Wenn Handels- und Investitionsabkommen mit Menschenrechten in Konflikt geraten, wer zieht da wohl den Kürzeren? Dazu ein Beitrag der globalisierungskritischen Organisation attac.
Von Pia Eberhardt, CEO, und Armin Paasch, MISEREOR
Nicht erst seit TTIP ist klar: Konflikte zwischen Handelsabkommen und Menschenrechten sind keine Seltenheit. Die EU zwingt Westafrika dazu, seinen Markt für künstlich verbilligtes Milchpulver, Geflügel und Tomatenpaste zu öffnen. Die Dumpingexporte entziehen dortigen Kleinproduzent*innen die Lebensgrundlagen und gefährden damit ihr Recht auf Nahrung. Die Abkommen mit Peru, Kolumbien und Mittelamerika verbauen der Bevölkerung den Zugang zu Saatgut und Ersatz- Medikamenten: Sie stärken geistige Eigentumsrechte europäischer Konzerne auf Kosten der Rechte auf Nahrung und Gesundheit. Die EU will Mexiko, Brasilien und Argentinien enge Fesseln bei der Gestaltung ihrer Energiepreise anlegen. Damit stehen für ärmere Menschen der Zugang zu Strom und das Recht auf angemessenes Wohnen auf dem Spiel. Das geplante Abkommen mit Myanmar würde europäischen Investoren Schadensersatz klagen ermöglichen, sollte eine künftige Regierung es wagen, ihre Gewinnerwartungen einzuschränken – zum Beispiel durch bitter nötige Landreformen.
Die EU-Handelspolitik verfügt zwar über Instrumente zum Schutz von Menschenrechten, doch waren diese bislang weitgehend wirkungslos: So müssen Nachhaltigkeitsfolgenabschätzungen zu Handelsabkommen neuerdings zwar Auswirkungen auf die Menschenrechte mit einbeziehen.
Doch erscheinen diese Studien meist erst, wenn die Verhandlungen fast abgeschlossen und die Verträge kaum noch zu korrigieren sind. Die gängigen Menschenrechtsklauseln in den Abkommen erlauben es der EU zwar, Partnerstaaten wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen mit Handelssanktionen zu bestrafen. Sie erlauben es den Vertragsstaaten aber selbst dann nicht, gegen die Verpflichtungen im Abkommen zu verstoßen, wenn es zur Umsetzung der Menschenrechte dringend nötig wäre.
Zugleich steigt das Risiko von Konzernklagen gegen Politik zum Schutz der Menschenrechte durch jüngere EU-Handelsabkommen wie das CETA mit Kanada. Das Abkommen garantiert Investoren explizit den Schutz ihrer „legitimen Erwartungen“. Das hat es in Investitionsverträgen so noch nicht gegeben. Damit steigen für Konzerne die Aussichten, erfolgreich Schadensersatz in Milliardenhöhe einzuklagen, wenn sie den Wert ihrer Auslandsinvestitionen beeinträchtigt sehen; zum Beispiel wenn Staaten den Preis für lebenswichtige Güter wie Wasser deckeln oder ein Bergbauprojekt nicht bewilligen, weil es indigene Rechte verletzen würde. Das kann Regierungen davon abhalten, Maßnahmen zum Schutz von Menschenrechten zu ergreifen.
Menschenrechte als Grundlage einer neuen Weltwirtschaftsordnung
Ein UN-Treaty bietet eine seltene Chance, die globale Wirtschaftsordnung vom Kopf auf die Füße zu stellen. Transnationale Konzerne würden verpflichtet, bei allen Auslandsgeschäften die Menschenrechte zu achten. Bei Verstößen könnten sie auch in ihren Heimatstaaten verklagt werden. Der Vertrag könnte endlich den Vorrang von Menschenrechten vor Handels- und Investitionsabkommen völkerrechtlich festschreiben. Konzerne könnten dann nicht länger Investorenrechte gegen soziale Rechte oder den Schutz von Lebensgrundlagen ins Feld führen.
Völkerrechtliche Abkommen sind kein Allheilmittel. Entscheidend ist ihre Umsetzung. Die hängt wiederum von gesellschaftlichen Machtverhältnissen ab. Dazu bedarf das Wirtschafts- und Handelssystem einer grundlegenden Transformation: Statt Profit, Wachstum und Wettbewerb müssen Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Umwelt- und Klimaschutz sowie Demokratie im Mittelpunkt stehen. Der neue UN-Treaty wäre ein wichtiger Baustein und Auftakt für diesen Wandel.
Dieser Beitrag erschien in einer Zeitungsbeilage der Treaty Alliance Deutschland zum Thema „Menschenrechte vor Profit“, die hier bestellt werden kann.