Gutachten belegen: So gefährlich ist CETA

Anti-CETA-Demo in Dänemark

CETA, das von Kanada und der EU unterzeichnete Handelsabkommen, sei das „beste Handelsabkommen aller Zeiten“. Das sagt die Regierung, das betont auch stets die SPD-Führung. Aber stimmt das wirklich?

Michael Sadtler vom Heidelberger Bündnis für gerechten Welthandel hat zusammengestellt, welche Argumente Rechtsexperten, Fachleute sowie engagierte Verbände und Initiativen vorbringen.

Es gibt eine Vielzahl von Gutachten, Studien und Stellungnahmen, die vor und nach der Unterzeichnung des CETA-Vertrags Ende Oktober 2016 publiziert wurden – und sie haben es in sich.  Denn noch immer kursiert die Behauptung, dass die von vielen KritikerInnen erhobenen Bedenken durch nachträgliche Ergänzungen des Vertrags ausgeräumt werden konnten. So sind viele SPD-Mitglieder weiterhin der Ansicht, dass die auf SPD-Sonderparteitagen gezogenen „roten Linien“ von CETA inzwischen nicht mehr überschritten werden. Ein Trugschluss. Aber lesen Sie selbst.

 

1. Wissenschaftliche Gutachten

Es gibt eine ganz Reihe von wissenschaftlichen Studien, die die Auswirkungen von CETA untersuchen. So hat beispielsweise

a) Professor Markus Krajewski von der Universität Erlangen-Nürnberg Mitte Oktober 2016 ein ausführliches Papier unter dem Titel Kurzbewertung der Gemeinsamen Auslegungserklärung zum CETA insbesondere mit Blick auf den Investitionsschutz“ veröffentlicht. Darin kommt er unter anderem zu dem Ergebnis, dass die Zusatzerklärungen von Ende Oktober 2016 vor der Brüsseler CETA-Unterzeichnung wenig bis keine Wirkung haben.

Von Krajewski stammt übrigens auch eine CETA-Analyse, die von PowerShift im Februar 2016 herausgegeben wurde.

b) Der Staats- und Europarechtler Professor Martin Nettesheim (Uni Tübingen) hat im Juni 2017 ein Gutachten mit dem Titel „Umfassende Freihandelsabkommen und Grundgesetz – Verfassungsrechtliche Grundlagen der Zustimmung zu CETA“ erstellt. Es kann hier nachgelesen werden. Eine Kurzfassung des Nettesheim-Gutachtens gibt es auch auf der Site von Mehr Demokratie.

c) Das Center for International Environmental Law, Washington, D.C. hat im März 2018 anhand von vier Fallstudien CETA beurteilt. Ergebnis: CETA beschränkt „the ability of EU Member States to protect human health and the environment from dangerous industrial processes and toxic chemicals“. Die vierteilige Serie trägt den Titel „EU Member States Threatened by CETA“.

d) Im Auftrag der österreichischen Arbeiterkammen hat Professor Konrad Lachmayer im  Mai 2018 eine 70-seitige Studie vorgelegt mit dem Titel „Rechtsvergleichende Analyse des Schutzes von Eigentum zwischen Menschenschutz und Investitionsschutz“. Sie kann hier nachgelesen werden. Eine Zusammenfassung der Lachmayer-Untersuchung findet sich in einer Pressemitteilung der Arbeiterkammer Wien.

 

2. Studien und Stellungnahmen kritischer NGOs

Nicht nur Juristen und Völkerrechtler haben sich in den letzten Jahren mit CETA auseinandergesetzt. Fundierte Kritik kaum auch von engagierten Initiativen:

– So publizierten PowerShift, das Canadian Centre for Policy Alternatives (CCPA), Corporate Europe Observatory (CEO), der Verein LobbyControl und zahlreiche andere Verbände 2016 die später nochmals aktualisierte, ausführliche Studie unter dem Namen „Der große CETA-Schwindel“.

– So hat sich der Bundesverband der Verbraucherzentralen klar zu CETA geäußert: Das Abkommen sei „nicht zustimmungsfähig“.

– So urteilte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) im Dezember 2016, also nach der CETA-Unterzeichnung: Die nachträglichen Erklärungen von einzelnen EU-Mitgliedern, der EU-Kommission und des Europäischen Rats „schaffen keine Änderung oder Verbesserung der CETA-Regeln“.

– So rief im Februar 2018 das bundesweite Netzwerk Gerechter Welthandel die SPD mit einem offenen Brief auf, CETA bei Abschluss einer großen Koalition nicht zu ratifizieren. Der Aufruf schildert in knapper Form die wesentlichen Gefahren von CETA.

