Am 22. Januar 2019 startete die europäische Initiative gegen Konzernklagerechte und für Unternehmensverantwortung. Die Kampagne wird von einem breiten Bündnis von rund 160 europäischen Organisationen, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen getragen.
Worum geht es?
Konzerne haben Zugang zu einem privaten globalen Justizsystem, den sogenannten Konzernklagerechten (Investor State Dispute Settlement, ISDS). Diese Sonderrechte verwenden sie, um Regierungen einzuschüchtern und unter Druck zu setzen. Viele Betroffene von Menschenrechtsverstößen durch Konzerne haben hingegen keinerlei Möglichkeit, zu ihrem Recht zu kommen.
Das ist nicht gerecht! Wir müssen diese Konzernklagerechte jetzt stoppen!
Was brauchen wir?
Wir benötigen ein verbindliches globales System, um Konzerne für Menschenrechtsverstöße zur Rechenschaft zu ziehen!
In den vergangenen Jahren haben Millionen Menschen in ganz Europa gegen das geplante Abkommen der EU mit den USA, TTIP, demonstriert. Ein Hauptkritikpunkt dabei waren die Konzernklagerechte, die für viele Menschen bis dahin völlig unbekannt waren.
Nun will die EU-Kommission, unterstützt von der deutschen Bundesregierung und weiteren EU-Mitgliedstaaten, einen globalen ständigen Gerichtshof für Konzerne einrichten. Auch dieser so genannte multinationale Investitionsgerichtshof (MIC) soll ausschließlich Konzernen und Investoren zugänglich sein und ausschließlich dem Zweck dienen, Staaten auf Schadensersatz zu verklagen. In zukünftigen Handels- und Investitionsabkommen soll dann auf diesen Gerichtshof zurückgegriffen werden. Statt der breiten Kritik zu folgen und die Sonderklagerechte abzuschaffen, soll dieses ungerechte System ausgeweitet werden.
Obwohl Konzerne unglaublich mächtig sind, gibt es Anzeichen dafür, dass sie den Kampf um die Wiederbelebung von ISDS und um ein globales System für die Beendigung ihrer Straflosigkeit verlieren könnten:
• Sonderklagerechte für Konzerne werden von der Mehrheit der Bevölkerung klar abgelehnt, auch viele Politiker*innen positionieren sich weiterhin kritisch gegenüber ISDS. Ihr aktuelles Projekt eines globalen Investitionsgerichtshofs steht noch in den Anfängen und es gibt zahlreiche Möglichkeiten, es zu behindern.
• Das EU-USA-Abkommen TTIP ist aufgrund der breiten Proteste (vorerst) gestoppt worden.
• Zahlreiche EU-Abgeordnete aus dem gesamten politischen Spektrum lehnen Sonderklagerechte für Konzerne ab und unterstützen das UN-Abkommen (Binding Treaty). Das EU-Parlament hat bereits zehn Resolutionen verabschiedet, die sich für eine Unterstützung des Binding Treaty aussprechen.
• Ein erster Entwurf des UN-Abkommens (Binding Treaty) wurde bereits veröffentlicht, trotz heftigen Widerstands durch Konzerne.
• In mehreren EU-Mitgliedstaaten werden derzeit Gesetze für Sorgfaltspflichten für Konzerne entworfen. In Frankreich ist ein solches Gesetz bereits 2017 in Kraft getreten. Seitdem sind Konzerne mit mehr als 5000 Angestellten verpflichtet, menschenrechtliche Risiken auch entlang der Wertschöpfungskette zu identifizieren und abzuwenden. Wenn es solche Gesetze in allen Staaten gäbe, wären Konzerne für ihr Handeln deutlich besser haftbar zu machen.
• Für uns heißt das: die aktuelle politische Situation spielt uns in die Hände. Sonderklagerechte für Konzerne sind politisch so umstritten wie nie zuvor. Die Gelegenheit ist günstig, sie ein für allemal abzuschaffen und die Macht und Privilegien von Konzernen einzuschränken!
Unterschreiben Sie die Initiative Rechte für Menschen – Regeln für Konzerne!
Gut gemeint, miserabel umgesetzt
Investitionsschutz ist ein schönes Beispiel für eine gut gemeinte Idee, die in der Umsetzung nicht funktioniert. Der Ursprungsgedanke aus den 60er Jahren ist folgender: Ohne Auslandsinvestitionen gibt es weder globale Konzerne, noch globale Produktionsketten. Schiedsgerichte sollten Investitionen in Diktaturen, in denen es keine unabhängige Justiz gibt, gegen politische Willkür schützen.
Der erste Streitfall wurde erst 1987 registriert. In den 1990er Jahren nahmen die Verfahren zu und erst seit den 2000er Jahren gibt es viele Fälle. Bis heute ist wissenschaftlich nicht eindeutig nachgewiesen, dass private Konzernklagerechte Investitionen nennenswert befördern. Auf der Pro-Seite steht also nichts oder bestenfalls wenig.
Andererseits ist der Schaden, den diese undemokratische
Konzernjustiz anrichtet, immens:
- Aus Angst vor Schadensersatzklagen findet sinnvolle Gesetzgebung gar nicht erst statt.
Beispiel 2018: Der französische Umweltminister wollte die Gewinnung von klimaschädlichen Kohlenwasserstoffen verbieten. Doch der Gesetzentwurf wurde abgeschwächt, nachdem der Ölkonzern Vermilion mit einer Klage vor einem privaten Schiedsgericht gedroht hatte. - Schiedsgerichte urteilen nicht auf der Basis der Gesetze, sondern auf der Basis von Handelsabkommen.
Beispiel 2011: Ecuador kündigte einen Ölfördervertrag mit Occidental Petroleum (Oxy). Der US-Konzern hatte die Lizenz weiterverkauft und damit gegen ecuadorianisches Recht verstoßen. Das private Schiedsgericht bestätigte dies. Dennoch gewann Oxy die Klage gegen die Vertragsauflösung vor dem privaten Schiedsgericht. Zusätzlich wurde Ecuador wegen „unfairer Behandlung“ verurteilt und zur bisher größten Schadenersatzzahlung von 2,4 Milliarden US-Dollar inklusive Zinseszinsen verdonnert. Das ist so viel wie die Hälfte der jährlichen Gesundheitsausgaben des kleinen Landes.1 - Die Höhe der zugesprochenen Summen ist kriminell.
Beispiel 2012: Libyen muss der kuwaitischen Tourismusfirma Al Kharafi 935 Millionen US-Dollar Schadenersatz zahlen, weil die Baugenehmigung für ein Stück Land nahe Tripolis zurückgezogen wurde. Der direkte entstandene Schaden durch angefallene Kosten betrug lediglich fünf Millionen US-Dollar – es kam nie zu Bauarbeiten. Doch das Gericht sprach dem Investor zusätzlich 30 Millionen US-Dollar an „moralischem Schadenersatz“ zu sowie 900 Millionen US-Dollar an „entgangenen Gewinnen“. Weitere Beispiele finden sich hier. - Das System selbst hat sich pervertiert.
In den letzten zehn Jahren hat sich eine regelrechte Klage-Industrie herausgebildet. Nur Konzerne haben Zugang zu diesem privaten globalen Justizsystem, Menschen nicht. Weltweit schützen über 3.400 Investitionsabkommen die Rechte von Konzernen. Sie können Regierungen vor internationalen Schiedsgerichten verklagen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Umgekehrt gibt es diese Möglichkeit bei Menschenrechtsverletzungen nicht. - Beteiligen Sie sich an unserer Kampagne!