In einem engagierten Brief fordert die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) die deutschen EU-Abgeordneten auf, das EU-Japan-Abkommen JEFTA abzulehnen. Wasser dürfe nicht privatisiert werden, argumentiert die AöW. Hier Auszüge des – zum Teil etwas technischen – Schreibens:
Sehr geehrte Frau Abgeordnete, sehr geehrter Herr Abgeordneter,
aus der Tagesordnung für die nächsten Plenartagungen können wir ersehen, dass Sie sich am 10. Dezember 2018 mit dem EU-Japan-Abkommen JEFTA befassen und voraussichtlich am folgenden Tag darüber abstimmen werden. Als Interessenvertretung der sich vollständig in öffentlicher Hand befindlichen Betriebe, Unternehmen und Verbände der Wasserwirtschaft möchten wir Sie um Unterstützung der Belange der öffentlichen Wasserwirtschaft als Hüterin des besonderen Gutes Wasser, das keine Handelsware ist, bitten.
In dem vom Parlamentsausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) beschlossenen Bericht, der nun dem Plenum zur Abstimmung vorliegt, werden unsere Anliegen der öffentlichen Wasserwirtschaft vernachlässigt, obwohl ihr Schutz in den EU-Verträgen als kommunale Daseinsvorsorge fest verankert ist. Diese betreffen folgende Forderungen:
- Einen Sonderartikel zu Wasser, wonach Wasser und seine Nutzung vom EU-Japan-Abkommen insgesamt ausgenommen ist und in dem klargestellt wird, dass Wasser keine übliche Handelsware ist, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.
- In Anhang II die Verwendung einer Positivliste, in der die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung nicht genannt sind.
- Soweit eine Positivliste im vorgenanten Sinne nicht angewendet wird, einen korrigierten Vorbehalt (Anhang II – Vorbehalte in Bezug auf künftige Massnahmen – Liste der Europäischen Union“, Vorbehalt Nr. 15) für den Bereich Abwasser. Zwar gibt es im EU-Japan-Abkommen einen spezielleren Vorbehalt Nr. 15, der greift jedoch nicht für den relevanten Bereich „Investitionen“ (siehe dazu unsere Erläuterung vom 11.7.2018).
- Die ausdrückliche Anerkennung des EU-Vorsorgeprinzips für die Bereiche Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz im EU-Japan-Abkommen.
- Eine Klarstellung im EU-Japan-Abkommen im Vergabekapitel dahingehend, dass die kommunalen Handlungsmöglichkeiten für öffentliche Unternehmen im Wasserbereich entsprechend dem EU-Vergaberechtsregime ausdrücklich – auch für die Zukunft – abgesichert sind.
(…)
Ergänzend haben wir noch folgende Anmerkungen zum aktuellen Diskussionsstand:
Der sog. public-utilities-Vorbehalt ist in einer Negativliste ungeeignet („Anhang II – Vorbehalte in Bezug auf künftige Massnahmen – Liste der Europäischen Union“, Vorbehalt Nr. 1). Denn selbst im Text des EU-Japan-Abkommens wird zur public-utilities-Klausel eingestanden, dass eine „detaillierte und erschöpfende sektorspezifische Auflistung nicht möglich ist“. Dann aber ist es nur konsequent, statt einer Negativliste eine Positivliste zu verwenden.
Der public-utilities-Vorbehalt bietet vor allem aber für den Abwasserbereich auch nicht den notwendigen Schutz, denn in Deutschland ist die Aufgabe der Abwasserentsorgung nach § 56 Wasserhaushaltsgesetz nur „juristischen Personen des öffentlichen Rechts“ vorbehalten. Die vom public-utilities- Vorbehalt erfassten Bereiche an Dienstleistungen sind aber offenbar solche, die privatisiert und rekommunalisiert werden können. Somit ist der public-utilities- Vorbehalt entgegen der nationalen Regelung in § 56 WHG offen für materielle Privatisierungen im Bereich Abwasser. Wir lehnen derartige Festlegungen in einem EU-Handelsabkommen, die im Bereich der Daseinsvorsorge über die Strukturen in den Mitgliedstaaten hinausgehen, strikt ab.
Vielmehr ist der im Abkommen enthaltene public-utilities-Vorbehalt offen für Public-Private-Partnership-Konstruktionen (PPP) in der EU und Deutschland. Die Erfahrungen mit PPP in Deutschland sind jedoch überwiegend negativ. In spektakulären Fällen ist im Nachhinein deutlich geworden, dass die Verträge der PPP zur Gewinnmaximierung von Investoren und zum Nachteil der Bürger und der Allgemeinheit gestaltet waren. Selbst im Bereich der Abwasserentsorgung wurde sogar durch PPP-Verträge versucht, die Pflichtaufgaben der öffentlichen Körperschaften zu umgehen. Das schadet dem Gemeinwesen und dem Gemeinwohl, zunächst vermeintliche Vorteile für die Kommunen gestalten sich langfristig so zu Nachteilen. Zudem muss befürchtet werden, dass die Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Kommunen bei PPP auf lange Zeit eingeschränkt werden. Aus diesen Erfahrungen heraus geht der Trend in Deutschland wieder weg von PPP in Richtung Rekommunalisierung. Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand hat dabei eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Allein in Deutschland haben sich 2012 und 2013 rund 1,38 Mio. und in der EU rund 1,9 Mio. EU-Bürger in der ersten Europäischen Bürgerinitiative gegen die Privatisierung der Wasserwirtschaft ausgesprochen.
Sich zum Schutz der Abwasserwirtschaft allein auf die Public-Utilities-Klausel zu berufen und damit Vereinbarungen über PPP-Konstruktionen hinzunehmen, könnte darüber hinaus in einem zukünftigen JEFTA-II-Abkkomen mit Investitionsschutzvereinbarungen privaten Investoren Sonderrechte und Klagerechte vor gesonderten Schiedsstellen verschaffen. Das widerspricht dem breiten Willen der Menschen in Deutschland.
Auch werden die Vereinbarungen im JEFTA den Anliegen der Bürger und Bürgerinnen, die das erfolgreiche Europäische Bürgerbegehren right2water unterstützt haben, nicht gerecht. Das Europäische Parlament hatte noch in seiner Entschließung vom 8. September 2015 zu „Folgemaßnahmen zu der Europäischen Bürgerinitiative zum Recht auf Wasser“ (2014/2239(INI)) gefordert, „[…] Wasserversorgung und sanitäre Grundversorgung sowie Abwasserentsorgung auf Dauer von den Binnenmarktvorschriften und allen Handelsabkommen auszunehmen, da diese als Teil der Daseinsvorsorge vorwiegend in öffentlichem Interesse sind und zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung gestellt werden sollen, […]“ (Ziffer 22). Auch zum Handelsabkommen mit Kanada ging das Europäische Parlament bei der Verwendung der Negativliste von einer „reinen Ausnahme“ aus und forderte, dass dies nicht als „Präzedenzfall für künftige Verhandlungen dienen darf“. (Punkt 5., Entschließung des Europäischen Parlaments vom 8. Juni 2011 zu den Handelsbeziehungen zwischen der EU und Kanada).
Wir bitten Sie daher, die Empfehlung und den Entschließungsantrag des INTA-Ausschusses zum EU-Japan-Abkommen abzulehnen bzw. abzuändern und die Belange der öffentlichen Wasserwirtschaft zu unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Christa Hecht
Geschäftsführerin