So ist das oft: Kaum wird die EU-Kommission dabei erwischt, wie sie Schutzregeln missachtet, gelobt sie Besserung. Aber kann man ihr trauen? (Im Bild: brasilianisches Exportfleisch)
Brüssel verspricht hohe Lebensmittelstandards. Auch nach Abschluss des geplanten Freihandelsabkommens mit den vier Mercosur-Ländern werde es keine Kompromisse bei der Lebensmittelsicherheit geben. Das schreibt die Süddeutsche Zeitung am 7. Dezember:
Die EU-Kommission will bei den Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten den Verbraucherschutz verteidigen. „Bei den EU-Regeln zur Lebensmittelsicherheit gibt es keinen Kompromiss“, sagte ein Sprecher. Es werde keinen Trade-off zwischen einem Handelsabkommen und den hohen europäischen Schutzstandards geben. Die EU habe sehr strikte Hygiene- und Sicherheitskontrollen für Lebensmittel – insbesondere für tierische Produkte. Die Süddeutsche Zeitung hatte auf Basis von Greenpeace-Enthüllungen über geheime Verhandlungstexte berichtet, die erstmals die Positionen der beteiligten Parteien offenbarten.
Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass die Europäische Union kurz vor dem Abschluss eines Handelspakts mit den vier Mercosur-Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay steht. Der gemeinsame Handelsraum würde etwa 800 Millionen Konsumenten umfassen. Das Abkommen soll vor allem den Export von Industriegütern und Lebensmitteln anfachen, könnte aber den Schutz der Verbraucher schwächen. Das zeigen Passagen der mehrere Hundert Seiten langen Verhandlungstexte.
Unter anderem will die EU den Export aus südamerikanischen Lebensmittelbetrieben akzeptieren, ohne diese vorher zu begutachten. Sie soll sich stattdessen auf Garantien des Herkunftslandes verlassen. Im Frühjahr 2017 war in Brasilien ein Skandal um verdorbenes Fleisch aufgeflogen, das auch zum Export bestimmt war. Der Eigner des Fleischkonzerns JBS gab später an, jahrelang mehr als 200 Gesundheitsinspekteure bestochen zu haben sowie Politiker bis hinauf zu Brasiliens Präsidenten Michel Temer. Die EU-Kommission ist der Meinung, dass ihr Umgang mit diesem Fleischskandal bewiesen habe, dass Europa keine Kompromisse eingehe, wenn es um die Gesundheit der Bürger gehe. „Sobald das Problem erkannt wurde, wurden alle eingehenden Produkte einer systematischen und gründlichen Überprüfung durch unsere Behörden unterzogen“, sagte ein Sprecher. „Infolgedessen erreichte kein Produkt, das nicht dem Standard entspricht, die Verbraucher in der EU.“
Der grüne Bundestagsabgeordnete Friedrich Ostendorff warnte dagegen vor einer schizophrenen Agrarpolitik: „Es kann nicht sein, dass wir einerseits den gesellschaftlich gewünschten Umbau der Tierhaltung umsetzen wollen und andererseits unsere Märkte für Billigramschware aus dem Ausland öffnen“. Fraglich sind die Umweltwirkungen. Der Wunsch der Mercosur-Staaten, noch mehr Agrargüter nach Europa zu exportieren, hat Folgen für die ganze Welt. Seit Jahrzehnten verschwinden riesige Gebiete im tropischen Regenwald, Graslandschaften und Steppen zugunsten von Rinderfarmen und Sojaplantagen, die in erster Linie der Futtermittelproduktion dienen.
Vor allem in Brasilien rückt die Fleischindustrie weiter in die Urwaldgebiete vor. Allein in der brasilianischen Amazonas-Region, so rechnet das World Resources Institut vor, verschwand 2016 Wald im Umfang der Fläche der Schweiz. Der tropische Regenwald gilt als einer der weltweit wichtigsten Kohlendioxid-Speicher und ist zentral im Kampf gegen den Klimawandel. Das Abkommen soll den Export von Rind- und Geflügelfleisch erleichtern. Dagegen sind die Bestimmungen zum Schutz der Wälder und die Klimaschutz-Regeln in den Vertragstexten eher schwach formuliert.