Seit Dienstag, 22. Januar 2019, läuft die europaweite Initiative Rechte für Menschen – Regeln für Konzerne. Aber was verbirgt sich dahinter? Oft genannt wird die Schattenjustiz, die Großinvestoren Sonderrechte einräumt. Doch das ist noch mehr …
Ob Lebensmittel, Kleidung oder Kohlestrom: Am Beginn der globalen Produktions- und Lieferketten auch unserer täglichen Konsumprodukte stehen regelmäßig schwere Menschenrechtsvergehen. Unternehmensgewinne speisen sich vielfach aus menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, Ausbeutung und Sklaverei, starken Umweltzerstörungen und Landraub bis hin zu Vergewaltigungen, Folter, Mord und Kriegsverbrechen. Von rechtlichen oder wirtschaftlichen Konsequenzen für die Auftraggeber, unter anderem deutsche und in Deutschland agierende Großkonzerne, keine Spur – weder am Ort des Geschehens, noch bei uns.
Dabei sind Deutschland, Europa und die anderen Industrieländer mitverantwortlich für die Misere. Sie haben dafür gesorgt, dass den verbindlichen, aber relativ zahnlosen, im Rahmen der Vereinten Nationen geschlossenen Menschenrechtspakten zahlreiche völkerrechtliche Verträge im Bereich von Investitionsschutz und Handel an die Seite gestellt und mit starken Durchsetzungs- und Sanktionsmöglichkeiten versehen wurden. Diese sichern Konzernen z.B. direkten Zugang zu Arbeitskräften, Ressourcen und Absatzmärkten oder machen ihre Gewinne einklagbar. Auf diese Weise haben Profitinteressen der Konzerne effektiv Vorrang gegenüber Menschenrechten erhalten.
Das hat Folgen. So wurden zwischen 2005 und 2013 mehr als die Hälfte der an britischen, französischen und deutschen Börsen notierten Unternehmen mit Menschenrechtsverletzungen und negativen Wirkungen auf die Umwelt in Verbindung gebracht, darunter Unterdrückung von gewerkschaftlicher Organisation, Einschüchterung und Gewaltandrohung von GewerkschafterInnen, Zusammenarbeit mit Privatarmeen, Kinderarbeit, ausbeuterische Löhne, unzureichende Sicherheits- und Arbeitsstandards, etc. (International Peace Information Service 2014).
In den Vereinten Nationen wird seit 2014 auf Initiative von Ecuador und Südafrika ein verbindliches Abkommen (Binding Treaty) für Wirtschaft und Menschenrechte verhandelt. Es sieht vor, dass Konzerne sich nicht länger ihrer menschenrechtlichen Verantwortung entziehen können und sich für Verstöße verantworten müssen. Und zwar auch dann, wenn sie im Ausland tätig sind oder es sich um Tochterunternehmen oder abhängige Zulieferfirmen handelt. Eingesetzt wurde diese Arbeitsgruppe des Menschenrechtsrats gegen die Stimmen der westlichen Industrieländer. Auch Deutschland und die EU verhalten sich skeptisch oder gar ablehnend und nahmen an den ersten Sitzungen nicht bzw. nur als passive Beobachter teil.
Das ist unverantwortlich! Menschenrechte müssen durchsetzbar werden und endlich Vorrang vor Konzerninteressen genießen. Der „Treaty-Prozess“ stellt dafür eine große Chance dar. Doch noch ist unklar, ob er gelingt und ob die verhandelten Instrumente effektiv genug ausfallen werden. Klar ist hingegen, dass sich auch Deutschland und die EU in einer positiven Rolle an den Beratungen beteiligen müssen. Deutschland ist schon vom Grundgesetz her verpflichtet, die Menschenrechte zu schützen. Es braucht jetzt Druck von der weltweiten Zivilgesellschaft und uns allen, um dieses Abkommen voranzubringen.
Quelle: attac