CETA: „Es wird keinen lauten Knall geben“

ceta-pferd

Am Donnerstag tritt das Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada in Teilen in Kraft. Dabei fallen die Handelsschranken nicht auf einmal, wie der Europa-Abgeordnete der Linken, Helmut Scholz, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk erläutert. Allerdings wird der Bund gegenüber Kanada neue Kommunikationspflichten eingehen.

Helmut Scholz im Gespräch mit Jule Reimer

Jule Reimer: In den letzten Monaten war es still geworden um das Freihandelsabkommen CETA zwischen der Europäischen Union und Kanada. Dabei geht es jetzt richtig los damit. Am Donnerstag wird es in Kraft treten, vorläufig und in Teilen. Denn für die Endgültigkeit des Gesamtvertrags müssen noch die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten ihr Jawort geben. Und nicht nur das Bundesverfassungsgericht hatte Bedenken gegen einzelne Vereinbarungen vorgebracht; Belgien will Teile des Abkommens sogar vom Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen, weil sich nämlich das Regionalparlament der Wallonie bei der Verabschiedung quergestellt hatte.

Kurz vor dieser Sendung fragte ich Helmut Scholz, Europaabgeordneter der Linken und Handelsexperte seiner Fraktion, was sich denn für die Verbraucher jetzt ändert, wenn CETA vorläufig in Kraft tritt.

Helmut Scholz: Erst einmal muss man sagen, es wird keinen lauten Knall geben, und damit werden die Veränderungen durch CETA erst allmählich wirksam. Wir sind sozusagen auf Beobachtungsposten. Die belgische Regierung muss künftig regelmäßig berichten, welche wirtschaftlichen, sozialen und auch gerade ökologischen und Verbraucherschutzfolgen durch CETA eintreten werden.

28c0ef19fa4f70f106e8d0a838ba4203v1_max_755x425_b3535db83dc50e27c1bb1392364c95a2

Reimer: Warum ausgerechnet die belgische Regierung?

Scholz: Weil die belgische Regierung durch das Verfahren auf der nationalen Ebene vor Zustimmung im Rat weitgehend Verpflichtungen gegenüber dem Parlament eingegangen ist, und das hat leider die Bundesregierung so nicht getan. Ich wünsche mir einen solchen Bericht auch von der künftigen neuen Bundesregierung. Zum Beispiel treten kanadische Bergbaugiganten in unseren Markt ein und damit auch die Fragen der Förderungspolitik und die Beachtung von Umweltnormen, die auf den unterschiedlichen Ebenen auch auf Landesebene getroffen wurden, weiter bestehen bleiben.

Reimer: Was könnte das praktisch bedeuten?

Scholz: Schon am Tag eins des vorläufigen Inkrafttretens werden die Kommunen, Länder und der Bund neue Informations- und Kommunikationspflichten gegenüber kanadischen Behörden und Unternehmen eingehen. Wird das die Modernisierung unserer Regulierung verlangsamen oder beschleunigen? Wie stark nutzen US-Unternehmen, ihre zahlreichen Niederlassungen auf den europäischen Markt zu drängen? Welche Arbeitsplätze, welche Löhne? All solche Fragen stehen an und geraten gegebenenfalls unter Druck.

Reimer: Ich möchte noch mal zurückkommen auf dieses Konsultationsverfahren. Was heißt das denn praktisch? In Sachsen gibt es ja Bergbau. Wenn sich da jetzt kanadische Bergbauunternehmen betätigen und Sachsen möchte irgendwelche Umweltgesetze ändern, müssen die dann die Kanadier einladen und denen erst mal sagen, was sie planen?

Scholz: So ist es, bevor sie die Regulierung erlassen können. Gegenseitig besteht dann durch CETA die Notwendigkeit. Die jeweilige Regulierungsstrukturbehörde auf Bundes- oder Provinzebene in Kanada oder Bund- und Landesebene in Deutschland oder in Departements in Frankreich und auf der nationalen Ebene, die müssen sich gegenseitig immer sachkundig machen, was ist eigentlich vorgesehen.

Reimer: Aber diese umstrittenen Investitionsschutzgerichte, vor denen die Unternehmen gegen eine Regierung klagen könnten, die bleiben ja erst einmal ausgespart. Von daher kann ja im Augenblick nichts passieren.

Scholz: Diese Investitionsschutzgerichte oder die Verfahren, die damit auf die Tagesordnung gesetzt werden, die treten ja erst ein, wenn man sich gegenseitig verklagt oder Probleme hat. Diese Regulierungszusammenarbeit, die mit CETA vereinbart wurde, die bedeutet, dass die Regulierungsbehörden vorab informieren müssen, was sie haben. Das heißt, das ist ein indirektes Eingreifen in die Frage, wie werden Gesetze erarbeitet und Gesetze und Normen umgesetzt.

Reimer: Ein kurzes Schlusswort. Haben Sie das Gefühl, die EU-Kommission hat gelernt aus der Auseinandersetzung um CETA?

Scholz: Ich sage mal vorsichtig, sie sind voll im Lernprozess. Ich glaube, sie haben nicht genügend gelernt, aber wer vor allen Dingen lernen muss ist der EU-Rat. Der weigert sich bislang nach wie vor, die Mandate zu veröffentlichen. Mandate sind eigentlich sehr allgemein gehaltene Vorhabenserklärungen, was eigentlich bei Verhandlungen ansteht. Aber selbst die ist der Rat nach wie vor bisher nicht bereit zu veröffentlichen. Die Kommission hat zugesichert und das hat auch Jean-Claude Juncker im Parlament verkündet, künftig die Entwürfe für die Mandate zu veröffentlichen. Das heißt, das Parlament wie auch die Öffentlichkeit kann wissen, was die Kommission dem Rat vorschlägt, zum Inhalt künftiger Handelsvereinbarungen zu machen. Das, glaube ich, ist ein Schritt zumindest in die richtige Richtung.

Reimer: Unter EU-Rat fassen Sie jetzt die Regierungschefs zusammen.

Scholz: Ja. Der Rat sind die Regierungschefs beziehungsweise die Fachministerräte. Manchmal sitzen die Fischereiminister zusammen im Rat für Fischereipolitik und dort beschließen sie ein Handelsabkommen. Manchmal sind das einfach die Abläufe. Die Vertreter der Mitgliedsstaaten, die darüber beschließen, was ist EU-ratsmäßig die Position dieser zweiten legislativen Kammer, oder wenn wir realpolitisch herangehen der ersten gesetzesgebenden Kammer, die müssen, finde ich, transparent endlich ihr Handeln einführen, damit wir einen Schritt weiterkommen im demokratischen Umbau und der demokratischen Weiterentwicklung der Europäischen Union, damit sie eine Union der Bürgerinnen und Bürger bleibt oder vor allem wird.