Österreich: Auch die FPÖ liebt nun den Freihandel

Jetzt ist es amtlich: Die rechtsextreme FPÖ will von einer Volksabstimmung zum umstrittenen Handelsabkommen CETA nichts mehr wissen. Das schreibt das sozialdemokratische Magazin Kontrast. (Im Bild: Freihandelsfreunde. Der neue ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.)

Die FPÖ hat eines ihrer wichtigsten Wahlversprechen gebrochen: Es wird keine Volksabstimmung über CETA und TTIP geben. FPÖ-Chef Heinz Christian Strache hat diese groß angekündigt, Norbert Hofer hat sich dafür stark gemacht, aber im Regierungsprogramm heißt es jetzt: Schwarz-Blau wird dem Handelsabkommen CETA bedingungslos zustimmen. Und auch ähnliche Handelsabkommen will die FPÖ in Zukunft unterstützen, sagt das Regierungsprogramm.

Noch drei Tage vor der Nationalratswahl 2017 hat die FPÖ einen Antrag im Parlament eingebracht, in dem sie eine verbindliche Volksabstimmung zu CETA fordert. Am selben Tag hat sie auch einen Antrag der SPÖ unterstützt: CETA soll verhindert werden, solange das Abkommen Sonderklagsrechte für Konzerne enthält. Am Tag der Regierungserklärung sieht die FPÖ das plötzlich anders: Dem gleich lautenden Antrag verweigert sie ihre Zustimmung, die Kritik an CETA ist vergessen.

Vor der Wahl: FPÖ gegen CETA

Dabei beschreib die FPÖ die Gefahr durch Konzern-Schiedsgerichte vor der Wahl noch so: „Nordamerikanische Konzerne, Großbanken und Fondsgesellschaften können Österreich klagen, nur weil sie argwöhnen, dass neue Mindestlohnregelungen, Arbeits- und Kündigungsschutzgesetze, Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern oder großzügige Transferleistungen der Staaten ihre Profitaussichten schmälern.“

Auch Norbert Hofer warnte eindringlich vor dem Freihandelsabkommen: „Mit CETA fallen nicht nur Zölle, sondern auch Umweltstandards und Arbeitnehmerrechte. Außerdem ist mit In-Kraft-Treten des Handelspaktes der Beschneidung der Daseinsvorsorge – wie der Privatisierung von öffentlichen Versorgungseinrichtungen im Gesundheitsbereich oder der Wasserversorgung – Tür und Tor geöffnet.“

FPÖ-Chef Strache selbst sieht den österreichischen Rechtsstaat durch CETA ausgehebelt: “Es kann nicht sein, dass Konzerne und globale Konzerninteressen Staaten verklagen und dann solche privaten Schiedsgerichte nationales Recht aushebeln können.“

Und auch FPÖ TV ließ seine ZuschauerInnen wissen:

„Damit das Abkommen komplett in Kraft treten kann, müssen die nationalen Parlamente zustimmen. In Österreich wird die FPÖ gegen CETA stimmen.“

NACH DER WAHL: FPÖ STIMMT CETA BEDINGUNGSLOS ZU

Im Programm der neuen Bundesregierung klingt das plötzlich ganz anders: Kein Wort mehr von Umweltstandards und Konzerngerichten – die FPÖ wird CETA bedingungslos zustimmen. Für das Bündnis mit der ÖVP opfern die Freiheitlichen all ihre Bedenken gegenüber einem Handelsabkommen, dem sie weniger Tage vor der Wahl noch mit Fundamentalkritik gegenüber standen.

Und das ist nicht der erste Umfaller der FPÖ bei CETA. Dieser fand bereits wenige Wochen nach der Wahl im Bundesrat statt – schon damals war der FPÖ ihr Platz in einer künftigen Regierung mit der ÖVP wichtiger als ihr zentrales Wahlversprechen.

Im November stimmte die FPÖ gegen einen Antrag aus der einheitlichen Stellungnahme der Bundesländer: Die österreichische Bundesregierung sollte dazu verpflichtet werden, keine Handelsabkommen mehr zu unterstützen, die “internationale Investitionsgerichte bei Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen Staaten mit hochentwickelten Rechtssystemen” umfassen, so der Antrag. Die Ablehnung war ein Bruch mit der bisherigen Linie der FPÖ – nur Grüne und SPÖ stimmten dafür.


Strache-Tweet vom 4. Februar 2017

Für die ÖVP ist eine Zustimmung zu CETA inklusive Schiedsgerichten immer außer Frage gestanden. Die FPÖ hat sich entschieden: Für die Dienstautos und Ministerbüros, und gegen ihre Versprechen. Ganz ohne Bedingungen und ohne einen kritischen Einwand will die FPÖ als Regierungspartei dem Freihandelsabkommen mit Kanada jetzt zustimmen. Und das nicht genug: Die Freiheitlichen wollen generell auch bei allen ähnlich gelagerten Handels- und Investitionsschutzabkommen einwilligen.

CETA als Probelauf für TTIP

Mit dem Handelsabkommen CETA („Comprehensive Economic and Trade Agreement“) soll eine Freihandelszone zwischen der EU und Kanada geschaffen werden. Im aktuellen Entwurf sind nicht nur Zollsenkungen vorgesehen, sondern auch weitreichende Investitionsschutzbestimmungen. Das heißt: Konzerne können bei privaten Schiedsgerichten gegen Umweltgesetze, Arbeitnehmerschutz und Gesundheitsstandards klagen, wenn das aus ihrer Sicht die Geschäfte gefährdet.

Bislang enthält noch kein einziges EU-Handelsabkommen einen solchen Investitionsschutz. Die EU-Kommission hat allerdings schon klar gemacht, dass sie diesen in Zukunft in alle Handelsabkommen aufnehmen möchte – von TTIP, das mit den USA verhandelt wird bis hin zu Abkommen mit Singapur, China und Japan. Manche Mitgliedstaaten fordern sogar, private Schiedsgerichte innerhalb der EU einzurichten.

CETA gilt daher auch als Probelauf für das viel wichtigere Handelsabkommen TTIP mit den USA. Das erklärt auch das hohe Engagement von Unternehmensverbänden und der EU-Kommission. Wird CETA in der vorliegenden Fassung ratifiziert, könnte TTIP – unter anderem Namen – erneut Dynamik bekommen.

Der Damm könnte brechen

Derzeit verhandelt die EU Kommission rund 20 weitere Handelsabkommen. Sie alle enthalten Bestimmungen zum Investitionsschutz von Konzernen. Jedes einzelne dieser Abkommen greift tief in die Regelungshoheit nationaler Parlamente ein. Die Gefahr von Sonderklagerechten bleibt evident: Zuletzt haben sich über 100 führende RechtsprofessorInnen in einem flammenden Appell an die europäischen Regierungen gewandt, diese Sonderklagerechte zu verhindern. Sie würden dem europäischen Recht widersprechen und unser Justizsystem aushöhlen.