Die Erfahrungen mit der Privatisierung der Daseinsvorsorge sind schlecht. Die Bürger reagieren daher allergisch, wenn (wie beim Jefta-Abkommen) der Zugriff Privater auf Abwasser und Wasser droht. Ein Kommentar von Heribert Prantl, erschienen am 9. Juli der Süddeutschen Zeitung.
Kommunale Wasserwerke in Deutschland verrichten ihre Arbeit still, sauber und gut. Neuerdings sind sie unruhig. Die Unruhe kommt von fünf Buchstaben: Jefta. Das ist das Kürzel für das Handelsabkommen der EU mit Japan; es wird am Mittwoch in Brüssel unterzeichnet; es gilt als geostrategische Antwort auf den Trump-Protektionismus; es soll im Herbst in Kraft treten. Über eine halbe Million Menschen haben in Deutschland eine Online-Petition dagegen unterschrieben. Sie befürchten das, was auch die Wasserwerke beunruhigt: Dass im Gewand der geostrategischen Antwort auf Trump, im Zuge des Abbaus sogenannter Handelshemmnisse, sich schon wieder die Privatisierung der Wasserversorgung anschleicht.
Die Grundposition der Kritiker ist ebenso einfach wie richtig: Die öffentliche Verantwortung für Daseinsvorsorge ist kein Handelshemmnis, sondern ein Segen. Es ist ein Segen, dass es bei der Wasserversorgung kommunale Handlungshoheit gibt. Es ist ein Segen, dass beim Wasser nicht private Konzerne das Sagen haben. Die Öffnung der Märkte, die das Freihandelsabkommen mit Japan beflügeln soll, ist gewiss in Ordnung; sie kann, soll und darf aber nicht bedeuten, dass die Daseinsvorsorge, deren Kern die Wasserversorgung ist, liberalisiert, privatisiert und kommerzialisiert wird.
Preissteigerung um 400 Prozent
Die Erfahrungen damit sind schlecht bis desaströs. Fast überall, wo eine solche Privatisierung schon versucht wurde, haben Verbraucher und Kommunen ihr Waterloo erlebt – so war es in Grenoble, London, Potsdam, Berlin. In Grenoble war das Wasser nicht sauber, aber teuer; am besten flossen die Schmiergelder. In Potsdam stiegen die Wasserpreise in den Himmel. In London wurde von den Privaten viel verdient, aber nichts in die Leitungen investiert. In Portugal stiegen die Wasserpreise nach Privatisierung um 400 Prozent; in Berlin nach der Teilprivatisierung von 1999 um 35 Prozent. Das Land musste die Wasserversorgung 2013 für 1,2 Milliarden Euro zurückkaufen. Zuvor hatten die Verbraucher den Politikern mittels Bürgerentscheid auf die Finger geklopft. Fast zwei Millionen Unterschriften gab es 2012/17 für die Europäische Bürgerinitiative „Wasser ist Menschenrecht“. Die Bürger reagieren, das weiß die EU-Kommission seitdem, allergisch auf alle Angriffe auf das „Right2Water“.
Das Alpha folgt dem Omega
Also versucht das Jefta-Abkommen, den heiklen Punkt Wasser tunlichst zu umschiffen – also möglichst wenig zu regeln. Im Vergleich zum Handelsabkommen CETA mit Kanada fällt auf, dass bei Jefta ein Kapitel mit Schutzbestimmungen fürs Wasser fehlt. Allerdings steht die Wasserentnahme, Wasseraufbereitung und -Verteilung auf einer sogenannten Negativliste; das heißt: hier soll eigentlich nicht privatisiert werden. Zugleich aber verpflichten sich die Partner zu weiterer schrittweiser Liberalisierung mit gegenseitigem Marktzugang. Was gilt nun? Die Wasserwerke Karlsruhe (sie sind eine Art Sprecher für die deutsche Wasserwirtschaft) halten den Schutz des Wassers bei Jefta jedenfalls für „nicht ausreichend“.
Da haben sie recht. Die Abwasser-Entsorgung, die in Deutschland zu den kommunalen Pflichtaufgaben gehört, genießt im Jefta-Abkommen keinerlei Schutz vor Privatisierung. Die Strategie für die Strategen der Wasser-Privatisierung liegt daher auf der Hand: Erst krallt man sich das Abwasser – und später das Wasser. Das Alpha folgt dem Omega.