Das Netzwerk Gerechter Welthandel informiert immer wieder über aktuelle Entwicklungen und den jeweiligen Stand der EU-Verhandlungen. Hier sind die neuesten Fakten.
+ + + Das Japan-EU-Abkommen JEFTA ist ratifiziert + + +
Am 12. Dezember hat das EU-Parlament in Straßburg über das Handelsabkommen der EU mit Japan abgestimmt. 474 Abgeordnete stimmten dafür, 152 stimmten dagegen, es gab 40 Enthaltungen. Damit ist das Abkommen mit großer Mehrheit angenommen und kann ohne weitere Ratifizierung in den EU-Mitgliedstaaten vollständig in Kraft treten – voraussichtlich bereits am 1. Februar 2019. Die Mitglieder der linken und grünen Fraktion votierten mehrheitlich gegen, die Abgeordneten von CDU/CSU geschlossen für JEFTA. Auch die Abgeordneten der SPD stimmten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – für das Abkommen. Dabei hatte es insbesondere in der sozialdemokratischen Fraktion im Vorfeld noch ernsthafte Diskussionen darüber gegeben, die Abstimmung zu verschieben. Denn Japan hat zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert, und JEFTA enthält keinen Durchsetzungsmechanismus oder Sanktionsmöglichkeiten für das Nachhaltigkeitskapitel. Die in JEFTA enthaltenen Bekenntnisse zu Arbeitsstandards, Umwelt- und Klimaschutz können somit nicht wirksam umgesetzt werden und bleiben wohlklingende, aber folgenlose Versprechungen. JEFTA enthält keine Regelungen zum Investitionsschutz, die Verhandlungen zu einem gesonderten Abkommen werden fortgesetzt.
JEFTA ist das bislang größte Handelsabkommen, das die EU abschließend verhandelt hat. Die beiden Wirtschaftsräume umfassen mehr als 600 Millionen Menschen und rund ein Drittel des globalen Bruttoinlandsproduktes. Befürworter*innen stellen das Abkommen als Wachstumsmotor und als Alternative zum Trump’schen Protektionismus dar. Doch beides entspricht nicht der Realität: Eine Studie der EU-Kommission schätzt den Wachstumseffekt auf gerade einmal 0,14 Prozent bis zum Jahr 2035. Und nur weil die Trump’sche Abschottungspolitik und die Erhebung von Strafzöllen zu verurteilen ist, ist das vermeintliche Gegenteil noch lange nicht gut, wie Greenpeace in einem Artikel zur JEFTA-Entscheidung darlegt. JEFTA ist stattdessen „Protektionismus für Konzerne“, sagt LobbyControl, und weit davon entfernt, für hohe Arbeits- und Umweltstandards zu sorgen. Unsere Bewegung steht hingegen für eine global gerechte und solidarische Handels- und Investitionspolitik, die Mensch und Umwelt dient statt den Interessen großer Konzerne. Weitere aktuelle Informationen zur JEFTA-Abstimmung und unserer Kritik gibt es unter anderem noch beim BUND und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.
Auch wenn die letzte Sitzung des Europaparlaments in diesem Jahr für uns mit einer handelspolitischen Niederlage geendet hat – wir bleiben weiter dran und werden uns auch 2019 für eine Kehrtwende in der Handelspolitik einsetzen. Am 19. Januar beteiligen wir uns wieder an der „Wir haben es satt!“-Demonstration in Berlin, denn die Handelsabkommen der EU tragen maßgeblich zur Zerstörung von lokalen Märkten und der Existenzgrundlage von Kleinbauern und -bäuerinnen bei. Wir werden uns in den EU-Wahlen zu Wort melden; und wir werden uns an einer EU-weiten Kampagne beteiligen mit dem Ziel, die umstrittenen Sonderklagerechte für Konzerne endgültig abzuschaffen und Konzerne stattdessen stärker zur Einhaltung von Menschenrechen, Umwelt- und Sozialstandards zu verpflichten.
