Überraschung in Wien: Am Mittwoch verkündete Bundespräsident Alexander Van der Bellen (Grüne), dass er die Ratifizierung von CETA vorerst nicht zulassen werde. Er wolle erst eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abwarten. „Es gibt Zweifel, ob die Schiedsgerichte mit EU-Recht konformgehen. Sollte der EuGH entscheiden, dass Ceta mit dem Unionsrecht vereinbar ist, werde ich den Staatsvertrag umgehend unterzeichnen“, wurde der Bundespräsident in einer Mitteilung zitiert.
„Beim EuGH ist derzeit ein von Belgien initiiertes Verfahren anhängig, das die in Ceta enthaltenen Schiedsgerichte prüft. Sollte der EuGH entscheiden, dass die vereinbarten Regelungen nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind, müsste das Abkommen neu verhandelt werden“, schreibt das Handelsblatt. Das österreichische Parlament hatte am 13. Juni das umstrittene Abkommen zwischen der EU und Kanada ratifiziert, nachdem die FPÖ eine 180-Grad-Wende vollzogen hatte.
„Sieg der Vernunft“
Nach der Ratifizierung hatten Österreichs CETA-KritikerInnen an Van der Bellen appelliert, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. Global 2000, Teil der Bündnisses Anders Handeln, nannte die Entscheidung einen „Sieg der Vernunft“: „Mit uns haben über 35.000 Österreicherinnen und Österreicher für eine sorgsame Prüfung des Vorgehens appelliert. Wir begrüßen dieses weise Vorgehen des Bundespräsidenten bei der Ratifizierung des umstrittenen Handelsabkommens.“, so Leonore Gewessler, Geschäftsführerin von GLOBAL 2000. „Denn nach wie vor sind die problematischen ‚Giftzähne‘ des Paktes vorhanden und beinhalten Gefahren für Umwelt- und Sozialstandards. Daran hat sich nichts geändert, trotz aller Beteuerungen der Regierungsparteien ÖVP und FPÖ.“
Rechtliche Prüfung
Der ORF vermeldete dazu: „Die Präsidentschaftskanzlei verweist auch auf ein Gutachten des Verfassungsrechtlers Ludwig Adamovich, der als Berater des Bundespräsidenten tätig ist. Der Jurist sieht darin keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Absicht des Bundespräsidenten.
Im konkreten Fall gehe es nicht darum, dass der Bundespräsident die Ratifikation überhaupt verweigern wolle, sondern dass er vielmehr das von Belgien beantragte Gutachten des EuGH abwarten und bei positiver Beurteilung das Abkommen ratifizieren wolle, so der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) in dem Gutachten.
Laut Adamovich hat der Bundespräsident aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung vom 16. Mai 2018 die Wahl, die Ratifikation vorzunehmen oder zu verweigern. „Der Bundespräsident will aber das Gutachten des Europäischen Gerichtshofes abwarten. Im Falle eines positiven Urteils wird er die Ratifikation vornehmen; im Fall eines negativen Gutachtens muss der Vertrag neu verhandelt werden.“
Van der Bellen hielt in der Aussendung fest, dass er sich „die Entscheidung nicht leicht gemacht“ habe. „Einerseits sind die Beschlüsse des Nationalrates und des Bundesrates zu respektieren, andererseits ist die Prüfung und darauffolgende Entscheidung des EuGH zu achten“, so der Bundespräsident.
Ein mögliches vollständiges Inkrafttreten von CETA sieht Van der Bellen durch seine Entscheidung aber nicht verzögert. Andere Mitgliedsstaaten wie Deutschland und die Niederlande hätten ebenfalls angekündigt, den Ratifizierungsprozess erst nach dem EuGH-Urteil abschließen zu wollen, so das Staatsoberhaupt.“
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