Der neue Newsletter des Netzwerks Gerechter Welthandel bietet einen Überblick über die diversen Handelsabkommen der EU. Er beginnt mit einer Info zum Vertrag mit Singapur, der in letzter Zeit etwas aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwunden ist – uns aber demnächst noch beschäftigen wird.
Am Dienstag stimmt das Europäische Parlament über zwei Abkommen der EU mit Singapur ab: über das Handelsabkommen (EUSFTA) und über das Investitionsabkommen (EUSIPA). Während das Handelsabkommen nur noch auf EU-Ebene abgestimmt werden muss, bedarf das Investitionsabkommen auch der Zustimmung aller Parlamente der Mitgliedsstaaten.
EUSIPA ist seit CETA das erste Abkommen zum Investitionsschutz, das zur Abstimmung steht. Und es ist ebenso gefährlich! Die Paralleljustiz für Konzerne würde ausgeweitet, denn Singapur ist der wichtigste Handelspartner der EU in Südostasien; und die meisten in der Region tätigen europäischen Konzerne haben dort ihre Zentralen. Wenn das Abkommen in Kraft tritt, könnten neben singapurischen Firmen auch international tätige Konzerne mit Niederlassungen in Singapur den Investitionsschutz nutzen und vor internationalen Schiedsgerichten Schadensersatz fordern, wenn europäische Umwelt- und Sozialauflagen ihre Investitionen beeinträchtigen. Auch in Singapur sind alle skandalträchtigen Unternehmen zu finden, etwa die Energie- und Ölriesen.
Auch das Handelsabkommen EUSFTA ist höchst problematisch. Es enthält zwar Vorgaben zur Nachhaltigkeit – aber keinen Mechanismus, um diese auch effektiv umzusetzen. Das Abkommen würde voraussichtlich nichts daran ändern, dass Singapur zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert hat und trägt nicht dazu bei, die Rechte von Arbeitnehmer*innen durchzusetzen oder die Umwelt zu schützen.
Daher haben wir alle deutschen Europaabgeordneten dazu aufgefordert, diese beiden Abkommen zu stoppen! Unterstützt wird unsere Forderung von den über 300.000 Menschen, die in den letzten zwei Wochen bereits unsere Petition gegen Sonderklagerechte für Konzerne unterschrieben haben. Die Petition ist Teil der Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“, die am 22. Januar von über 150 Organisationen europaweit gestartet wurde (die taz berichtete). Wir wenden uns damit gegen das fundamentale Ungleichgewicht zwischen den Sonderrechten, die Konzernen verliehen werden, und der fehlenden Haftung von Konzernen für Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltschutz.
Um unserer Forderung nach einem Stopp von EUSIPA und dem Ende der privilegierten Sonderklagerechte weiteren Rückhalt zu verleihen, wollen wir bis zur Abstimmung am 12.2. möglichst viele weitere Unterschriften sammeln. Bitte helfen Sie uns dabei, indem Sie die Petition unterzeichnen und an Freunde und Freundinnen weiterleiten:
http://gerechter-welthandel.org/menschenrechte-schuetzen-konzernklagen-stoppen/
Unsere zehn wichtigsten Kritikpunkte an Konzernklagerechten haben wir in einem kurzen Blogbeitrag zusammengefasst.
Informationen zu weiteren aktuellen handels- und investitionspolitischen Ereignisse sowie Hinweise auf relevante Publikationen und Termine erhalten Sie in diesem Newsletter.
+ + + JEFTA ist in Kraft getreten + + +
Am 1. Februar ist das Handelsabkommen der EU mit Japan (JEFTA) in Kraft getreten. Bereits im Dezember hatte das EU-Parlament mit großer Mehrheit für das Abkommen gestimmt – das Abstimmungsverhalten der deutschen Europa-Abgeordneten können Sie weiterhin unserem Blogbeitrag entnehmen. Verhandlungen über ein spezielles Investitionsschutzabkommen mit Sonderklagerechten für Konzerne laufen noch.
Im Vorfeld der Abstimmung hatten zahlreiche Organisationen Kritik am Abkommen geäußert, unter anderem wegen der schwachen und nicht durchsetzungsfähigen Bestimmungen zu den Rechten der Beschäftigten und zur Nachhaltigkeit. Dass Japan nur zwei Wochen nach der Abstimmung angekündigt hat, sich aus der Internationalen Walfangkommission zurückzuziehen und den kommerziellen Walfang wieder aufzunehmen, zeigt, wie berechtigt die Kritik gewesen ist! Auch hat Japan bisher keine Schritte unternommen, die noch fehlende Ratifizierung von zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen nachzuholen.