+ + + Handels- und Investitionsabkommen der EU mit Kanada (CETA) + + +
Anlässlich der laufenden Koalitionsverhandlungen in Hessen wandten wir uns Ende November mit einem Offenen Brief an die hessische CDU und die hessischen Grünen. Gemeinsam mit über 30 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen und Bündnissen forderten wir sie dazu auf, das EU-Kanada-Abkommen CETA zum Thema der Verhandlungen zu machen und im Koalitionsvertrag festzuhalten, dass Hessen dem Abkommen im Bundesrat nicht zustimmen wird. Denn CETA birgt zahlreiche Gefahren für die Demokratie, für die öffentliche Daseinsvorsorge und für den Umwelt- und Verbraucherschutz. Nach der vollständigen Ratifizierung wird CETA ausländischen Investoren ein eigenes, privilegiertes Klagerecht gewähren, mit dem sie hohe Schadensersatzforderungen an Staaten richten könnten.
Bereits Ende Oktober hatten wir fast 75.000 Unterschriften an Hubert Aiwanger, den Chef der Freien Wähler in Bayern, übergeben. Unserer Forderung, im Koalitionsvertrag ein „Nein“ oder eine Enthaltung Bayerns bei der CETA-Abstimmung im Bundesrat festzuhalten, sind die Freien Wähler nicht nachgekommen – obwohl sie sich in der Vergangenheit gegen Abkommen wie TTIP oder CETA positioniert hatten. Wir fordern sie weiterhin dazu auf, bei ihrer Haltung zu bleiben, denn bei Uneinigkeit in der Regierungskoalition ist es bewährte Praxis, dass sich das Bundesland im Bundesrat enthält.
Hintergrund: CETA wird bereits zu großen Teilen vorläufig angewandt. Um vollständig in Kraft zu treten, müssen jedoch die Parlamente aller EU-Mitgliedsstaaten zustimmen – in Deutschland neben dem Bundestag auch der Bundesrat. Und dort ist längst keine sichere Mehrheit vorhanden: Wenn die Parteien, die sich in der Vergangenheit gegen CETA positioniert haben, auch in den jeweiligen Landesregierungen an dieser Position festhalten, wird CETA im Bundesrat scheitern.
Auch hinsichtlich der Transparenz sowie der Schiedsgerichte kommt derzeit wieder Wind in die Debatte um CETA: Mit der vorläufigen Anwendung des Abkommens hat auch die regulatorische Kooperation begonnen. 19 Mal haben sich die EU-Kommission und die kanadische Bundesregierung dieses Jahr bereits in den durch CETA geschaffenen Ausschüssen zusammengesetzt. Von den Inhalten dieser Sitzung erfährt die Öffentlichkeit nahezu nichts, denn die EU-Kommission verweigert die Veröffentlichung der Sitzungsunterlagen. Daher hat das Umweltinstitut kürzlich Klage gegen die EU-Kommission eingereicht. Auch die Fraktion Die Linke im Bundestag will mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung über die Transparenz und demokratische Kontrolle der CETA-Ausschüsse Auskunft erhalten. Eine Antwort der Bundesregierung liegt derzeit noch nicht vor.
Der Europäische Gerichtshof muss noch ein Gutachten erstellen zur Frage, ob die CETA-Streitbeilegungsregelung zum Investitionsschutz mit dem EU-Recht vereinbar ist. Voraussichtlich Ende Januar wird der Generalanwalt seinen Schlussantrag veröffentlichen, einige Monate später soll das Gutachten veröffentlicht werden. Wir bleiben dran und werden Sie auf dem Laufenden halten.
