JEFTA: Ein Abkommen für wenige

Wem nutzt das EU-Japan-Abkommen JEFTA? Wer hat daran mitgearbeitet? Wer konnte seinen Einfluss geltend machen? Und stimmt eigentlich, was uns da erzählt wird? Ein Papier der österreichischen Arbeiterkammer, der Organisationen Lobbycontrol und PowerShift, des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB) und des Netzwerks „Anders handeln“ fasst die wesentlichen Punkte zusammen.

Mythos 1: JEFTA ist ein Wirtschaftsmotor und bringt unzählige Jobs

Wir stellen richtig:

Die Kommission verschweigt, dass nicht alle in gleichem Maße von JEFTA profitieren. Der Internationale Währungsfonds (IWF) bestätigt, dass in jenen Branchen, die für den internationalen Handel geöffnet und damit dem Kostenwettbewerb ausgesetzt werden, Arbeitsplätze verlorengehen können. Die verbreitete ökonomische Annahme, dass die durch den Importdruck in nicht-wettbewerbsfähigen Branchen verlorenen Arbeitsplätze in anderen, exportstarken Branchen kompensiert werden, ist nicht haltbar. Selbst kommissionseigene Analysen der JEFTA-Verhandlungsergebnisse zeigen bloß minimale Wachstumseffekte. Der gesamte und einmalige Wachstumseffekt für alle EU-Mitgliedstaaten zusammen wird lediglich 0,14 % bis 2035 (nach 17 Jahren) ergeben. Das ist eine kaum nachweisbare Veränderung. Für eine Beschäftigungszunahme liegen in der Gesamtbewertung keine Ergebnisse vor.

Mythos 2: JEFTA ist keine Konzernagenda, weil kein Investitionsschutz enthalten ist

Wir stellen richtig:

Die Kommission hat aus CETA einen tückischen Schluss gezogen: Damit JEFTA durch Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS/ICS) nicht in negative Schlagzeilen kommt, werden zwei separate Abkommen verhandelt. Nicht zuletzt damit soll das Abstimmungsverhalten der Parlamentsabgeordneten positiv beeinflusst werden.

Ein separates bilaterales Investitionsschutzabkommen ändert nichts daran, dass JEFTA Konzernen weiterhin Rechte einräumt, die keiner anderen Gesellschaftsgruppe zukommen. Die Dokumentation der EU-Kommission zeigt, dass federführende BeamtInnen der Generaldirektion Handel sich zwischen dem 10. Januar 2014 und dem 12. Januar 2017 ganze 213 Mal mit LobbyistInnen trafen; 89% davon waren KonzernlobbyistInnen, nur 4% zivilgesellschaftliche Organisationen und 7% sonstige AkteurInnen, wie z.B. aus Forschungsinstituten. Kein einziges Treffen wurde mit GewerkschafterInnen verzeichnet.

Mythos 3: Regulatorische Zusammenarbeit baut nur unnötige Handelshemmnisse ab

Wir stellen richtig:

Die Regulatorische Kooperation stellt auf die Beseitigung sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse ab. Erklärtes Ziel ist es, Regulierungsunterschiede zwischen Japan und der EU, die handelshemmende Wirkung haben könnten, anzupassen und abzubauen. Diese regulierungsfeindliche Haltung verstellt die Sicht auf den Nutzen und die gesellschaftliche Schutzfunktion von Gesetzen und Standards. In transnationalen und intransparenten Ausschüssen werden Gesetzgebungsprojekte durch BeamtInnen der japanischen Regierung und der EU-Kommission gemeinsam mit LobbyistInnen bewertet. Sie beeinflussen und entscheiden damit unsere zukünftigen Regelungen. Zudem unterliegen die dort gefällten Entscheidungen keinerlei demokratischer Kontrolle. Letztlich verstärkt diese „Kooperation“ den Einfluss von LobbyistInnen im Gesetzgebungsprozess und verhindert so die Einführung strengerer Regeln zum Schutz von Mensch und Umwelt.

Mythos 4: Das Vorsorgeprinzip ist in JEFTA abgesichert

Wir stellen richtig:

In der EU gilt: Wenn es auch nur den Verdacht gibt, dass ein Stoff, ein Produkt oder eine Herstellungsweise schädlich ist, kann es vorsorglich verboten werden („Vorsorgeprinzip“). Im JEFTA-Kapitel über gesundheitliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen wird jedoch statt auf das Vorsorgeprinzip auf den „wissensbasierten“ Ansatz der Welthandelsorganisation (WTO) verwiesen, wonach ein Produkt erst dann verboten werden kann, nachdem die Schädlichkeit wissenschaftlich bewiesen werden konnte. Mit JEFTA können somit Stoffe nur noch dann auf Dauer verboten werden, wenn damit verbundene Gefahren nachweisbar sind. Problematisch ist das vor allem im Bereich Gesundheitsschutz und Lebensmittelsicherheit, etwa bei Chemikalien, Schädlingsbekämpfungsmitteln, GVOs, hormonell wirkenden Stoffen. Ein direkter Verweis auf einen „Vorsorgeansatz“ findet sich in JEFTA nur im unverbindlichen Nachhaltigkeitskapitel und bezieht sich ausschließlich auf Umwelt- und ArbeitnehmerInnenschutzmaßnahmen. Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gibt es in diesem Kapitel keine. Das Vorsorgeprinzip nach EU-Recht (AEUV Art 191) ist in JEFTA also nicht abgesichert.

