Was TiSA für TransportarbeiterInnen bedeutet

 

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Das geplante Dienstleistungsabkommen Trade in Services Agreement sei ein „Staatsstreich von oben“ – so der Stuttgarter ver.di-Geschäftsführer Cuno Hägele bei einem Vortrag in Konstanz. Was dieser Putsch genau bedeutet, hat nun die Internationale Transportarbeiter Föderation (ITF) und die Friedrich-Ebert-Stiftung untersuchen lassen.

Von Wolfgang Reinicke-Abel

Die neuseeländische Professorin Jane Kelsey hat im Auftrag der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) und der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie über den Handel mit Dienstleistungen veröffentlicht. In dieser Studie stellt sie dar, wie das geplante TiSA-Abkommen die Rechte der Transportarbeiter bedroht.

Seit 2013 wird TiSA im Geheimen von einem aus 23 Parteien bestehenden Club, der sich The Really Good Friends of Services nennt, verhandelt: Australien; Chile; Costa Rica; die Europäische Union; Hongkong; Island; Israel; Japan; Kanada; Kolumbien; Liechtenstein; Mauritius; Mexiko; Neuseeland; Norwegen; Pakistan; Panama; Peru; die Schweiz; Südkorea; Taiwan; China; die Türkei und die USA.

Sie sehen ihre Mission darin, ein Abkommen für das 21. Jahrhundert auszuarbeiten, welches über Jahrzehnte den Interessen der weltweit mächtigsten Unternehmen dienen wird. Regierungen sind bereit, ihrem Recht zur Regulierung von Dienstleistungen und Technologien, einschließlich solcher, die noch nicht einmal existieren, Handschellen anzulegen. Uruguay und Paraguay haben diesen Club verlassen, nachdem kraftvolle Kampagnen unter Führung der Gewerkschaften das Recht auf Entscheidung über die eigene Zukunft eingefordert hatten.

Die Lobbyisten der Unternehmen, genannt Team TiSA, werden von Technologiegiganten wie Microsoft, IBM und Google, globalen Logistik- und Transportunternehmen wie DHL, FedEx und UPS sowie Finanzmogulen wie Citigroup und AIG dominiert. Sie haben privilegierten Zugang zu den Verhandlungsführern. Gesetzgeber, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in den TiSA-Ländern sind davon ausgeschlossen.

Team TiSA verlangt globale Regelungen, die es ihnen ermöglichen, mittels digitaler Plattformen und neuer Technologien den elektronischen Handel und globale Lieferketten nahtlos in aller Welt zu betreiben. TiSA würde voraussetzen, dass Regierungen Rechtsvorschriften und Praktiken auf nationaler und lokaler Ebene beseitigen, die die Unternehmen als Hemmnisse ansehen, darunter auch Schutzmaßnahmen für Arbeiter – oder sie zumindest auf derzeitigem Niveau einfrieren und versprechen, niemals neue Rechtsvorschriften zu erlassen, die bestehende und neue Dienstleistungen oder Technologien einschränken könnten (man denke in diesem Zusammenhang beispielsweise an Drohnen, Roboter oder fahrerlose Fahrzeuge).

Wenn Drohnen alles dürfen

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Der radikale Einfluss neuer Technologien wird als ‚vierte industrielle Revolution‘ bezeichnet. Der ‚Freie Handel mit Dienstleistungen‘ im Rahmen von TiSA würde ihrer Ausweitung keine Grenzen setzen. Das bedeutet ständige Reorganisation und Neustrukturierung, da Unternehmen permanent auf neue Technologien, Marktänderungen, Arbeits- und Automatisierungskosten reagieren. Der Reichtum der Konzerne wird zwangsläufig die Macht jener stärken, die die globalen Lieferketten und digitalen Technologien kontrollieren. Ihre eigentliche Geschäftstätigkeit wird über konkurrierende Auftragnehmer auf mehreren Ebenen laufen, die eine fragmentierte, ungeschützte, gewerkschaftlich nicht organisierte und ausgebeutete internationale Arbeiterschaft beschäftigen.