+ + + TTIP durch die Hintertür + + +
Nach den Midterm-Wahlen Anfang November traf sich EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström erneut mit ihrem Amtskollegen Robert Lighthizer in Washington, um die Vorgespräche für ein EU-US-Handelsabkommen fortzusetzen. Das umstrittenste Thema dabei ist die Landwirtschaft: Die EU will das Thema ausklammern, um zu einem schnellen Ergebnis zu kommen und um ein Wiederaufflammen der breiten Anti-TTIP-Proteste zu verhindern: Diese richteten sich unter anderem gegen Zollsenkungen auf Agrarprodukte und gegen die Harmonisierung von Lebensmittelsicherheitsstandards – Stichwort „Chlorhühnchen“ und „Hormonfleisch“. Die USA bestehen jedoch auf einem Einbezug der Landwirtschaft und drohen mit der Ausweitung der aktuellen Strafzölle auf Autos. Um den USA entgegen zu kommen, steht mittlerweile der Vorschlag im Raum, die Einfuhr von Raps und anderen Rohstoffen für die Biosprit-Produktion auszuweiten.
Der US-Kongress wurde bereits über die Pläne informiert, ein Handelsabkommen mit der EU abzuschließen; die offiziellen Gespräche könnten ab Mitte Januar aufgenommen werden. Eine offizielle Aussage der EU-Kommission zum Zeitplan gibt es bisher nicht. Nach Aussage der Vertreterin Österreichs, das derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, sollen die Vorgespräche jedoch bis Ende des Jahres beendet und bereits Anfang 2019 ein Verhandlungsmandat von den EU-Mitgliedsstaaten eingeholt werden.
+ + + Handelsabkommen EU-Mercosur + + +
Die Verhandlungen der EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay für ein Handelsabkommen sind auch nach 36 Verhandlungsrunden nicht abgeschlossen. Uneinigkeit besteht weiterhin bei landwirtschaftlichen Themen wie der Erhöhung der Milch- und Rindfleischimporte in die EU sowie bei Autozöllen und maritimen Dienstleistungen.
Ende Oktober wurde der rechtsextreme Ex-Militär Jair Bolsonaro zum zukünftigen brasilianischen Präsidenten gewählt. Er wird sein Amt am 1. Januar antreten und kann auf die Unterstützung insbesondere der Waffen- und Agrarlobby zählen. Seine Wahl wird die Verfolgung von Minderheiten und politischen Gegnern, die Einschränkung von Presse- und Meinungsfreiheit sowie die Missachtung von Menschenrechten, Klima- und Umweltschutz zur Folge haben. Wenn die EU-Kommission ihre Beteuerungen, für eine „wertebasierte“ Handelspolitik einzutreten, ernst meint, müsste sie spätestens jetzt die Verhandlungen für ein Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten auf Eis legen, und größtmöglichen Druck auf Bolsonaro ausüben, um Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz aufrecht zu erhalten – doch das Gegenteil ist der Fall: Erst Ende November verkündete EU-Handelskommissarin Malmström, sich für einen Abschluss des Abkommens noch vor den EU-Wahlen einzusetzen. Bolsonaro hat sich ebenfalls für den Abschluss des Abkommens ausgesprochen.
+ + + EU-Singapur + + +
Nach JEFTA wird das Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Singapur das nächste sein, worüber die Europaabgeordneten abstimmen. Genauer gesagt handelt es sich um zwei getrennte Abkommen, denn das ursprüngliche Abkommen wurde in ein Handels- und ein separates Investitionsschutzabkommen aufgespalten. Damit reagierte die EU-Kommission auf die breite Kritik an Investitionsschutzklauseln und schuf einen Weg, um zumindest den Handelsteil des Abkommens noch vor den EU-Wahlen ratifizieren zu können – denn dieser liegt in alleiniger Kompetenz der EU und muss daher nicht von Parlamenten der Mitgliedstaaten ratifiziert werden.
