Nachdem die SPÖ-Spitze unter Kanzler Christian Kern das Kanada-EU-Abkommen CETA noch abgenickt hatte, ist sie jetzt umgeschwenkt – auf Druck von unten und angesichts der opportunistischen FPÖ-Politik. Und so hat die Partei im Bundesrat nun beantragt, die Abkommen mit Kanada, Mexiko und den Mercosur-Staaten abzulehnen. Das berichtet der Pressedienst der österreichischen Parlaments.
Am Ende der Sitzung des EU-Ausschusses des österreichischen Bundesrats, der Länderkammer, am 29. Mai, standen die Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten sowie mit Mexiko, Japan und Singapur auf der Tagesordnung. Das sorgte einmal mehr für eine heftige Diskussion, zumal vor allem die SPÖ nicht nur gegen CETA, sondern auch gegen diese Abkommen grobe Bedenken äußert. Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/Wien) legte daher auch zwei Anträge auf Stellungnahme vor, in denen die SozialdemokratInnen ihre Kritik an den vorliegenden Texten zusammenfassen. Da sowohl hinsichtlich Mercosur als auch in Bezug auf das Abkommen mit Mexiko noch nicht alles klar ausverhandelt ist, wurden diese beiden Tagesordnungspunkte und damit auch die Anträge der SPÖ mehrheitlich mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ vertagt.
Ministerin wartet lieber ab
Über das Assoziierungsabkommen der EU mit den vier Gründungsmitgliedern der südamerikanischen Freihandelszone Mercosur, Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, wird seit 2000 verhandelt. Das sogenannte EU-Mercosur Association Agreement soll laut Brüssel Zollschranken auf dem Markt beseitigen, der für Agrarexporte aus der EU von großer Wichtigkeit ist. Wesentliches Ziel dieses Abkommens sei auch der Markenschutz für europäische Produkte, um auch kleineren Firmen Exportchancen zu ermöglichen. Gleichzeitig sollen ArbeitnehmerInnenrechte, Umweltschutz und verantwortungsvolles Handeln von Firmen gestärkt und Standards der Lebensmittelsicherheit gesichert werden, so die Erläuterungen. Im EU-Unterausschuss des Nationalrats vom 4. Mai 2018 hatte Bundesministerin Elisabeth Köstinger betont, einen „Beschluss um jeden Preis und auf Kosten der Landwirtschaft“ werde es nicht geben. Im aktuell als konsolidiert bezeichneten EU-Mercosur-Abkommen vermisst sie u.a. Schutzklauseln für die Landwirtschaft und eine Verankerung des Vorsorgeprinzips. Für eine abschließende Bewertung will die Ministerin allerdings das Verhandlungsergebnis abwarten. Sie rechnet zudem nicht mit einem zeitnahen Abschluss des Abkommens.Auch die Vertreterin des Wirtschaftsressorts bestätigte noch intensive Verhandlungen, insbesondere in Bezug auf sensible landwirtschaftliche Produkte.
Noch heuer soll die Aktualisierung des EU-Handelsabkommens mit Mexiko unter Dach und Fach sein. Ende April haben sich beide Seiten auf ein Grundsatzabkommen geeinigt. Grundsätzlich geht es um die Anpassung des bereits in den Jahren 2000 und 2001 in Kraft getretenen bestehenden Abkommens, wesentlicher Bestandteil sind Landwirtschaftsexporte. Ziele der Modernisierung sind die Verbesserung des gegenseitigen Marktzugangs für Waren, Dienstleistungen und Investitionen, ferner eine vertiefte wirtschaftliche Integration, ein verbesserter Schutz geistigen Eigentums und der Abbau von Handelshemmnissen. Durch das neue EU-Mexiko-Abkommen soll der Großteil des Warenaustauschs zollfrei sein. Man will auch die bilaterale Zusammenarbeit intensivieren und Verbesserungen bei der nachhaltigen Entwicklung erzielen. Die Kommission hofft, noch offene technische Details bis Jahresende 2018 zu klären.
Bereits beendet sind die Verhandlungen mit Japan und Singapur. In beiden Fällen wird ein Abkommen, das nur die Kompetenzen der EU betrifft, vorgelegt. Diese enthalten keine Regelungen zum Investitionsschutz. Dafür soll es dann separate, so genannte gemischte Investitionsschutzabkommen, geben, die auch von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden müssen.