Mythos 5: Die Daseinsvorsorge ist nicht Teil von JEFTA

Wir stellen richtig:

Privatisierungen von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sind keineswegs ausgeschlossen, denn eine umfassende Ausnahme aus dem Anwendungsbereich von JEFTA fehlt. Nach der Logik der sog. „Negativlisten“ können nur mehr auf diesen Listen befindliche Bereiche von der Liberalisierung (Privatisierung) ausgenommen werden. Wenn Ausnahmen für sensible Bereiche fehlen, lückenhaft oder nicht rechtssicher sind (wie z.B. im Bereich der Abwasserentsorgung oder „neue Dienstleistungen“, die erst in Zukunft entstehen werden), erhöht sich der Druck und das Risiko für Liberalisierungen durch die Hintertür. Zudem können durch die weitreichenden Befugnisse des „Gemischten Ausschusses“ in JEFTA strittige Verhandlungsgegenstände noch zu einem späteren Zeitpunkt in das Abkommen aufgenommen werden. Dies könnte beispielsweise Ausschreibungspflichten von Dienstleistungskonzessionen betreffen und wäre im Bereich Wasser besonders brisant. Parlamentarische Zustimmung ist dafür nicht notwendig. Zwar hat auch das EP bereits wiederholt eine „Goldstandard-Klausel“ für die gänzliche und verlässliche Herausnahme der Daseinsvorsorge aus Freihandelsabkommen gefordert. Doch JEFTA öffnet stattdessen neuerlich Hintertüren für das Geschäft mit der Daseinsvorsorge.

Mythos 6: JEFTA garantiert höchste Arbeits- und Umweltstandards

Wir stellen richtig:

JEFTA ist weit davon entfernt, höchste Arbeits- und Umweltstandards sicherzustellen. Das Gegenteil ist der Fall: Das Nachhaltigkeitskapitel, in dem diesbezügliche Bestimmungen angesprochen werden, bleibt zahnlos, denn Verstöße können im Rahmen von JEFTA weder eingeklagt noch sanktioniert werden. Als äußerstes Mittel bleiben unverbindliche Empfehlungen eines Expertengremiums.

Abgesehen davon hat Japan nicht einmal alle acht Mindestarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert (es fehlen die Konventionen zur Abschaffung der Zwangsarbeit und jene über Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf). Auch was Umweltstandards betrifft, bestätigen die Parteien lediglich bereits eingegangene Verpflichtungen und tauschen Informationen aus. So sind auch sämtliche Bestimmungen in Bezug auf die multilateralen Umweltabkommen, wie z.B. das Pariser Klimaschutzabkommen, völlig unverbindlich.

Mythos 7: Durch JEFTA wird das Pariser Klimaschutzabkommen umgesetzt

Wir stellen richtig:

Tatsächlich wird das Pariser Klimaschutzabkommen im JEFTA-Vertrag erwähnt. Allerdings fehlen konkrete Maßnahmen oder bindende Verpflichtungen wie dieses tatsächlich umgesetzt werden könnte. Schlimmer noch, handelspolitische Interessen werden explizit über Klimaschutz gestellt, indem festgelegt wird, dass JEFTA die EU und Japan „nicht davon abhalten solle“, multilaterale Umweltschutzabkommen umzusetzen. Jedoch nur, so die Einschränkung, wenn dadurch der Handel nicht behindert oder der VertragspartnerInnen nicht diskriminiert würde.

Mythos 8: Schutz der Wälder ist durch JEFTA gegeben

Wir stellen richtig:

Im Nachhaltigkeitskapitel fehlen umfassende oder durchsetzbare Verpflichtungen, die den Handel mit illegalem Holz effektiv verbieten oder eine nachhaltige Waldbewirtschaftung fördern. Das ist völlig unzureichend, zumal Japan der weltweit größte Importeur von Holz und Sperrholz, der zweitgrößte Importeur von Holzstämmen und drittgrößter Importeur von Sägeholz ist. Gleichzeitig sind japanische Unternehmen die Hauptabnehmer von illegalem Holz, einschließlich Holz, das aus einigen der wenigen erhaltenen Urwälder in Europa stammt.

Mythos 9: Die hohen EU-Datenschutzstandards werden durch JEFTA nicht infrage gestellt

Wir stellen richtig:

Beim Thema E-Commerce und Datenschutz macht Japan erheblichen Druck. Denn der Anteil des elektronischen Handels am Welthandel hat besonders in der asiatisch-pazifischen Region in den letzten Jahren enorm zugenommen. Zudem hat Japan bereits schwächeren Datenschutzregeln im transpazifischen Handelsabkommen TPP zugestimmt. Weil es zu keiner Einigung zwischen den VerhandlungsführerInnen kam, wurde das Thema mittels einer sogenannten Rendez-vous-Klausel im Kapitel zu Dienstleistungshandel, Liberalisierung von Investitionen und elektronischem Geschäftsverkehr auf einen späteren Zeitpunkt nach Abschluss der Verhandlungen vertagt. Dies bedeutet, dass nach der Ratifizierung von JEFTA die Bestimmungen zu E-Commerce und Datenschutz nachträglich verändert werden können. Damit sind die hohen EU-Datenschutzstandards unzureichend abgesichert.


Wesentliche Argumente sind auch in der 16-seitigen Broschüre „JEFTA entzaubert“ enthalten, die hier zu finden ist: JEFTA_entzaubert