Bereits Ende Januar wird der Handelsausschuss des EU-Parlaments über die Abkommen beraten, Mitte Februar könnten die Europaabgeordneten bereits darüber abstimmen. Der Stadtstaat Singapur ist eine Steueroase und gehört zu den global wichtigsten Finanzplätzen. US-amerikanische Konzerne investieren hier mehr als in China und Japan zusammen. Singapur ist der wichtigste Handelspartner der EU in Südostasien, die meisten in der Region tätigen europäischen Unternehmen haben dort ihre lokalen Zentralen. Das Investitionsabkommen würde all diesen Konzernen noch weitreichendere Rechte verleihen, als sie es bisher haben. Die zugrunde liegende Definition von Investitionen ist sehr breit und schließt beispielsweise Portfolio-Investitionen, Anleihen, Firmenwerte und geistige Eigentumsrechte mit ein. Investitionen werden geschützt, ohne Berücksichtigung ihrer sozialen, ökonomischen oder ökologischen Auswirkungen. Auch die EU-Singapur-Abkommen bedienen somit einseitig die Interessen großer Konzerne und bringt keinen Gewinn für Mensch und Umwelt.
+ + + EU-Vietnam + + +
Ebenso wie das EU-Singapur-Abkommen wurde auch das Abkommen mit Vietnam nachträglich in ein Handels- und ein Investitionsabkommen aufgespalten. Und nach dem Willen der EU-Kommission soll das Europaparlament auch über diese Abkommen noch vor der EU-Wahl entscheiden. Ebenso wie Japan und Singapur hat Vietnam nicht alle ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert, und ebenso wie die anderen Abkommen wird auch dieses nichts an der Situation ändern: Auch das EU-Vietnam-Abkommen enthält keinen Durchsetzungsmechanismus, um die Ratifizierung oder Umsetzung der ILO-Kernarbeitsnormen nachzuholen. Dabei gibt es in Vietnam gravierende Probleme mit Menschen- und Arbeitnehmerrechten. Das Land verfolgt eine Niedriglohnstrategie, die sich auf systematische Arbeitsrechtsverletzungen stützt und genau dadurch ausländische Investitionen anzulocken versucht.
+ + + Veröffentlichungen + + +
Nachhaltigkeitskapitel in EU Freihandelsabkommen: Feigenblatt für nichtzukunftsfähige Handelspolitik?
Seit Nachhaltigkeitsklauseln in Handelsabkommen in den 1990er Jahren erstmals eingeführt wurden, blieben sie notorisch schwach. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussionen um EU-Nachhaltigkeitskapitel in Freihandelsabkommen beleuchtet dieses Factsheet die möglichen Fallstricke solcher Reformversuche.
Herausgegeben von PowerShift e.V. zusammen mit Attac Österreich, Attac Deutschland, dem Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e. V., Greenpeace, dem Forum Umwelt und Entwicklung sowie den Naturfreunden
JEFTA entzaubert: Wunsch und Wirklichkeit des EU-Japan-Abkommens
Die EU-Kommission, verschiedene Politikerinnen sowie Wirtschaftsvertreter – sie alle sehen im Handelsabkommen der EU mit Japan ausschließlich Vorteile. Die 16seitige Broschüre nimmt einige ihrer Aussagen unter die Lupe und stellt fest: Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.
Herausgegeben von BUND, Campact, Greenpeace, LobbyControl, Netzwerk Gerechter Welthandel und PowerShift
https://www.gerechter-welthandel.org/wp-content/uploads/2018/11/JEFTA_entzaubert_Nov2018.pdf
JEFTA: Mythen & Fakten über das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU und Japan
Das kurze Papier fasst die gängigen Mythen zu JEFTA zusammen und prüft sie auf Ihre Richtigkeit. Die herausgebenden Organisationen kommen zu dem Ergebnis, dass JEFTA Regeln enthält, die den politischen Handlungsspielraum der EU und der EU-Mitgliedsstaaten massiv einschränken, und dass sie unter demokratischen Gesichtspunkten höchst problematisch sind.
Herausgegeben von AK Europa, EPSU, LobbyControl, PowerShift, ÖGB und Anders Handeln.
https://www.akeuropa.eu/sites/default/files/2018-11/JEFTA%20-%20Mythen%20%26%20Fakten_1.pdf
Geheimer als TTIP: Was die Finanzlobby im Schatten des Brexit vorantreiben will
Blogbeitrag von LobbyControl
https://www.lobbycontrol.de/2018/10/geheimer-als-ttip-die-brexit-verhandlungen-zur-handelspolitik/