesprochen. Daher entspräche ein Koalitionsvertrag, der eine Zustimmung zu diesem Vertrag vorsieht, unserer Beschlusslage.

 

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Martin Schmeding, Bündnis 90/Grüne

1. Werden Sie und Ihre Partei CETA im Bundestag zustimmen – oder ablehnen?

Die Grünen haben eine Ablehnung des CETA in ihrem Wahlprogramm hineingeschrieben. Ich als Kandidat werde mich dazu ablehnend verhalten, wenn ich in den Bundestag komme. Gleichzeitig gehe ich sehr schwer davon aus, dass die GRÜNEN als Fraktion das Abkommen ablehnen werden.

2. Wie wird sich Ihre Partei im Bundesrat entscheiden? Werden alle Bundesländer, in denen Ihre Partei mitregiert, für CETA stimmen, den Vertrag ablehnen oder sich enthalten?

Es besteht in den Bundesländern mit GRÜNER Regierungsbeteiligung die Vereinbarung, dass sich die Landesregierungen enthalten, wenn innerhalb der Koalition Meinungsverschiedenheiten zu einem Thema auftreten. Ich gehe davon aus, dass sich SH, Hessen, RPf, BaWü und SA enthalten werden, Hamburg, Bremen, Berlin und Thüringen tendenziell dagegen stimmen werden. Bei Niedersachsen muss die LTW abgewartet werden. Insbesondere in BaWü werde ich mich parteiintern für eine GRÜNE Ablehnung stark machen, die dann in den Koalitionsausschuss hineingetragen wird.

3. Werden Sie beziehungsweise Ihre Partei nach der Bundestagswahl eine Koalition eingehen, die eine Zustimmung zu CETA vorsieht?

Die politische Lage nach der BTW17 wird schwierig, davon bin ich überzeugt. Sollte es für R2G reichen, werden wir eine breite Ablehnungsfront haben. Diese Konstellation halte ich aber für wenig realistisch. Sollten die GRÜNEN in eine Schwarz-Grüne oder eine Jamaika-Koalition eintreten, werden sehr schwere Koalitionsverhandlungen auf uns zukommen. Meine persönliche Sicht ist die, dass wir im Falle von Schwarz-Grün die Union zu einer Enthaltung (vielleicht sogar eine Ablehnung) bewegen können. Bei Jamaika wird es diese Möglichkeit mit großer Wahrscheinlichkeit nicht geben. Dafür werden die GRÜNEN zu schwach sein. Hier ist CETA im Blick des Gesamtpaketes Koalitionsverhandlungen zu sehen. CETA wird keine koalitionsentscheidende Rolle spielen, davon bin ich überzeugt.

 

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Andreas Jung, CDU

1. Werden Sie und Ihre Partei CETA im Bundestag zustimmen – oder ablehnen?

Nach Abwägung der Argumente zu einem Freihandelsabkommens mit Kanada und nach einem Verhandlungsprozess, in dem erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten, beabsichtige ich im Fall meiner Wahl, CETA zuzustimmen. Technologie, grenzüberschreitende Kommunikation und der internationale Handel entwickeln sich schnell. Dieser Prozess braucht Regeln und Standards, um Fehlentwicklungen und unfaire Handelspraktiken zu verhindern. Deshalb ist die internationale Zusammenarbeit von großer Bedeutung. Ein Freihandelsabkommen mit Kanada sorgt dafür, dass für den Handel dabei klare Regeln gelten. Kanada ist ein wichtiger Handelspartner Deutschlands und CETA wird die guten wirtschaftlichen Beziehungen noch weiter intensivieren. CETA schafft faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche und kanadische Unternehmen, von denen insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen profitieren können.

Die Sorge, dass CETA unsere Schutzstandards in den Bereichen des Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltschutzes absenkt, ist unbegründet. Das Freihandelsabkommen mit Kanada sieht zahlreiche Schutzvorschriften für öffentliche Daseinsvorsorge, audiovisuelle Dienstleistungen, Verbraucher- und Umweltschutz sowie sogenannte Arbeitsmarktklauseln vor, die gewährleisten, dass es hier nicht zu Standardabsenkungen kommt. Für die Einhaltung unserer Schutzstandards hatte die EU von Anfang an ein eindeutiges Verhandlungsmandat. Das war auch der deutschen Bundesregierung besonders wichtig. Ebenso hat sie mit anderen EU-Staaten darauf gepocht, dass die nationalen Parlamente in die Entscheidung über CETA eingebunden werden. Das war zunächst nicht vorgesehen, da CETA als reines EU-Abkommen gedacht war. Nach der berechtigten Kritik unter anderem aus Deutschland und Österreich erklärte die EU-Kommission CETA zu einem gemischten Abkommen. Das heißt, dass der Bundestag CETA zustimmen muss – genauso wie die Parlamente der weiteren EU-Mitgliedsstaaten. Am 21. September treten vorläufig nur die Abschnitte in Kraft, die unstreitig EU-Kompetenz sind. Davon ausgenommen ist das sensible Thema Investitionsschutz sowie einzelne Kapitel zu Finanzdienstleistungen, Steuern und Geistigem Eigentum. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 13. Oktober 2016 hervorgehoben. In seinem Urteil macht das Gericht aber auch deutlich, dass die vorläufige Anwendung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Insgesamt haben der Verhandlungsprozess und die Auseinandersetzung mit der Kritik von Mitgliedstaaten wie Deutschland und der Öffentlichkeit, auch was Transparenz betrifft, zu einem guten Ergebnis geführt. Insbesondere beim Investitionsschutz hat es weitreichende Verbesserungen gegeben. Mit CETA wird jetzt ein modernes Regelwerk zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten eingeführt. Statt der traditionellen privatrechtlichen Schiedsgerichte, sieht CETA einen stehenden, öffentlich legitimierten Investitionsgerichtshof vor. Die Berufsrichter werden von den CETA-Vertragsparteien ernannt. Die Verfahren sind transparent und es gibt eine Berufungsinstanz.

2. Wie wird sich Ihre Partei im Bundesrat entscheiden? Werden alle Bundesländer, in denen Ihre Partei mitregiert, für CETA stimmen, den Vertrag ablehnen oder sich enthalten?

Ich gehe davon aus, dass die CDU in den Bundesländern soweit sie an der jeweiligen Landesregierung beteiligt ist, CETA unterstützen wird. Die Entscheidung liegt dabei aber in den jeweiligen Ländern und muss mit den jeweiligen Koalitionspartnern abgestimmt werden.

3. Werden Sie beziehungsweise Ihre Partei nach der Bundestagswahl eine Koalition eingehen, die eine Zustimmung zu CETA vorsieht?

Ja.