Freiwillig schützen deutsche Konzerne Menschenrechte nicht. Ein Lieferkettengesetz soll die Situation verbessern. Ein Gespräch mit Michel Brandt, Obmann der Bundestagsfraktion von Die Linke im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, erschienen in der Tageszeitung Junge Welt.
Bislang können Konzerne nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn innerhalb globaler Lieferketten Menschenrechte verletzt werden. Ihre Fraktion setzt sich für ein sogenanntes Lieferkettengesetz ein. Was soll dadurch besser werden?
Wir fordern verbindliche Regelungen für die Konzerne. Sie müssen nicht nur hierzulande, sondern auch für kooperierende Unternehmen in ihrer Lieferkette haftbar sein. Zudem braucht es ein Unternehmensstrafrecht und erweiterte zivile Klagemöglichkeiten, damit Konzerne für ihr Handeln vor einem deutschen Gericht zur Verantwortung gezogen werden können. Künftig sollen Unternehmen, wenn sie in der globalen Lieferkette gegen Menschenrechte verstoßen, Strafgelder zahlen. Bei schwereren Vergehen muss es weitergehende Sanktionen geben: Denkbar wäre, dass Waren hierzulande nicht mehr verkauft werden dürfen.
Anfang Dezember mussten Arbeitsminister Hubertus Heil, SPD, und Entwicklungsminister Gerd Müller, CSU, einräumen, dass sich international tätige Unternehmen kaum um soziale und ökologische Standards scheren. Sie kündigten einen Gesetzentwurf zu dem Thema an. Sie haben demnach prominente Mitstreiter …
Zunächst müssen wir feststellen, dass die Bundesregierung mit ihrem Versuch, Menschenrechten durch freiwillige Selbstverpflichtungen zur Geltung zu verhelfen, gescheitert ist. Eine Befragung durch die Bundesregierung hierzu zeigte, dass nicht einmal 20 Prozent der Unternehmen auch nur ein Mindestmaß an Menschenrechtsstandards umgesetzt haben. Selbst wenn die SPD ein vernünftiges Konzept vorlegen sollte, ist damit noch nicht gesagt, dass sie sich in der Koalition mit der Union durchsetzen kann.
Wir dagegen unterstützen die Kampagne für ein Lieferkettengesetz und streiten mit mehr als 70 Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften für weitreichende Regeln.
Sie kritisieren, dass die Bundesregierung durch ihre Handels-, Wirtschafts- und Klimapolitik die globale soziale Ungerechtigkeit erst verursache. Woran machen Sie das fest?
Wir haben die Auswirkungen ungenügender gesetzlicher Regelungen am Beispiel des Fabrikbrandes eines pakistanischen Zulieferers des Textildiscounters Kik im Jahr 2012 gesehen: Damals starben 258 Menschen. Neuerliches Beispiel ist die Förderung des Rohstoffs Lithium für Elektroautos in Bolivien. Anfang November hatte der damalige Präsident, Evo Morales, das Projekt per Dekret gestoppt, weil es die Umwelt und den Lebensraum der indigenen Bevölkerung schädigen könnte. Doch dann nutzte das baden-württembergische Unternehmen ACI Systems – unterstützt von der Bundesregierung – den Staatsstreich gegen Morales am 10. November, um daran festzuhalten.
Wenn es in solchen Fällen zu Menschenrechtsverletzungen kommt, muss es der betroffenen Bevölkerung möglich sein, die Konzerne in Deutschland zu verklagen. Sogenannte Freihandelsabkommen sorgen allerdings dafür, dass Unternehmen weniger Verantwortung übernehmen müssen. Deshalb müssen wir den Kampf für ein Lieferkettengesetz und gegen Freihandelsabkommen zugleich führen.
Sie vertreten dezidiert linke Positionen. Sind die in Ihrer Fraktion mehrheitsfähig? Immer wieder ist von Streit zwischen den Abgeordneten zu lesen.
Es gibt Themen, die innerhalb der Fraktion umstritten und teilweise auch von Machtfragen überschattet sind. In der Frage herrscht aber weitestgehend Konsens.
Steht zu befürchten, dass Die Linke in außenpolitischen Fragen ihre Prinzipien aufgeben könnte, um sich für ein »rot-rot-grünes« Bündnis zu rüsten?
Ich stelle in der Fraktion fest, dass es so etwas wie eine Verparlamentarisierung gibt. Auch um diesem Prozess entgegenzuwirken, gehöre ich der Mitte Dezember gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft der »Bewegungslinken« an. Dort haben Genossinnen und Genossen, unter ihnen viele junge Mitglieder, ihren Anspruch auf eine bewegungsorientierte Partei mit klarer antikapitalistischer Ausrichtung bekräftigt.
Interview: Gitta Düperthal