Wieviel dürfen wir aus Sitzungen wissen, in denen die EU-Kommission im Rahmen des CETA-Abkommens mit Kanada über Pestizide, Gentechnik und Tiergesundheit spricht? Die Kommission sagt: sehr wenig. Doch das wollte das Münchner Umweltinstitut nicht akzeptieren.
Dazu schreibt das Institut, das sich schon lange der EU-Handelspolitik widersetzt, in einer Mitteilung:
«Wir haben am Montag, den 3.12.2018, vor dem Europäischen Gericht in Luxemburg Klage eingereicht. Inzwischen haben wir vom Gericht ein Aktenzeichen (T-712/18) und am 11. Januar 2019 hat das Gericht die Kommission um Stellungnahme gebeten. Bis Mitte März hat sie nun Zeit für ihre Klageerwiderung. Wie lange es dauert, bis das Gericht entscheidet, ist nicht absehbar.
Das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen CETA, das seit September 2017 vorläufig in Kraft ist, ist ein lebendiges Abkommen. Es lebt durch Kooperationsforen und Ausschüsse, in denen die EU und Kanada darüber sprechen, wie der Handel gefördert werden kann und wo staatliche Regulierung ihn hemmt.
Ein solches Forum ist der „Gemischte Verwaltungsausschuss für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen“ nach Artikel 5.14 des Abkommens. Unter diese Maßnahmen fallen z.B. Grenzwerte für Rückstände in Lebensmitteln, die Zulassung von Pestiziden oder Tierschutzmaßnehmen. Der Ausschuss ist mit hohen BeamtInnen der Kommission und der kanadischen Bundesregierung besetzt und hat sogar das Recht, Änderungen an den Anhängen des Abkommens vorzunehmen. Ende März traf er sich in Ottawa zur ersten Sitzung. Mit einer umfassenden Anfrage nach der europäischen Informationsfreiheitsverordnung wollten wir kurz darauf Zugang zu Tagesordnung, Protokollen und allen Sitzungsdokumenten.
Die Argumente der Kommission
Die EU-Kommission hielt uns nach dieser Anfrage rund ein halbes Jahr hin und lehnte sie dann ab. In der ersten ablehnenden Antwort argumentierte die Kommission nur sehr grob und lieferte nicht einmal die übliche Aufstellung, welche Dokumente überhaupt existieren. Dagegen legten wir im Juni Widerspruch ein. Anfang Oktober erhielten wir dann einen längeren, finalen Bescheid, der die Ablehnung unserer Anfrage ausführlicher begründet. Gegen diesen Bescheid klagen wir nun.
Die Kommission veröffentlicht zwar von sich aus nach Absprache mit der kanadischen Bundesregierung die Protokolle und eine Kurzzusammenfassung über die Sitzungen auf ihrer Homepage. Alle weiteren Dokumente möchte sie uns jedoch nicht geben, weil sie sowohl die Beziehungen zu Kanada als auch die internen Beratungen der EU-Organe gefährdet sieht. Sie beruft sich dabei unter anderem auf die Geschäftsordnung des gemischten CETA-Ausschusses, in dem festgehalten ist, dass lediglich eine Zusammenfassung des Protokolls veröffentlich wird.
Doch in ihrer Argumentation geht die Kommission weit über Formalia hinaus. Sie deutet an, dass eine Veröffentlichung der Sitzungsdokumente die Implementierung von CETA insgesamt gefährden würde. Sie befürchtet, dass die zum Teil technischen Diskussionen in der Öffentlichkeit fehlinterpretiert werden. Das können wir uns nicht gefallen lassen: Es kann in einer Demokratie nicht die Aufgabe der Regierung sein, zu entscheiden, mit welchen Informationen die BürgerInnen verantwortungsvoll umgehen können. Und gerade wenn die Diskussionen in der Sitzung brisant sind, gehören sie in die Öffentlichkeit.
Befürchtungen gegen CETA erhärten sich
Schon die Inhalte der ersten Sitzungen und die Geheimniskrämerei, die die Kommission darum macht, bestätigen unsere Befürchtungen. Wenn die Ratifizierung des Abkommens nicht noch in einem EU-Mitgliedstaat scheitert, droht ein massiver Raubbau an Umwelt und Demokratie.
Insbesondere deuten die Tagesordnungen der ersten Sitzungen zu Pflanzenschutz, Landwirtschaft und Gentechnik darauf hin, dass Kanada, den gefahrenbasierten Ansatz in Zulassungsverfahren in Europa aufweichen will. Das ist ein weitreichender Angriff auf das Vorsorgeprinzip.
Auch wenn dafür Änderungen an Anhängen von CETA nicht ausreichen, ist es doch sehr bedenklich, dass diese Diskussionen ohne die Öffentlichkeit stattfinden. JournalistInnen, die Öffentlichkeit herstellen könnten, und Abgeordnete, die von den BürgerInnen gewählt wurden, sind außen vor.
Mit unserer Klage wollen wir daher für die Zukunft vorsorgen: Wenn CETA und weitere morderne Handelsabkommen wie JEFTA in Kraft treten, wird die „regulatorische Kooperation“ eine immer größere Rolle bei der Gestaltung der Politik in Europa spielen. Die Kommission muss öffentlich für die Positionen geradestehen, die sie darin vertritt.
Gleichzeitig stärkt unsere Beschäftigung mit der regulatorischen Kooperation während der vorläufigen Anwendung unsere Argumente in der Auseinandersetzung um die Ratifizierung von CETA im Bundestag und Bundesrat. Wir können damit auf die Gefahren durch das Abkommen und die Geheimniskrämerei in den neuen Gremien aufmerksam machen.
Wie geht es weiter?
Wir warten nun auf die Klageerwiderung der Kommission. Wahrscheinlich bekommen wir danach erneut die Gelegenheit, zu antworten. Wann es zu einer Verhandlung und am Ende Entscheidung kommt, ist nicht absehbar.
Das Verfahren kann lange dauern. Neben einer krachenden Niederlage für die Kommission oder einer weiteren Ablehnung unserer Anfrage kann es auch passieren, dass die Kommission am Ende Teile der angeforderten Dokumente herausgibt.»