Die EU will einen Gerichtshof für Investorenklagen. Das würde die Klageprivilegien der Konzerne festigen, sagt Pia Eberhardt von der NGO Corporate Europe Observatory (CEO) im Gespräch mit der taz, das am 13. Oktober erschien.
taz: Frau Eberhardt, ab Montag berät die UN-Handelskommission über die Reform der Schiedsgerichte, vor denen Investoren Staaten wegen politischer Entscheidungen auf Schadenersatz verklagen können. Ist das ein später Erfolg der Stopp-TTIP-Bewegung, die diese Klageprivilegien für Konzerne in die Öffentlichkeit getragen hat?
Pia Eberhardt: Ja. Dass die Verhandlungen stattfinden, ist dem Druck der Straße und der Debatte in der Öffentlichkeit und den Parlamenten zu verdanken. Es zeichnet sich aber ab, dass sie in die falsche Richtung gehen.
Als Reaktion auf die Proteste hat der damalige SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel einen internationalen Investitionsgerichtshof vorgeschlagen. Die EU hat sich den Vorschlag zu eigen gemacht. Wäre das eine gute Lösung?
Das ist ein Wolf im Schafspelz. Der Vorschlag bedeutet zum bestehenden Schiedsgerichtssystem einige Verbesserungen, aber es ist eine Festschreibung der Paralleljustiz für Konzerne. Das System, das sich dahinter verbirgt, ist das gleiche, gegen das die Menschen zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen sind. Es gibt auch damit Angriffe auf Umweltgesetze oder verbraucherpolitische Maßnahmen. Wie die Chancen für diesen Vorschlag aussehen, ist schwer einzuschätzen. Die USA und Japan zum Beispiel lehnen ihn ab.
Was wäre eine bessere Alternative?
Die Alternative ist das Ende der Parallelgerichtsbarkeit. In Europa haben wir die unabhängigsten Gerichte der Welt. Vor die müssen Sie und ich ziehen, wenn wir ein Problem haben mit einer staatlichen Regulierung. Warum sollten wir die mächtigsten Akteure unserer Gesellschaft, reiche Investoren, aus dieser Rechtsordnung herausnehmen und ihnen Sonderklagerechte geben?
Welche Rolle spielen die Entwicklungsländer in dem Reformprozess?
Länder wie Brasilien, Indien und afrikanische Länder wie Südafrika, Marokko oder Nigeria haben in den vergangenen Jahren versucht, in ihren Investitionsschutzverträgen etwas zu verändern. Sie wollen den Spielraum für nationale Regulierungen im öffentlichen Interesse erweitern, Investoren in die Pflicht nehmen und ihnen nicht nur Rechte geben. Diese Ideen bringen die Länder in den aktuellen Reformprozess ein. Allerdings ist das für sie nicht leicht. Das Sekretariat der UN-Handelskommission drängt darauf, vor allem das Prozedere der Schiedsgerichtsverfahren zu verändern. Viel wird davon abhängen, ob es den Entwicklungsländern gelingt, gemeinsam an einem Strang zu ziehen.
Welchen Ausgang der Verhandlungen erwarten Sie?
Zu befürchten sind zwei Szenarien: Der multilaterale Investitionsgerichtshof setzt sich durch oder der Status quo wird mit wenigen Korrekturen erhalten. Dann hätten die großen Fragen nach Sinn und Unsinn der Schiedsgerichtsbarkeit keinen Platz mehr. Damit würde ein umkämpftes Regime, aus dem immer mehr Staaten aussteigen, legitimiert. Das Möglichkeitsfenster für tatsächliche Veränderungen auf globaler Ebene wäre geschlossen.