In der Tageszeitung Junge Welt vom 8. März bringt ein Kommentar von Simon Zeise das Debakel auf den Punkt: Nicht nur die EU-Kommission, auch die deutsche Regierung handeln am Recht vorbei. Feiert doch die GroKo in ihrem Koalitionsvertrag das CETA-Abkommen mit Kanada als bestmöglichen Handelsvertrag.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Überraschend hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag geurteilt, dass Schutzabkommen für Investoren nicht mit der Rechtsprechung der europäischen Wirtschaftsunion vereinbar sind.
Geklagt hatte der niederländische Versicherungskonzern Achmea. Die Manager wollten ihre Gewinnansprüche in der Slowakei geltend machen. Dabei bezogen sie sich auf das „Abkommen zur Förderung und zum Schutz von Investitionen“ (BIT), das 1991 die Regierung der Niederlande mit der damaligen Führung der Tschechoslowakei vereinbart hatte. Sollte der Fall eintreten, dass sich ein Investor der einen Vertragspartei mit der anderen Seite uneins werde, könnte in letzter Instanz ein privates Schiedsgericht eine finale Entscheidung treffen, heißt es darin.
2004 privatisierte Bratislava die Krankenversicherung. Achmea sah seine Chance gekommen und gründete eine slowakische Tochter. Doch zwei Jahre später machte Bratislava die „Reform“ teilweise rückgängig und untersagte insbesondere die Ausschüttung von Gewinnen aus dem Krankenversicherungsgeschäft. 2008 strebte Achmea ein Schiedsverfahren an; vor einem deutschen Gericht – im Herzen der Kapitalunion. In Frankfurt am Main befanden die Schiedsrichter, Bratislava habe den Versicherer mit 22,1 Millionen Euro zu entschädigen. Die slowakische Regierung erhob Einspruch, der Bundesgerichtshof überwies die Klage nach Luxemburg.
Am Dienstag befanden die dortigen Richter, im BIT sei ein Mechanismus geschaffen worden, „der nicht sicherzustellen vermag, dass über diese Streitigkeiten ein zum Gerichtssystem der Union gehörendes Gericht befindet“.
Sigmar Gabriel (SPD) dürfte es aus den Latschen gekippt haben. Er hatte sich als Wirtschaftsminister vehement für einen ständigen Schiedsgerichtshof im Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) eingesetzt. Die Luxemburger Richter stellten das gesamte Konstrukt des „Freihandels“ in Frage. Die Klage auf entgangene Gewinne, die der schwedische Energieriese Vattenfall gegen die Bundesrepublik wegen des „Atomausstiegs“ anstrebt, könnte damit auch vom Tisch sein.
Das hätte die Bundesregierung auch billiger haben können. Der Deutsche Richterbund hatte bereits im November vergangenen Jahres Berlin aufgefordert, der EU-Kommission „das geforderte Mandat für Verhandlungen zur Errichtung eines Multinationalen Investitionsgerichts (MIC) zu verweigern“. Internationaler Schutz für Konzerne bedürfe „klarer materiell-rechtlicher Vorgaben, die bisher fehlen“.