Alle sechs bis acht Wochen veröffentlicht das bundesweite Netzwerk Gerechter Welthandel einen Überblick über die jüngsten Entwicklungen, die aktuellen Kampagnen und die neuesten Veröffentlichungen. Dieses Mal: Beiträge zum CETA-Urteil des EuGHs, zur Kampagne an die Adresse der Grünen, zu TTIP 2.0. und zum Mercosur-Abkommen.
Ende April veröffentlichte der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein lange erwartetes Gutachten zum EU-Kanada-Abkommen CETA. Der EuGH musste die Frage beantworten, ob die in CETA vorgesehene Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit (ICS bzw. ISDS) mit dem EU-Recht vereinbar ist. Der Gerichtshof beantwortete die Frage mit „Ja“ und hat damit den Weg freigemacht für Sonderklagerechte für Konzerne.
Damit steht fest: Wenn die Parlamente aller EU-Mitgliedsstaaten CETA ratifiziert haben, können in Kanada ansässige Konzerne EU-Staaten auf Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe verklagen, wenn sie ihre Profite durch Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher*innen oder der Umwelt gefährdet sehen. Umgekehrt können europäische Konzerne auch Kanada verklagen.
Als Netzwerk Gerechter Welthandel enttäuscht uns das Urteil des EuGH sehr, wir lassen uns davon jedoch von unserem Einsatz gegen neoliberale Handelsabkommen, gegen Sonderklagerechte für Konzerne und gegen die Ratifizierung von CETA nicht abbringen. Denn einerseits sind die juristischen Fragen zur Schiedsgerichtsbarkeit noch nicht restlos geklärt, andererseits enthält das Abkommen zahlreiche weitere problematische Inhalte. Bis zur vollständigen Ratifizierung des Abkommens sind noch einige Hürden zu überwinden – diese wollen wir für unseren Gegenwind nutzen!
Weitere Informationen zur EuGH-Entscheidung sowie zu weiteren aktuellen handels- und investitionspolitischen Ereignisse sowie Hinweise auf relevante Publikationen und Termine erhalten Sie in diesem Newsletter.
+ + + CETA bleibt eine Gefahr für Umwelt- und Verbraucherschutz, Sozialstandards und Demokratie + + +
Mit seinem Urteil vom 30. April hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Weg freigemacht für Sonderklagerechte von Konzernen in EU-Handelsabkommen, die dem Streitschlichtungsmechanismus im CETA-Abkommen (ICS) entsprechen. Doch damit ist unsere Kritik an dieser Paralleljustiz sowie an CETA keineswegs überflüssig geworden. Denn CETA ist und bleibt ein schlechtes Abkommen, wie wir in unserer Pressemitteilung darlegten: Es schränkt den Handlungsspielraum von Kommunen ein und gefährdet die öffentliche Daseinsvorsorge. Es schützt das Vorsorgeprinzip nur unzureichend und genügt nicht den Ansprüchen an ein nachhaltiges Abkommen, das Umwelt- und Klimaschutz vorantreibt und Menschenrechte respektiert. Kurzum: „Da können nur Investoren jubeln“, schrieb Alessa Hartmann von PowerShift in einem Gastbeitrag in der taz.
„Nicht alles was legal ist, ist auch gut“, kommentierte das Umweltinstitut München die Entscheidung des EuGH. Und Roman Huber, Bundesvorstand von Mehr Demokratie, wies darauf hin, dass „nach der juristischen Entscheidung die Politik wieder am Zuge“ ist: „CETA muss noch in 16 Mitgliedstaaten ratifiziert werden. In Deutschland steht außerdem noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus.“
Die NaturFreunde Deutschlands appellieren insbesondere an die Grünen und Linken, die die Proteste gegen TTIP und CETA in der Vergangenheit immer unterstützt haben: „In den nächsten Monaten und Jahren geht es darum, die Ratifizierung von CETA im Deutschen Bundestag und im Bundesrat zu verhindern. Von den Bundesländern, in denen Grüne und Linke mitregieren, erwarten die NaturFreunde Deutschlands, dass sie im Bundesrat einer CETA-Ratifizierung nicht zustimmen werden.“
Auch für die juristischen Diskussionen über die Zukunft des Investitionsschutzes ist die Entscheidung des EuGH von großer Bedeutung. Das Gutachten „stärkt […] die Bemühungen der EU-Kommission, einen Multilateralen Investitionsgerichtshof auf globaler Ebene zu etablieren und bestätigt die Kommission in ihrem Ansatz, in CETA den ‚Golden Standard‘ zu sehen“, schrieb der Völkerrechtler Markus Krajewski in seinem Beitrag im Verfassungsblog. Mit dem Gutachten gibt der EuGH demnach nicht nur seinen Segen für CETA, sondern auch für die Ausweitung des EU-Investitionsschutzregimes durch die Errichtung eines globalen Investitionsgerichtshofes. Diese Ausweitung gilt es jedoch zu verhindern! Wir brauchen nicht mehr Sonderrechte und mehr Zugänge zu einer Paralleljustiz für Konzerne, sondern ein globales System, das Konzerne in die Pflicht nimmt und stattdessen Mensch und Umwelt schützt.
