Vor rund zwei Jahren trat das Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada, CETA, zu großen Teilen vorläufig in Kraft. Das Netzwerk Gerechter Welthandel blickt zurück stellt fest: Das Abkommen hat den Klimaschutz nicht verbessert und wird das auch weiterhin nicht tun. Die Art und Weise, wie Klimaschutz im Abkommen (nicht) behandelt wird, ist peinlich und alles andere als wegweisend.
Als CETA am 30. Oktober 2016 unterzeichnet wurde, atmeten alle Beteiligten auf. Hektische Tage lagen hinter ihnen, doch schlussendlich gab auch die belgische Region Wallonien ihren Widerstand gegen das Abkommen auf. So konnte Robert Fico, zu dem Zeitpunkt amtierender EU-Ratspräsident und slowakischer Ministerpräsident, verlautbaren, was bei solchen Anlässen immer verlautbart wird:
„Dieses Abkommen ist ein Meilenstein in der Geschichte der EU-Handelspolitik und spiegelt unser Bekenntnis zu dieser Politik wider… Das CETA ist ein modernes, fortschrittliches Abkommen, das neue Chancen eröffnet, gleichzeitig aber wichtige Interessen schützt. Überdies kann es wegweisend für künftige Handelsabkommen sein.“
Was nicht aufatmen konnte, war das Klima. Zwar war das Pariser Klimaschutzabkommen bereits zehn Monate zuvor beschlossen worden, und sowohl Kanada als auch die EU hatten es ratifiziert, als CETA unterzeichnet wurde. Doch die Bezüge, die CETA zum Klimaschutz herstellt, waren weder „Meilensteine“ noch „wegweisend“, sondern verdienen eher das Prädikat „Peinlichkeit“. Die CETA-Kapitel 22 (Handel und nachhaltige Entwicklung) sowie 24 (Umwelt) enthalten keine konkreten Aussagen zum Klimaschutz und weisen nicht auf das Pariser Abkommen hin. Am Konkretesten wird noch Artikel 24.12, der die Zusammenarbeit in Umweltfragen regelt – beispielsweise bei handelsbezogenen Aspekten des Klimaschutzes, bei Kohlenstoffmärkten oder der Entwicklung klimafreundlicher Technologien. Dieser Artikel beginnt mit der Feststellung:
„Die Vertragsparteien erkennen an, dass es gilt, verstärkt zusammenzuarbeiten, um die Verwirklichung der Ziele dieses Kapitels voranzutreiben, und sie verpflichten sich, in handelsbezogenen Umweltfragen von gemeinsamem Interesse zusammenzuarbeiten.“
Konkrete Verpflichtungen zu Klimaschutzmaßnahmen? Fehlanzeige. Und selbst wenn die Vertragsparteien das absolute Minimum der „verstärkten Zusammenarbeit“ verweigern, drohen keinerlei Sanktionen. Sind das die Worte, die wir uns unter ambitioniertem Klimaschutz vorstellen?
Chance zur Konkretisierung nicht genutzt
Aufgrund der massiven Kritik an den Unzulänglichkeiten des Abkommens war dem CETA-Text kurz vor der Unterzeichnung noch ein zusätzliches „Gemeinsames Auslegungsinstrument“ zur Seite gestellt worden. Doch auch hier wurde die Chance verpasst, den vagen Aussagen konkrete handelsbezogene Klimaschutzmaßnahmen gegenüber zu setzen. Stattdessen ist dort lediglich folgende Formulierung zu finden:
„Das CETA … umfasst ferner Verpflichtungen zur Zusammenarbeit bei handelsbezogenen Umweltfragen von gemeinsamem Interesse wie Klimawandel, wo die Umsetzung des Übereinkommens von Paris eine wichtige gemeinsame Verantwortung für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten und Kanada darstellen wird.“
Am 21. September 2017 trat CETA dann zu großen Teilen vorläufig in Kraft. Ausgeschlossen von der vorläufigen Anwendung bleiben die Artikel, die Investoren Sonderklagerechte gegen Staaten ermöglichen, sowie einige weitere Bestimmungen unter anderem zu Finanzdienstleistungen, Geistigem Eigentum und Transparenz. Diese treten erst in Kraft, wenn die Parlamente aller EU-Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifiziert haben. Bisher haben 13 Länder (einschließlich Großbritannien) diesen Schritt unternommen. Zuletzt stimmte Frankreichs Nationalversammlungim Juli 2019 nach einer hochkontroversen Debatte dem Abkommen mit einer Mehrheit von 266 Ja- zu 213 Nein-Stimmen zu. Ministerpräsident Emmanuel Macron, der sich gerne als Klima-Rebell zeigt, setzte sich für die Zustimmung ein, 61 Abgeordnete seiner Partei „La République en Marche“ folgten dieser Vorgabe jedoch nicht. Auch die zweite Kammer, der französische Senat, muss CETA noch grünes Licht geben.
Für die Ratifizierung in Deutschland müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat ihre Zustimmung erteilen. Das Bundeswirtschaftsministerium könnte den Ratifizierungsprozess jederzeit starten; vermutlich wird es jedoch die noch laufenden Verfahren zu CETA vor dem Bundesverfassungsgericht abwarten.
