Riesendemos gegen das Ceta-Abkommen gibt es in diesem Herbst zwar nicht mehr. Aber der Widerstand lebt, sagt die Aktivistin Pia Eberhardt aus Brüssel im Interview mit der taz. (Im Bild: Protestaktion am 9. September vor dem Berliner Reichstag)
taz: Frau Eberhardt, Donnerstag tritt Ceta in Kraft – wo bleiben die Proteste der Kritiker?
Pia Eberhardt: Sie sind ja da. In Berlin gibt es eine Demo vor der Vertretung der EU-Kommission, in Frankreich und Belgien sind Protestkundgebungen geplant, die Stadt Rom will sich sogar zur Ceta-freien Zone erklären.
Warum gehen nicht mehr Hunderttausende auf die Straßen wie noch vor ein, zwei Jahren?
Es gibt weiterhin Widerstand, und wir gehen davon aus, dass Ceta in den nationalen und regionalen Parlamenten gestoppt wird. Bisher wurde das Abkommen nur in drei EU-Ländern ratifiziert. In Italien wurde die Ratifizierung wegen des massiven Widerstands verschoben, in Frankreich hat Präsident Macron einen Expertenbericht angefordert, der ganz schön kritisch ist, in Österreich ist Ceta ein Wahlkampfthema. Bald wird es wieder sichtbaren Widerstand geben, auch in Deutschland.
Ist das Abkommen immer noch so schlimm wie befürchtet – oder wurde nach dem Protest der Wallonen nachgebessert?
Die Wallonen haben gut gekämpft, aber nachgebessert wurde das Abkommen nicht. Der Text wurde an keiner Stelle geändert, er ist immer noch genauso brandgefährlich wie zuvor. Der Investorenschutz geht teilweise weiter als bei Nafta, im Agrarsektor müssen wir uns auf einen harten Preiskampf einstellen, die öffentliche Daseinsvorsorge ist nicht gesichert. Und solange das Abkommen nicht geändert wird, wird sich an dieser Einschätzung auch nichts ändern.
Die EU-Kommission sagt, sie habe aus Ceta gelernt. Sie will die umstrittenen privaten Schiedsgerichte (ISDS) abschaffen und durch einen unabhängigen Investitionsgerichtshof ersetzen. Ist das kein Fortschritt?
Es gibt in Ceta keinen Gerichtshof, sondern permanente Schiedsgerichte! Die Schiedsrichter verdienen dort mehr, je länger Verfahren dauern und je mehr Klagen es gibt, sie sind also nicht unabhängig. Und am Grundproblem ändert es gar nichts: Investoren und Konzerne werden weiter bevorzugt, Klagen gegen Gesetze zum Schutz von Umwelt und Gesundheit bleiben weiter möglich. Wir sind gegen Sonderklagerechte für Konzerne in jeder Form. Was ist denn so schlecht an den Rechtssystemen in Kanada und in Europa, dass Konzerne Sonderrechte brauchen? Diese Frage bleibt unbeantwortet.
Die nächsten Abkommen mit Australien und Neuseeland sollen aber keinen Investorenschutz mehr enthalten.
So sieht es zumindest im Moment aus. Die EU-Kommission hat bisher nur einen Mandatsentwurf für den Handelsteil vorgelegt, ohne den Teil zum Investitionsschutz.
Ist das ein Erfolg?
Natürlich ist das ein Erfolg. Dem steht allerdings die Ausweitung der Konzernklagerechte durch Ceta gegenüber. Sie sind nun nämlich erstmals in einem EU-Vertrag verankert, das gab es bisher nicht. Dass es uns nicht gelungen ist, das zu verhindern, ist schon bitter.
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