– So verlangte der Verein LobbyControl im selben Monat mehr Transparenz bei der vorläufigen Anwendung bon CETA.

– Und so hat der Umweltverband Naturfreunde Deutschlands anlässlich des CETA-Aktionstags am 29. September ein Argumentationspapier, das den aktuellen Stand des Ratifizierungsverfahren sowie die wichtigsten Kritikpunkte zusammenfasst.

 

3. Mit den Hintergründen und Auswirkungen der neoliberalen Freihandelsordnung beschäftigen sich drei weitere juristische Stellungnahmen, die jeweils nicht direkt auf CETA gemünzt sind, sich aber auf die auch bei CETA vorhandene Einschränkung demokratischer Grundsätze auf CETA beziehen.

a) Beispielsweise die von Siegfried Broß. Der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht und am Bundesgerichtshof setzte sich mehrfach mit den Privatisierungen im Gesundheitsbereich auseinander. So hielt er im September einen Vortrag („Das Krankenhaus – ein kommerzieller Wirtschaftsbetrieb?“) auf dem 17. Bundeskongress des Bundesverband Deutscher Pathologen. Dabei kritisierte er Privatisierungsdruck“, der „auf schleichende Weise eine neue Werteordnung schaffen“ werde. Damit bezieht sich Broß implizit auch auf CETA, das Privatisierungen begünstigt und eine Rückführung privatisierter Dienstleistungen in die öffentliche Hand untersagt. Ein lesenswertes Interview mit Broß erschien überdies im „Magazin Mitbestimmung“.

b) Im November 2017 lehnte der Deutsche Richterbund in einer Stellungnahme die Sondergerichtsbarkeit in Gestalt eines Investitionsgerichtshofs ab. Seine Kritik betrifft generell die von der EU-Kommission geplanten Handelsabkommen und damit auch CETA. Darin heißt es u.a.: „Der Deutsche Richterbund fordert Bundesrat, Bundestag und Bundesregierung auf, der Europäischen Kommission das geforderte Mandat für Verhandlungen zur Errichtung eines Multinationalen Investitionsgerichts (MIC) zu verweigern. Internationaler Investorenschutz bedarf klarer materiell-rechtlicher Vorgaben, die bisher fehlen. Der von der Europäischen Kommission angestrebte Weg, ein multinationales Gericht zu schaffen, welches sich sein anwendbares Recht selbst schaffen kann, ist der falsche Weg.“

c) Kritisch zu den Investor-State-Settlement-Disputes (ISDS) äußerte sich der langjährige US-amerikanische Schiedsrichter George Kahale III in einem Vortrag von April 2018 an der Brooklyn Law School. Kahale ist ein Insider des Systems, er plaudert sozusagen aus dem Nähkästchen. Seine Thesen hat beispielsweise Norbert Häring auf seiner freihandelskritischen Website zusammengefasst.

 

4. Exkurs zur Wasserwirtschaft

Wie wenig die EU von den Protesten der Zivilgesellschaft gelernt hat (sie verhandelt immer noch im Geheimen, sie verfolgt weiterhin einen marktradikalen Kurs), zeigt das japanisch-europäische Freihandels- und Investitionsschutzabkommen JEFTA. Vor den darin enthaltenen Regeln warnen die wichtigsten Fachverbände der Wasserversorgung:

• der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)

• der Verein Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW)

Eine Campact-Online-Petition „Wasser retten – JEFTA stoppen“ haben inzwischen fast 600.000 Menschen unterzeichnet. Ziel der Petition war, ein Nein der Regierungspartei SPD zur schnellen Vertragsunterzeichnung durch den CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier  (bei der EU-Ministerratsentscheidung vom 11.7.2018 in Brüssel) zu erreichen. Campact hat die SPD vor der Kabinettssitzung von Anfang Juli auf die bereits damals vorliegenden 300.000 Unterschriften hingewiesen – ohne Erfolg bei der SPD und ohne nennenswerte mediale Resonanz.

 

5. Allgemeine Kritik

Weiteres Material über die Freihandelspolitik der EU-Kommission und die einzelnen Abkommen bietet die Website des Netzwerks Gerechter Welthandel. Nützlich und aktuell sind auch die CETA-Berichte des „Freihandelsspiegels“.


Zusammengestellt von Michael Sadtler, Heidelberger Bündnis für gerechten Welthandel, 22. August 2018

 

 

 

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