Eine ständige Umstrukturierung und chronische Instabilität werde zu massiver Arbeitslosigkeit und sozialer Zerrüttung führen. Schon jetzt verändern digitale Technologien die Arbeitswelt massiv: sie kontrollieren genau, was Arbeitnehmer tun, wo sie sich befinden, wie ihr Beschäftigungsverhältnis ist, von wem und zu welchen Bedingungen sie angestellt werden und in welchem Maß sie sich organisieren und Tarifverhandlungen führen können. Arbeiter werden weltweit in einem Kampf ums Überleben, den sie nicht zu verantworten haben, gegeneinander ausgespielt.

Transportarbeiter stehen bereits heute tagtäglich diesen Herausforderungen gegenüber. Das Tempo der Veränderung lässt sich nicht vorhersagen. Luft- und Seefrachtverkehr sowie Güterkraftverkehr werden weiterhin unerlässlich für den Transport von Produkten sein. Diesen Branchen werden aber im Zuge der Reorganisation der Produktions- und Lieferketten und ihrer Eignerstruktur andere Rollen zugewiesen bekommen. Die klassische Produktion und die traditionelle Lagerhaltung werden wahrscheinlich nicht mehr wiederzuerkennen sein. Die Zukunft des klassischen Einzelhandels gehört dabei zu den größten Ungewissheiten. Selbst „traditionelle“ Firmen wie DHL und Fedex könnten in ihrer Existenz bedroht sein, wenn Akteure wie Amazon oder Alibaba die Weltwirtschaft völlig umkrempeln.

TiSA wird nicht die Ursache dieser neuen Revolution sein. Es wird aber das Tempo der laufenden Veränderungen, den Wettbewerb und die Unvorhersehbarkeit beschleunigen.

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Die Regierungen werden nicht in der Lage sein, viele der dadurch entstandenen Probleme zu bewältigen. Das gegenwärtige Abkommen umfasst einen Kerntext, der auf einem existierenden Abkommen der Welthandelsorganisation, bekannt als GATS (Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen), beruht, sowie etwa 18 Anhänge, die einzelne Sektoren abdecken: u.a. See-, Luft-, Straßengüterverkehr, Zustelldienste, Arbeitskräftemobilität, Finanzdienstleistungen und elektronischen Handel. Die sich aus dem Abkommen ergebenden Pflichten eines Landes können von anderen TiSA-Ländern (nicht von ihren Unternehmen) vor Offshore-Schiedsgerichten durchgesetzt werden, deren Schiedsrichter Handelsexperten sind. Bei Verstoß gegen die Regeln können einem Land empfindliche Strafen für seinen Handel mit Waren, landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Dienstleistungen drohen.

Weg mit den Gewerkschaften!

Welche Ziele verfolgt TiSa im Einzelnen? Jane Kelsey nennt in ihrer Studie Einzelheiten:

● Ermöglichung der globalen Reorganisierung des Kapitals durch neue Technologien und digitale Plattformen;

● Unterstützung von global integrierter Logistik und ihren Lieferketten;

● Förderung von Wettbewerb und Vertragsabschlüssen bei der Bereitstellung von Dienstleistungen;

● Beseitigung von Hemmnissen für grenzüberschreitende Dienstleistungen und Offshoring;

● Verbot von Maßnahmen und Strategien, die die Binnenwirtschaft und Binnenjobs unterstützen und damit schützen;

● Beseitigung beschäftigungsbezogener Verpflichtungen für ausländische Investoren;

● Sicherung des Rechts von Unternehmenseliten, in andere TiSA-Länder einzureisen und dort tätig zu werden;

● Erlaubnis für ausländische Firmen, ausländische freie Mitarbeiter für die Erbringung von Dienstleistungen in einem TiSA-Land einzusetzen;

● Möglichkeiten für Unternehmen, Tarifvereinbarungen zu umgehen und die gewerkschaftliche Organisation der Lohnabhängigen zu unterbinden;

● Erfordernis wirtschaftsfreundlicher Konzepte in Bezug auf Berechtigungen, Qualifikationen und technische Standards, einschließlich solcher, die unmittelbar die Arbeitskräfte betreffen, und

● Schwächung der normierenden Rolle internationaler Fachgremien, insbesondere im Bereich des Transports.