Anlässlich des Inkrafttretens von JEFTA erklärte Matthias Flieder von Campact in einem Interview mit WDR 5, welche grundsätzlichen Probleme alle aktuellen Handelsabkommen aufweisen. Auch Attac wandte sich mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit und stellte klar: „JEFTA ist ein Abkommen von Konzernen für Konzerne.“ Und Greenpeace kommentierte: „Was die EU-Kommission bei Jefta als ‚höchste Standards‘ zu verkaufen versucht, schützt Umwelt und Arbeitnehmer etwa so sicher, wie Reiswaffeln vor Vitaminmangel.“
+ + + Urteil des EuGH zu CETA steht noch aus + + +
Auf Antrag Belgiens muss der Europäische Gerichtshof noch ein Gutachten zur Frage erstellen, ob die in CETA vorgesehenen Sonderklagerechte für Konzerne mit dem EU-Recht vereinbar sind. Ende Januar wurde der Schlussantrag des Generalanwalts hierzu veröffentlicht: Er hält die Klagerechte in dieser Hinsicht für unproblematisch. Ob der Europäische Gerichtshof dieser Einschätzung folgt, ist offen – das Gutachten wird erst in einigen Monaten erwartet. Über die Frage nach der Vereinbarkeit mit EU-Recht hinaus gibt es zahlreiche weitere Kritikpunkte am Investitionsschutz, unter anderem an den fatalen Auswirkungen auf Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutzmaßnahmen. Zu diesen Problemen äußert sich der EuGH nicht.
Anlässlich des Schlussantrags des Generalanwalts demonstrierten Bauern an der deutsch-belgischen Grenze mit über 20 Treckern für eine faire EU-Handelspolitik, die weltweit gerecht und klimaverträglich ist und gegen eine Neuauflage von TTIP. Fotos und Hintergründe der Aktion gibt es bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Und auf unserer Website.
Stellungnahmen zum Schlussantrag und Hintergründe zum EuGH-Verfahren gibt es in den Pressemitteilungen von Attac, Greenpeace und Mehr Demokratie.
+ + + TTIP reloaded + + +
Ende Januar veröffentlichte die EU-Kommission einen Fortschrittsbericht zum aktuellen Stand der Vorgespräche für ein EU-US-Handelsabkommen. Als einen Fortschritt bezeichnet die EU-Kommission den Anstieg der Sojabohnen-Importe aus den USA, die im Vergleich zum vergangenen Wirtschaftsjahr um 114 Prozent gestiegen sind. Da sie Sojabohnen kürzlich zur Erzeugung von Agrodiesel zugelassen hat, dürften die Importe noch weiter ansteigen. In den USA werden großflächig überwiegend gentechnisch veränderte Soja-Sorten angebaut, die in der Regel mit Glyphosat und/oder anderen umwelt- und gesundheitsgefährdenden Ackergifte besprüht werden.
Bereits Mitte Januar hat die EU-Kommission zwei Mandatsentwürfe für die offiziellen Verhandlungen mit den USA vorgelegt: Mit dem einen Mandat will sie ein Abkommen zu Zöllen auf Industriegütern aushandeln, mit dem anderen ein Abkommen zur Erleichterung der Konformitätsbewertung, das heißt zur Abschaffung von nicht-tarifären Handelshemmnissen. Beide Entwürfe wurden Ende letzter Woche im EU-Ministerrat diskutiert. Die EU sieht keine Verhandlungen im Landwirtschaftssektor vor, die amerikanische Agrarlobby und die US-Regierung drängen jedoch weiterhin darauf, auch über Landwirtschaft zu verhandeln. Brisant ist zudem: Die EU-Kommission will auf Folgenabschätzungen, die bei EU-Handelsverhandlungen Standard sind, verzichten. Und begründet dies mit der „politischen Notwendigkeit, zügige Verhandlungsfortschritte zu erreichen, um die Handelsspannungen zwischen EU und USA zu verringern“ – in anderen Worten: Um die angedrohte Erhebung Strafzöllen auf europäische Autos zu umgehen, ist die EU-Kommission bereit, beim Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitsschutz beide Augen zuzudrücken und die möglichen negativen Auswirkungen eines Handelsabkommens gar nicht erst zu untersuchen.
Derzeit beschäftigt sich das Europäische Parlament mit den Mandatsentwürfen. Das Europäische Parlament darf zwar diskutieren, aber nicht mit entscheiden. Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses und Berichterstatter des Europäischen Parlaments, sieht „keinerlei Grundlage für Verhandlungen“. Aus seiner Sicht würde ein eng gefasstes Abkommen eine Abkehr davon bedeuten, Arbeitnehmerrechte, Verbraucher- und Umweltschutzstandards verbindlich in Handelsabkommen zu verankern. Er will daher erreichen, dass sich das Europäische Parlament für die Ablehnung der Mandatsentwürfe ausspricht. Die (konservative) Europäische Volkspartei setzt sich hingegen für die Billigung der Mandate ein. Damit bricht die größte Fraktion im Europäischen Parlament mit der Entschließung des Parlaments vom Juli 2018, derzufolge keine Handelsabkommen mit Staaten geschlossen werden sollen, die das Pariser Klimaabkommen nicht ratifiziert und umgesetzt haben oder die – wie die USA – ihren Austritt aus dem Abkommen erklärt haben.