In den nächsten Monaten werden wir daher unsere Aktivitäten zur Kampagne „Menschenrechte schützen – Konzernklagen stoppen!“ intensivieren. Über 560.000 Menschen haben bereits die Petition unterschrieben – helfen Sie mit, dass wir vor den EU-Wahlen 600.000 Unterschriften erreichen! Anregungen und Ideen, wie Sie über die Online-Petition hinaus in der Kampagne aktiv werden und sich gegen Sonderklagerechte für Konzerne engagieren können, finden Sie in einem aktuellen Blog-Beitrag.
+ + + Appell an die hessischen Grünen: Nein zu CETA! + + +
Am letzten Samstag trafen sich die hessischen Grünen zur Landesmitgliederversammlung in Frankfurt. Die hessischen Bündnisse im Netzwerk Gerechter Welthandel waren gemeinsam mit Greenpeace vor Ort und erinnerten mit einem Offenen Brief und Bannern daran, dass es – neben den Sonderklagerechten für Konzerne – noch zahlreiche gute und wichtige Gründe gibt, CETA abzulehnen.
Auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung standen zwei Anträge zu CETA: Der eine rechtfertigte den bisherigen Schlingerkurs „Nein zu CETA, aber kein Nein zu CETA im Bundesrat“, der andere Antrag forderte Gespräche mit dem Koalitionspartner CDU ein, um eine Enthaltung im Bundesrat zu erreichen. Trotz eindeutiger Appelle im Saal „Echte Grüne würden Gen-Lachs stoppen! Nein zu CETA!“ und der persönlichen Aufforderung an den grünen hessischen Wirtschaftsminister „Tarek, bleib grün!“ stimmte die eindeutige Mehrheit der Mitgliederversammlung dafür, als „verlässliche Partei“ den im Koalitionsvertrag mit der CDU festgelegten Kurs nicht zu verlassen. Es ist also davon auszugehen, dass die hessischen Grünen das Abkommen im Bundesrat nicht scheitern lassen. Die Frankfurter Rundschau berichtete über die Mitgliederversammlung und die Proteste gegen CETA.
Alle Informationen zum Offenen Brief der lokalen Bündnisse und Initiativen gibt es unter www.ceta-im-bundesrat.de. In Kürze wird es dort auch für weitere Gruppen und Einzelpersonen möglich sein, den Offenen Brief online zu unterstützen.
+ + + Wahlprüfsteine zur Europawahl + + +
Schon Ende nächster Woche wird das neue EU-Parlament gewählt. Welche Handels- und Investitionspolitik ist von den Parteien und Kandidat*innen in der kommenden Legislaturperiode zu erwarten? Welche Partei steht für ein „Weiter so“ der neoliberalen Globalisierung, welche Partei setzt sich für einen global gerechten und solidarischen Welthandel ein? Wir haben nachgefragt und die Antworten der Parteien auf unserer Webseite veröffentlicht.
Wer sich dafür einsetzen will, dass der Einfluss von Konzernen in der EU-Politik – beispielsweise beim Aushandeln von Handelsabkommen – zurückgeht und stattdessen die Zivilgesellschaft gestärkt wird, kann sich an der aktuellen Kampagne „Europa nicht den Konzernen überlassen!“ von LobbyControl beteiligen.