Ein Jahr vorläufige Anwendung von CETA – Klimaschutz Fehlanzeige
Nach einem Jahr vorläufiger Anwendung des CETA-Abkommens stellten die französischen Organisationen Veblen Institute for Economic Reforms und Fondation pour la Nature et l’Homme eine negative Bilanz aus: „Es ist ganz klar zu sehen, dass ein Jahr später keine der wesentlichen Verpflichtungen aus dem von der Regierung angekündigten CETA-Aktionsplan erfüllt wurde. In der Tat gibt es im CETA-Abkommen weder ein Klima-Veto noch einen verbindlichen Abschnitt über nachhaltige Entwicklung. Das gleiche gilt übrigens für die CETA-Klone: das JEFTA-Abkommen mit Japan, sowie die Abkommen mit dem Mercosur und Indonesien“, kritisieren sie im September 2018 in einem gemeinsamen Bericht.[1]
Zwei Jahre vorläufige Anwendung von CETA: weiterhin „Empfehlungen“ und warme Worte
Am 26. September 2018 verabschiedete der Gemeinsame CETA-Ausschuss eine Empfehlung zu Handel, Klimaschutz und dem Pariser Abkommen. Darin wiederholt er im Wesentlichen die Verpflichtungen, die die EU und Kanada im Pariser Abkommen eingegangen sind und „empfiehlt eine Zusammenarbeit“, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Vermutlich sollte die Empfehlung die Peinlichkeit bereinigen, dass ein Handelsabkommen, das nach dem Pariser Klimaschutzabkommen finalisiert wurde, keinerlei Bezüge darauf enthält – doch es erreicht das Gegenteil. Auch hier werden keine konkreten Maßnahmen benannt, um beispielsweise die mit dem globalen Handel einhergehenden Emissionen zu reduzieren, den Handels mit schmutzigen Energieträgern zu begrenzen oder den Handel mit erneuerbaren Energien zu fördern.
Auch die im Januar 2019 von der Generaldirektion Energie, Klimawandel, Umwelt der EU-Kommission zusammen mit der Kanadischen Regierung durchgeführte Konferenz „CETA: Taking Action for Trade and Climate“ führte diese Linie von Peinlichkeiten fort. Die Konferenz wurde mit vielversprechenden Worten bedacht. Demnach könne Handelspolitik „die Bemühungen der Länder zur Bekämpfung des Klimawandels unterstützen“, und CETA biete „einen Rahmen, der sowohl Handel als auch Klimaschutz fördert“ sowie „eine einzigartige Gelegenheit, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Kanada und der EU zu stärken und gleichzeitig die Handelsbeziehungen mit klimafreundlichen Waren, Technologien und Dienstleistungen zu vertiefen“. Auf der Konferenz sollte untersucht werden, „wie der institutionelle und rechtliche Rahmen von CETA optimal genutzt werden kann, um weitere gemeinsame Maßnahmen zur Unterstützung der Umsetzung des Pariser Abkommens zu fördern.“
Doch welche konkreten Maßnahmen wurden auf der Konferenz diskutiert und wie wurden sie bewertet? Wer nahm daran teil, wer sprach zu welchem Thema? Diese Informationen sind auch Monate später nicht auf den Webseiten der EU-Kommission oder der Kanadischen Regierung verfügbar – ganz zu schweigen von einem Bericht über die Ergebnisse der Konferenz und die daraus folgenden konkreten Handlungsschritte.
Weiterhin schlechte Aussichten fürs Klima
Sowohl Kanada als auch die EU machen beim Klimaschutz übrigens eine schlechte Figur. Kanada ist einer der größten Treibhausgasproduzenten weltweit und landet beim Klimaschutz-Index 2019, der die Klimaschutzleistungen der Staaten mit dem höchsten CO2-Ausstoß bewertet, lediglich auf Platz 54 von 60. Die EU steht mit Platz 16 auch nicht dort, wo sie sich gerne sehen würde, in der Gruppe der Länder mit sehr hohen Klimaschutzanstrengungen. CETA wird in beiden Fällen nicht dafür sorgen, dass die Länder auf der Indexliste nach oben kommen. Dass für Kanada der Klimaschutz zumindest in Handelsverhandlungen keine Priorität hat, zeigt auch das Beispiel des so genannten NAFTA 2.0-Abkommens zwischen USA, Mexiko und Kanada. Der Text des noch nicht ratifizierten Abkommens enthält weder im Kapitel 24 noch an anderen Stelle einen Verweis auf Klimaschutz.
Zwei Jahre nach der vorläufigen Anwendung von großen Teilen des EU-Kanada-Abkommens müssen wir also feststellen: CETA wurde im Windschatten des Pariser Klimaschutzabkommens verhandelt, enthielt aber dennoch keine Referenz zu den Beschlüssen von Paris. Auch im „gemeinsamen Auslegungsinstrument“ wurden diese Beschlüsse nur ein einziges Mal am Rande erwähnt. Erst ein Jahr nach der vorläufigen Anwendung veröffentlichte der Gemeinsame CETA-Ausschuss eine Empfehlung zum Klimaschutz – und auch diese enthält keinerlei Durchsetzungsmechanismus. Sie wiederholt im Wesentlichen die Verpflichtungen, die die EU und Kanada ohnehin schon eingegangen sind, ohne konkrete Vorhaben und Maßnahmen zu ergänzen und im Falle von Verstößen Sanktionen anzudrohen.
Wenn CETA vollständig ratifiziert wird, wird es zudem Sonderklagerechte für Konzerne vor internationalen Schiedsgerichten ermöglichen: Ein ausländischer Investor, der seine Gewinne beispielsweise durch die Einführung neuer Klimaschutzregulierungen bedroht sieht, kann dann vom betreffenden Vertragsstaat „Entschädigungszahlungen“ in horrender Höhe verlangen. Dies ist eine massive zusätzliche Bedrohung für effektiven Klimaschutz. Daher gilt es, CETA noch zu verhindern! In Deutschland ist dies durch Bundestag oder Bundesrat noch möglich.
Fußnote:
[1] Französiche Originalquelle: http://www.fondation-nature-homme.org/sites/default/files/presse/cp_ceta_19-09-2018.pdf