Wie geht es weiter mit TTIP? Um Zollerhöhungen für europäische Autoexporte in die USA zu vermeiden, will die EU den USA entgegenkommen. Die EU-Kommission und die US-Administration verhandeln deshalb über eine „Light-Version“ von TTIP, also TTIP 2.0. Konkret sollen ein Zollsenkungs-abgekommen und ein sogenanntes Konformitätsbewertungsabkommen entstehen. Dabei soll der Handel erleichtert werden, indem Standards und Sicherheit von Produkten beider Märkte wechselseitig akzeptiert werden. Das hört sich gut an. Oder?
Um Genaueres herauszufinden, haben die Arbeiterkammer Wien und die Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) den Bericht „Schutzstandards wegverhandeln“ herausgegeben. Er enthüllt eine Reihe gravierender Risiken, die mit den Deals über regulatorische Zusammenarbeit und Konformitätsbewertungen einhergehen könnten.
Die Forderungen der Unternehmensverbände aus den USA und der EU nach einem „Abbau administrativer Handelshemmnisse“ lassen befürchten, dass ArbeitnehmerInnen-, Gesundheits-, KonsumentInnen- und Umweltschutz untergraben werden.
Die wichtigsten Eckpunkte des Berichts:
Die USA attackierten bereits vor den ersten TTIP-Verhandlungen, die auf großen Widerstand gestossen sind (und dann auf Eis gelegt wurden), das in der EU vorherrschende Vorsorgeprinzip bei Chemikalien, Pestiziden und Lebensmittelsicherheit. Die EU hat nun einen neuen Versuch gestartet, Handelsabkommen mit den USA zu verhandeln. Beim Kommissionsvorschlag über ein Konformitätsbewertungsabkommen geht es um die Zulassung ihrer Produkte auf dem US-Markt.
Ziel ist es unter anderen, dass Unternehmen die Konformität mit den Zulassungsbestimmungen im Zielland (USA bzw. EU) selbst bestätigen, ohne dass nationale Behörden unnötig kontrollieren müssen. Dies würde den exportorientierten Industrien auf beiden Seiten Zeit und Geld sparen und damit den Handel wesentlich erleichtern.
„Unnötige Zulassungs- und Prüfverfahren“ bei Spielzeug oder medizinischen Geräten
Das – so der Bericht – könnte zu ernsthaften Problemen bei der Zulassung zum Beispiel von medizinischen Geräten, Spielzeug und elektrischen Geräten führen. Es ist besorgniserregend, dass Skandale, wie die Zulassung gesundheitsschädigender Brustimplantate in Europa, die EU nicht daran hindern, ihr fehlerhaftes System der Produktzulassung in die USA zu exportieren. Die gegenwärtig auf beiden Seiten des Atlantiks vorgenommenen Zulassungs- und Prüfverfahren würden dann auf dem Spiel stehen. Der Emissionsbetrug durch deutsche Autohersteller (Dieselgate-Skandal) wäre nicht aufgeflogen, hätten ihn die US-Behörden nicht aufgedeckt. Die EU- bzw. nationalen Behörden hatten versagt.
Politik und Industrie machen Druck
Obwohl die Verhandlungen nicht so umfassend sind wie jene über TTIP, müssen sie genau beobachtet werden. Die EU-Kommission steht nicht nur unter dem Einfluss der Unternehmenslobbys, sondern auch unter enormem Druck durch US-Präsident Donald Trump. Er droht hohe Zölle auf europäische Autos einzuführen. Die Autoindustrie macht Druck, den USA durch die beiden Abkommen entgegenzukommen. Damit ist die Gefahr von Zugeständnissen in Regulierungsfragen groß.
Obwohl das Verhandlungsmandat der EU-Kommission auf Verhandlungen über Zölle und Konformitätsbewertungen begrenzt ist, gibt es starke Anzeichen dafür, dass sie sich auf umfassendere Verhandlungen vorbereiten.
Leider führt die EU trotz der vielfach angekündigten Transparenzoffensive die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen. Die gegenwärtigen Verhandlungen sind noch undurchsichtiger als bei TTIP 1.0.