+ + + Verfassungsbeschwerde gegen EU-Singapur + + +
Ein Bündnis aus Mehr Demokratie, Campact und foodwatch reichte gestern eine Verfassungsbeschwerde gegen das EU-Singapur-Handelsabkommen (EUSFTA) ein. 13.303 Bürgerinnen und Bürger hatten sich der Verfassungsbeschwerde unter dem Motto „Für demokratische Handelsabkommen: Stop EU Only!“ angeschlossen. Denn mit dem Abschluss dieses Abkommens ohne die Beteiligung der Parlamente der Mitgliedstaaten überschreitet die Europäische Union ihre Zuständigkeiten. Denn die EU setzt darin ein Ausschuss-System ein, so genannte Vertragsgremien. Diese werden völkerrechtlich bindende Beschlüsse fassen – ohne parlamentarische Kontrolle und damit an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei. Das EU-Singapur-Abkommen steht dabei exemplarisch für eine neue Art der Freihandelsabkommen, an denen der Bundestag nicht beteiligt ist. Solche demokratisch nicht-legitimierten Handelsabkommen bestimmen maßgeblich unser Leben mit, sei es bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln oder der Liberalisierung von Dienstleistungen.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich keineswegs „gegen die Europäische Union und auch nicht gegen internationalen Handel“, sagte Roman Huber, Bundesvorstand von Mehr Demokratie, in der gemeinsamen Pressemitteilung. „Gerade weil wir für Europa sind, kritisieren wir die neuen europäischen Handelsverträge“, so Thilo Bode, Geschäftsführer von foodwatch International. Denn diese Abkommen „sind ein Türöffner für einen noch stärkeren Einfluss von Konzerninteressen auf die Politik in Europa – zum Nachteil von Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz“.
Nun muss das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe prüfen, ob „EU only“ mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist. Weitere Infos sowie Links zur Verfassungsbeschwerde und Hintergrundinformationen gibt es unter www.verfassungsbeschwerde.eu.
+ + + TTIP reloaded + + +
Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit fanden letzte Woche Gespräche für ein neues Handelsabkommen der EU mit den USA statt. Grundlage dafür sind zwei Verhandlungsmandate, die der EU-Ministerrat Mitte April verabschiedet hat. Zum ersten Mal in der Geschichte der EU-Handelspolitik wurde die Zustimmung zu den Mandaten nicht im Konsens erreicht, sondern per Mehrheitsbeschluss gegen die Stimme Frankreichs durchgesetzt (Belgien hat sich enthalten). Ein deutliches Zeichen dafür, dass es sich bei TTIP 2.0 um ein umkämpftes Projekt handelt! Frankreich befürchtet unter anderem den Einbezug der Landwirtschaft in die Verhandlungen und damit vor der Wahl zum EU-Parlament das Wiederaufflammen der Diskussionen um Chlorhühnchen, Hormonfleisch & Co. Der Landwirtschaftsbereich ist zwar von den aktuellen EU-Mandaten nicht abgedeckt; könnte jedoch jederzeit über das alte TTIP-Mandat wieder auf dem Verhandlungstisch landen. Dass diese Befürchtung alles andere als aus der Luft gegriffen ist, bestätigte erst kürzlich Gordon Sondland, der US-Botschafter bei der EU: Ein Handelsabkommen der EU mit den USA werde nur unter Einbezug der Landwirtschaft zustande kommen, sagte er nach Informationen des Nachrichtenportal Euractiv.
Auch aus zivilgesellschaftlicher Perspektive gibt es deutliche Kritik an den aktuellen Verhandlungen. Zwölf Organisationen, darunter Attac, BUND, Campact und Greenpeace, hatten bereits Anfang April einen Offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Altmaier veröffentlicht. Darin forderten sie, die Verhandlungsmandate der EU-Kommission abzulehnen und „in Deutschland einen breiten Prozess zu gestalten, ob und unter welchen Bedingungen sowie mit welchen Inhalten Verhandlungen mit den USA geführt werden sollen“.
Doch offensichtlich haben Bundesregierung und EU-Kommission aus den Protesten gegen intransparente Handelsverhandlungen wenig gelernt: Die Arbeitsgruppe, die die aktuellen Verhandlungen vorbereitete, arbeitete im Geheimen; selbst Informationen über ihre Mitglieder wurden nicht veröffentlicht. Nach Informationen von LobbyControl ist bei den Verhandlungen zur regulatorischen Kooperation zudem unklar, auf der Basis welchen Mandates sie überhaupt stattfinden. Mehr Informationen zur „skandalösen Intransparenz“ sowie der Kritik an regulatorischer Kooperation in Handelsabkommen gibt es im Blogbeitrag von LobbyControl.
