Mitte Dezember hat das Europaparlament den Freihandelsvertrag mit Japan gebilligt. Es war ein Rückschlag für eine ökologische und soziale Reformpolitik. Das schreiben Lia Polotzek und Katrin Wenz in einem Beitrag für die Frankfurter Rundschau.
Handelsabkommen sollen das Wachstum ankurbeln. Welche Branchen dabei wachsen, das spielt keine Rolle – Hauptsache mehr Exporte. Selbst ob hierdurch gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze geschaffen werden, scheint nebensächlich.
Bei JEFTA, dem Abkommen der EU mit Japan, möchte die japanische Seite mehr Autos auf den europäischen Markt bringen. Die EU möchte vor allem den Handel mit Fleisch und Milchprodukten intensivieren. Dabei scheint ganz gleich, wie diese produziert werden und welche Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Umwelt sich hierdurch ergeben.
In einem Interview wurde die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström gefragt, ob wir tatsächlich Schweinefleisch nach Japan exportieren müssen, wenn die Schweinemast in Deutschland das Grundwasser mit Nitrat belastet, und ob es nicht ihre Aufgabe sei, sich für die umweltfreundliche Produktion von Schweinefleisch einzusetzen. Ihre Antwort: Als Handelskommissarin sei es ihre Aufgabe, den Handel zu fördern. Es geht also um Exporte, egal zu welchem Preis.
3,2 Kilo Kohlendioxid für 1 Kilo Fleisch
Die Produktion von Schweinefleisch ist jedoch mit erheblichen sozialen und ökologischen Problemen im Globalen Süden verbunden sowie mit externen Kosten, die hierzulande auf die Gesellschaft umgelegt werden. Eine weitere Steigerung der Fleischproduktion wäre fatal.
Für die Produktion von einem Kilo Schweinefleisch werden neun bis zwölf Quadratmeter Nutzfläche beansprucht. Weltweit benötigt die deutsche Tiermast rund drei Millionen Hektar Fläche für den Anbau von Futtermitteln wie Soja – eine Fläche so groß wie Belgien. Mehr als die Hälfte des Sojas in deutschen Futtertrögen kommt dabei aus Brasilien. Für die Felder wurden häufig Regenwälder gerodet, zudem ist Soja meist gentechnisch verändert und wird oft mit dem wahrscheinlich krebserregenden Herbizid Glyphosat behandelt.
In Deutschland entstehen durch die vielen Masttiere mehr als 200 Millionen Kubikmeter Gülle pro Jahr und verschmutzen das Grundwasser mit Nitrat. Inzwischen ist die Belastung so stark, dass die Aufbereitung von Trinkwasser in Zukunft sehr teuer werden wird – laut Umweltbundesamt könnten sich für einen Vier-Personen-Haushalt Mehrkosten von bis zu 134 Euro im Jahr ergeben.
Die industrielle Fleischproduktion trägt außerdem ganz wesentlich zum Klimawandel bei. Für ein Kilo Schweinefleisch fallen 3252 Gramm CO2-Äquivalente an. Im Sommer 2018 war die Klimakrise auch in Deutschland deutlich zu spüren: Landwirte hatten mit Trockenheit zu kämpfen, Ernteausfälle mussten mit Steuergeld kompensiert werden.
Und trotzdem schmückt sich die Europäische Union damit, Mast- und Schlachtbetriebe durch JEFTA noch zu stärken, während in Japan kleinbäuerliche Betriebe durch die neue Konkurrenz der europäischen Agrarindustrie in ihrer Existenz gefährdet werden.
Trumps Hilfe für den Freihandel
Spätestens seit den großen Demonstrationen gegen TTIP und CETA mit Hunderttausenden von Teilnehmenden war der Politik eigentlich klar: Eine Handelspolitik, die große Konzerne bevorteilt und Mensch und Natur hintenanstellt, ist nicht mehr zeitgemäß. Der Abschluss des Abkommens mit Japan fällt allerdings in eine Phase, die durch die allgemeine Verunsicherung aufgrund der Handelspolitik der Regierung Trump geprägt ist.
Erst im Lichte des Protektionismus der USA wird auf einmal wieder salonfähig, was als längst gescheitert galt: nur solche Regeln zu schaffen, die die Globalisierung befeuern – ganz ohne Schranken zu setzen, wenn große Unternehmen die Umwelt zerstören oder Investoren Menschen- und Arbeitsrechte verletzen.
Der Europäischen Union scheinen vor der Drohkulisse von Handelskriegen alle Vereinbarungen recht. In JEFTA ist beispielsweise das Vorsorgeprinzip nicht ausreichend verankert und die sogenannte regulatorische Kooperation könnte zu einem Absenken von Umweltstandards führen. Ebenso sind verbindliche Regelungen von Nachhaltigkeitsstandards nicht zu finden. Zwar enthält JEFTA ein Nachhaltigkeitskapitel, in dem auch das Pariser Klimaabkommen erwähnt wird. Dieses ist allerdings zahnlos.
Handelsabkommen wie JEFTA wollen Wachstum um jeden Preis erreichen. Bedauerlich ist, dass dadurch jegliche Bemühungen für die dringend notwendige sozial-ökologische Transformation unseres Wirtschaftssystems unterlaufen werden. Anstatt weiter Exporte zum Selbstzweck anzukurbeln, wird es Zeit, nur noch so zu wirtschaften, dass gute und menschenwürdige Arbeitsplätze weltweit gesichert und die ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten nicht überschritten werden.
Lia Polotzek ist Handelsexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Katrin Wenz ist Agrarexpertin beim BUND.