Ursprünglich sollten die Verhandlungsmandate auf einer der nächsten Ratssitzungen im Februar beschlossen werden; aufgrund der Diskussionen im Parlament wird dieser Termin vermutlich auf Mitte März verschoben. Dann wird sich zeigen, ob Bernd Langes Entschließungsantrag lediglich ein löblicher, aber ergebnisloser Sturm im Wasserglas war oder ob sich eine Mehrheit der MEPs gegen die Mandate ausspricht.
+ + + Deutschland will Investitionsschutzabkommen mit EU-Staaten beenden + + +
Mitte Januar haben die Regierungen von 15 EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, in einem Schreiben an die EU-Kommission erklärt, alle bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen EU-Mitgliedsstaaten beenden zu wollen. Hintergrund für die Erklärung ist das so genannte „Achmea-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes vom März letzten Jahres, demzufolge diese Abkommen nicht mit dem EU-Recht vereinbar sind. Insgesamt gibt es noch etwa 200 solcher Abkommen.
Die gemeinsame Absichtserklärung ist zu begrüßen und stellt auch einen Erfolg der zivilgesellschaftlichen Kritik an Sonderklagerechten für Konzerne dar. Nun kommt es jedoch darauf an, das Vorhaben konsequent und zügig in die Tat umzusetzen. Neben den Abkommen zwischen EU-Staaten sollte Deutschland außerdem auch alle weiteren Abkommen kündigen, die Sonderklagerechte für Konzerne beinhalten. Auch diese Forderung werden wir in den nächsten Monaten im Rahmen der Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“ in die Öffentlichkeit tragen.
+ + + Handelsabkommen EU-Mercosur + + +
Mittlerweile ist es 20 Jahre her, seit die EU Verhandlungen für ein Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay aufgenommen hat. Doch bis heute konnte keine Einigung bei den großen Streitpunkten wie Landwirtschaft und Autozölle erreicht werden. Anfang des Jahres hat in Brasilien der Ex-Militär Jair Bolsonaro das Präsidentenamt übernommen und setzt seine vielfältigen Ankündigungen, Menschenrechte mit Füßen zu treten und Klima- sowie Umweltschutz zu missachten, in die Tat um. Doch selbst unter diesen Bedingungen ist die die EU-Kommission fest entschlossen, die Verhandlungen unverändert fortzuführen und abzuschließen. Das zeigt, dass die aktuellen Handelsabkommen keinesfalls dem Zweck dienen, europäische Werte gegen nationale Abschottung und Protektionismus zu verteidigen. Vielmehr dienen sie einseitig den Interessen der Industrie und bezwecken die Erschließung und Ausweitung neuer Märkte für deutsche und europäische Konzerne. Auch die Fachexperten der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament haben die EU-Kommission in einem offenen Brief dazu aufgefordert, die Gespräche mit der aktuellen brasilianischen Regierung auszusetzen.
+ + + Veröffentlichungen + + +
Under Pressure: Mit Konzernklagen gegen Umweltschutz
Anhand zahlreicher aktueller Beispiele untersucht die Fallstudie die Auswirkungen von Konzernklagen auf Umweltgesetzgebung. Das so genannte ISDS-System (Investor State Dispute Settlement) gibt Investoren weitreichende Sonderrechte und verleiht ihnen Zugang zu einer Paralleljustiz, um ihre Interessen durchzusetzen. International tätige Konzerne haben dieses Instrument genutzt, um mit Schadensersatzforderungen von bis zu mehreren Milliarden Euro zu drohen, wenn Regierungen gegen ihre Interessen gehandelt haben. Dass dies vor allem den Umweltsektor betrifft, wird in unserer Studie deutlich.
Herausgegeben von PowerShift e.V. zusammen mit dem Forum Umwelt und Entwicklung, Campact, BUND, AbL und Attac https://power-shift.de/under-pressure-mit-konzernklagen-gegen-umweltschutz/
Flyer „Fahrt aufnehmen für global gerechten Welthandel ohne Hunger“
Auch in diesem Jahr unterstützten das Netzwerk Gerechter Welthandel und viele Mitgliedsorganisationen die „Wir haben es satt!“-Demonstration, die am 19. Januar in Berlin stattfand. Denn die Handelsabkommen der EU tragen maßgeblich zur Zerstörung von lokalen Märkten und der Existenzgrundlage von Kleinbauern und -bäuerinnen insbesondere im globalen Süden bei. Unser Flyer zur Demo kann für eigene Infotische heruntergeladen oder bestellt werden unter https://www.gerechter-welthandel.org/material/landwirtschaft-und-verbraucherschutz/ .
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