Nahezu alle Zölle sollen durch das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan fallen. Einen Vorschlag hat die EU-Kommission dem Rat Mitte April übermittelt. Die Einigung mit Japan wurde im Juli 2017 erzielt. Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort spricht von der Schaffung signifikanter neuer Handels- und Investitionsmöglichkeiten und einer Verstärkung der Zusammenarbeit in zahlreichen Bereichen. Auch hier soll der nachhaltigen Entwicklung besondere Bedeutung zukommen, insbesondere auch beim Klimaschutz. Mit der Anwendung des EU-Japan-Abkommens werden die Zölle für rund 90% der EU-Ausfuhren wegfallen, bei vollständiger Umsetzung wird Japan die Zölle auf 97% der EU-Waren abgeschafft haben. Bei den übrigen Zolltariflinien ist eine teilweise Liberalisierung in Form von Zollkontingenten oder Zollsenkungen vorgesehen.
Die Kommission hat dem Rat auch einen Vorschlag für einen Beschluss zum Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Singapur übermittelt. Singapur ist ein wichtiger Partner für den Zugang zum südostasiatischen Markt. Mit dem Abkommen sollen fast alle Zölle abgebaut und eine überbordende Bürokratie beseitigt werden.
Schwerwiegende Bedenken von SPÖ und Arbeiterkammer
Die SPÖ stößt sich auch bei all diesen Abkommen am Investitionsschutz sowie an in ihren Augen mangelnder Festlegung zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit. So gibt Stefan Schennach zu bedenken, dass in den Mercosur-Staaten grobe hygienische Mängel in der Lebensmittelproduktion auftreten und damit eine Gefahr für die hohen europäischen Lebensmittelstandards bestehe. Auch sei das Vorsorgeprinzip nicht ausdrücklich im Vertrag geregelt. Die SPÖ kritisiert zudem, dass in diesen Ländern europäische Standards deutlich unterschritten werden und zur Gewinnung von Agrarflächen verpönte Praktiken, wie etwa (Brand-)Rodungen, angewendet werden. Regelmäßig würde über Vertreibungen und Verletzung der Rechte der indigenen Bevölkerung berichtet. Unklar bleibt für die SPÖ weiters, ob die demokratischen Mindestanforderungen an Handelsabkommen eingehalten werden. Sie plädiert daher dafür, die Zustimmung zu Mercosur zu verweigern und weist darauf hin, dass auch Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger medial vehementen Widerstand gegen das Abkommen angekündigt hat. „Mercosur wird nicht besser, auch wenn man mit aller Gewalt versucht, dieses herbeizuführen“, sagte Schennach.
Auch beim geplanten Abkommen mit Mexiko orten die SozialdemokratInnen massive Mängel. Es enthalte zwar positive Bestimmungen wie etwa ein Bekenntnis zum Klimaschutz und zur Korruptionsbekämpfung, allerdings fehlt die Möglichkeit, diese Bestimmungen auch durchzusetzen, gibt Schennach in seinem Antrag zu bedenken. Außerdem kritisiert er die Verankerung des Investorenschutzes, den es bislang in diesen Abkommen nicht gegeben hat. Auch im Nachhaltigkeitskapitel fehlt der SPÖ ein Sanktionsmechanismus sowie ein ausreichendes Vorsorgeprinzip. Die SPÖ lehnt daher auch dieses Abkommen ab.
Völlige Ablehnung kam auch seitens der Arbeiterkammer, vor allem in Hinblick auf den Investitionsschutz. Das Problem sei, dass die Konzerne Staaten klagen können, sagte deren Expertin. Sie kritisierte ferner die Regulierungskooperation, die eine demokratische Rückbindung nicht vorsieht. Außerdem bezweifelt sie die erwarteten Wachstumseffekte. Dem hielt die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums entgegen, dass es keinen Verlust an demokratischer Kontrolle geben werde, denn diese werde weiterhin bestehen, wo es Kompetenzen der Mitgliedstaaten gibt. Außerdem werde das Parlament über sämtliche Entwicklungen informiert.
Einen kurzen Schlagabtausch gab es auch zwischen SPÖ und FPÖ, nachdem die Bundesräte Stefan Schennach (SPÖ/W) und Wolfgang Beer (SPÖ/W) den Freiheitlichen einen Sinneswandel bei CETA und allgemein in der Frage von Handelsabkommen vorgeworfen hatte. Daraufhin konterte Monika Mühlwerth (FPÖ/W), es sei der SPÖ Bundeskanzler gewesen, der CETA unterschrieben habe. Außerdem sei CETA entschärft. Die SPÖ sei daher unglaubwürdig und populistisch.