Vor einigen Tagen machte in Kanada eine aufschlussreiche Zeitungsmeldung die Runde. Das kanadische Wirtschaftsblatt „Financial Post“ zitierte darin am 12. September den früheren kanadischen Botschafter bei der EU, David Plunkett, der an den Verhandlungen über das Kanada-EU-Handelsabkommen CETA beteiligt gewesen war. Dieses Abkommen ist seit September 2017 vorläufig in Kraft, muss aber noch von allen EU-Parlamenten ratifiziert werden, darunter auch vom deutschen Bundesrat.
CETA biete über die sogenannte Regulatorische Kooperation der kanadischen Wirtschaft die Möglichkeit, „frühzeitig die Pläne europäischer Regierungen einzusehen“, sagte Plunkett, der inzwischen zu einem hochrangigen Lobbyisten mutiert ist. Und nicht nur das: Mit CETA könne die kanadische Wirtschaft „eine wichtige Rolle bei den EU-Entscheidungsprozessen“ spielen. Die in CETA institutionalisierte Regulatorische Kooperation sieht vor, dass Wirtschaftsverbände beidseits des Atlantiks frühzeitig – noch vor den Parlamenten – über Gesetzesvorhaben der EU-Staaten informiert werden. Und diese beeinflussen können. „Je früher wir unsere Ansichten klar machen können“, so Plunkett, „desto eher können wir verhindern, dass Entscheidungen getroffen werden, die für uns nicht akzeptabel sind.“ Auch aus diesem Grund haben Plunkett und andere Lobbyisten die „Canada EU Trade Investment Association“ gegründet – ein Kanada-EU-Handels- und Investitionsverband, der künftig ständig in Brüssel agieren wird.
Mit dieser Meldung sind all jene widerlegt, die CETA zum „besten Handelsabkommen aller Zeiten“ verklärt hatten. Tatsächlich, das verdeutlicht der Bericht der in Ottawa erscheinenden „Financial Post“, schafft das Abkommen mit dem Kapitel über die regulatorische Kooperation ein Einfallstor, das profitorientierte Konzerne nutzen können – und nutzen werden. Da sie früher als andere – auch früher als unsere Abgeordneten – über neue Maßnahmen und geplante Vorschriften informiert werden, können sie schneller handeln. Und gegebenenfalls so viel Druck aufsetzen, dass beispielsweise Gesetzentwürfe für besseren Klimaschutz oder mehr Mitbestimmung gar nicht erst die Parlamente erreichen. Ist das noch Demokratie?
Viele gute Gründe gegen CETA
Es gibt jedoch noch mehrere Gründe, die gegen das EU-Kanada-Handelsabkommen sprechen:
● CETA schafft auch eine Paralleljustiz für Konzerne vor. Es gewährt Investoren Sonderklagerechte, mit denen sie hohe Schadensersatzforderungen an Staaten richten können – beispielsweise dann, wenn diese zugunsten des Umwelt-, VerbraucherInnen- oder Beschäftigtenschutzes Maßnahmen ergreifen, die sich profitmindernd auswirken können.
● CETA verwässert das in der EU geltende Vorsorgeprinzip zugunsten des in Kanada geltenden Risikoprinzips. In der EU können Produkte dann verboten werden, wenn ein Verdacht auf Gesundheits- oder Umweltrisiken vorliegt. In Nordamerika hingegen werden Produkte sofort zugelassen und erst dann vom Markt genommen, wenn sie nachweislich Schaden angerichtet haben. Dieses Vorsorgeprinzip ist in CETA nicht ausreichend geschützt. So könnte das Abkommen beispielsweise gentechnisch veränderten Lebensmitteln oder möglicherweise krebserregenden Chemikalien den Weg in die EU ebnen. Auch klimaschädlich produzierte Produkte aus kanadischen Teersänden landen dann hier.
● CETA setzt die bäuerliche Landwirtschaft auf beiden Seiten weiter unter Druck: Durch den zusätzlichen Import von industriell gefertigtem Fleisch aus Kanada. Und durch die angehobene Einfuhr von billigen, weil subventionierten Milchprodukten aus dem EU-Raum.
● CETA gefährdet die öffentliche Daseinsvorsorge. Mit ihm sind künftig nur noch jene Dienstleistungen (Müllabfuhr, Wasserversorgung, Gesundheitswesen, Bildungssystem etc.) vor Privatisierung sicher, die im Detail aufgelistet sind; alle anderen Bereiche können der profitorientierten Privatwirtschaft zufallen. Zudem dürfen einmal privatisierte Dienstleistungen nicht wieder in die öffentliche Hand gelangen; sogenannte Rekommunalisierungen (beispielsweise im Energiebereich) sind künftig ausgeschlossen.
Bundesweiter Aktionstag – auch am Bodensee
Noch kann CETA verhindert werden. Dazu genügt, dass auch nur ein einziges nationales Parlament die Ratifizierung ablehnt – beispielsweise der Bundesrat, in dem Länderregierungen mit grüner und/oder linker Beteiligung die Mehrheit haben.
Deshalb hat das Netzwerk Gerechter Welthandel den 29. September, also kommenden Samstag, zum bundesweiten Aktionstag gegen CETA ausgerufen. Das Netzwerk wird getragen von zahlreichen Umweltschutzverbänden wie Greenpeace, BUND, Nabu, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Deutschen Kulturrat, attac, kirchliche Hilfswerke, medico international, Mehr Demokratie und vielen anderen Organisationen.
In der Region beteiligen sich eine Reihe von Initiativen und Bündnissen am Aktionstag:
● In Lindau steht ab 10 Uhr ein attac-Infotisch auf dem Bismarck-Platz.
● In Friedrichshafen organisiert die Tettnanger attac-Gruppe Aktionen und einen Infostand auf dem Antoniusplatz.
● In Konstanz ruft das lokale Bündnis für gerechten Welthandel – gegen TTIP, CETA und TiSA zu einem Zug durch die Innenstadt auf (Treffpunkt: 11.30 Uhr auf der Marktstätte) und lädt ab 12 Uhr zu einem Infomarkt auf dem Bodanplatz ein. Daran beteiligen sich u.a. attac Singen, der BUND-Kreisverband, die Gruppe Foodsharing, die Linke Liste Konstanz, die Initiative Seebrücke, die Organisation StadtPlanZukunft, der Weltladen Konstanz und das Bündnis für gerechten Welthandel.
Um Teilnahme wird gebeten!