+ + + Mercosur + + +
Diese Woche fanden weitere technische Verhandlungen zum geplanten Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay statt. Aus Sicht der EU-Kommission ist ein politischer Abschluss der Verhandlungen noch während der Amtszeit der Handelskommissarin bis Ende Oktober möglich. Auch die Bundesregierung unterstützt die Verhandlungen weiterhin. Dabei hält die brasilianische Regierung „an ihren Plänen zur weiteren Entwaldung des Amazonas, der Missachtung von Indigenen-Rechten, der Absenkung von Umweltstandards in der Landwirtschaft und im Bergbau sowie der Kündigung des Klimaabkommens“ fest, wie Markus Wolter (Misereor) und Tobias Reichert (Germanwatch) in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau darlegen. Unter diesen Bedingungen halten sie den Abschluss eines Handelsabkommens mit Mercosur für „unverantwortlich“.
Auch die Wissenschaft hat sich mittlerweile zu Wort gemeldet: Über 600 europäische Wissenschaftler*innen veröffentlichten, gemeinsam mit zwei großen Dachverbänden der brasilianischen indigenen Bevölkerung, einen Brief im Fachmagazin Science. Darin rufen sie dazu auf, den Schutz der Umwelt und von Menschenrechten in dem Abkommen sicherzustellen. Die EU solle das Mercosur-Abkommen nur abschließen, wenn Brasilien die Rechte der indigenen Bevölkerung respektiert und gemeinsam mit ihr strenge Sozial- und Umweltstandards für Handelsgüter definiert.
+ + + Veröffentlichungen + + +
Videoclips zu Menschenrechtsverletzungen in der globalisierten Wirtschaft
Im April 2013 starben beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch 1135 Menschen. Die Fabrikbetreiber hatten die Angestellten gezwungen, die Arbeit aufzunehmen, obwohl am Vortag gefährliche Risse in den Mauern festgestellt worden waren. Der Name Rana Plaza steht seitdem stellvertretend für viele Menschenrechtsverletzungen in der Weltwirtschaft, von denen die meisten jedoch kaum in den Fokus der Medienöffentlichkeit geraten. Attac hat mehrere Videoclips produziert. Sie unterstreichen die Forderung, Menschenrechte entlang der gesamten Lieferkette durchsetzbar zu machen.
Die Videoclips sind zu sehen unter
https://youtu.be/W2kUQUQWgpA (Textilindustrie)
https://youtu.be/zRp6457BWgM (Kohleverstromung)
https://youtu.be/DkhGBM4wDFM (Palmöl)
FactSheet – Mit Konzernklagen gegen Umweltschutz
Handelspolitik und Umweltschutz hängen zusammen! Das FactSheet von BUND, attac, dem Forum Umwelt und Entwicklung und PowerShift bietet einen Überblick über die aktuellen Daten und Fakten zu ISDS-Klagen mit Bezug zu Umwelt. Es zeigt außerdem anhand einiger Beispiele die negativen Auswirkungen von Konzernklagerechten auf den Umweltschutz. Besonders deutlich wird dies im Fall Chevron gegen Ecuador: Chevron hat im Amazonasgebiet in Ecuador eines der schlimmsten Umweltkatastrophen verursacht. Gegen die Zahlungen, die das Unternehmen für die Säuberung der Umwelt leisten sollte, klagte Chevron erfolgreich vor einem Schiedsgericht! Am 21. Mai, dem 6ten Globalen Anti-Chevron-Tag, werden wieder weltweit tausende Menschen gegen das Öl-Unternehmen Chevron protestiert.
Das FactSheet steht hier zum Download bereit: https://power-shift.de/wp-content/uploads/2019/05/Mit-Konzernklagen-gegen-Umweltschutz-web.pdf Oder bestellen sie die Druckversion mit einer Email an jeremy.oestreich@power-shift.de
10 Dinge, die du über ISDS wissen solltest
Das aktuelle Flugblatt bietet eine allgemeinverständliche, knappe und präzise Erklärung der zehn wichtigsten Punkte, die man über Investor-Staat-Schiedsverfahren wissen sollte.
Herausgegeben von PowerShift e.V. und Forum Umwelt und Entwicklung. Download unter https://power-shift.de/wp-content/uploads/2019/01/10-Dinge-die-du-%C3%BCber-ISDS-wissen-solltest-Webversion.pdf