Lohn- und Sozialdumping

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So wie sich TiSA insgesamt auf die nationale und globale Wirtschaft auswirkt, zielen einige Anhänge speziell auf die Post- und Kurierbranche sowie auf die See-, Luft- und Straßenverkehrssektoren ab. Ihre Zielsetzungen spiegeln die Forderungen der großen Industrielobbys wider:

● Der Anhang zum Luftverkehr zielt darauf ab, die Rechte ausländischer Firmen auf den Betrieb der Bodenabfertigung, eines Flughafens und spezieller Luftverkehrsdienst zu den gleichen Bedingungen, wie sie für lokale Firmen gelten, zu erweitern.

● Der Anhang zu Seeverkehrsdienstleitungen richtet sich erwartungsgemäß auf die Seekabotage (das System des Vorbehalts des Binnenseehandels einer Nation für die eigenen Bürger, um den Erhalt von Facharbeitern und annehmbaren Arbeitsbedingungen für die Zukunft der Branche zu sichern) und andere Dienstleistungen, die ausländischen Firmen verschlossen sind, und gewährleistet den Zugang multinationaler Betreiber zur gesamten Transportinfrastruktur zu ‚annehmbaren‘ und nicht diskriminierenden Bedingungen.

● Der Anhang zu Zustelldiensten zielt auf die Überwindung des Postmonopols, die Minimierung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung und die Unumkehrbarkeit bestehender und künftiger Post-Liberalisierung und -Deregulierung ab, während der Anhang zum elektronischen Handel den Großen Vier im Bereich der globalen Expresszustelldienste (DHL, Fedex, TNT, UPS) ermöglicht, Skaleneffekte5 zu erzielen, die ihre Dominanz auf dem Gebiet der globalen Lieferketten festigen.

● Die Anhänge zur Arbeitskräftemobilität sowie zum Straßen- und Frachttransport bestärken Regierungen, eine zeitweilige Einreise von ausländischen Vertragsarbeitern zu gewährleisten, die Dienstleistungen zu den in ihrem Heimatland geltenden Beschäftigungsbedingungen erbringen, was die Probleme des Sozial-Dumpings verschärfen würde.

Gefährdung der Fachorganisationen

Die von den Unternehmen geforderten Regelungen im TiSA-Abkommen hinsichtlich Zustell-, Luft- und Seeverkehrsdienstleistungen stellen auch eine Gefährdung der Rolle internationaler Fachorganisationen dar, wie der IMO (Internationale Seeschifffahrt Organisation), der ICAO (Internationale Zivilluftfahrtsorganisation), der UPU (Weltpostverein) und der ILO (Internationale Arbeitsorganisation). Dies sind Bereiche, in denen die ITF und andere Vereinigungen tätig sind, um die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer zu schützen und einen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und sozialen, Verbraucher- und Sicherheitsbelangen zu erreichen.

Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) ist ein internationaler Gewerkschaftsdachverband. Die Regelungen des globalen Dienstleistungsmarkts haben Auswirkungen auf den Lebensalltag ihrer angeschlossenen Gewerkschaften und deren Mitglieder. Das Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA) hat das Potenzial, die Welt, in der wir leben, auf dramatische Weise zu verändern. Die Verhandlungen sind zurzeit ins Stocken geraten. Es ist also an der Zeit, dass die ITF und Transportarbeiter in aller Welt sowie alle freihandelskritischen NGOs gemeinsam mit ihnen ihre Stimme gegen dieses Abkommen erheben.

 

PS: Die Internationale Transportarbeiter Föderation ITF hat auf ihrer Webseite eine ganze Reihe von Beiträgen zum Thema TiSA veröffentlicht, darunter auch den Report von Jane Kelsey.