Ist ja nicht so, als würden wir uns darüber freuen – aber es trifft alles so ein, wie wir vorausgesagt haben: Schon bei der ersten Sitzung des ersten Ausschusses im Rahmen der sogenannten Regulatorischen Kooperation wurde das Vorsorgeprinzip attackiert. Und die EU-VertreterInnen versprechen, es gelegentlich abzuschaffen. So sollen beispielsweise die Grenzwerte für Pestizide mit Verweis auf geringere Standards in den USA abgesenkt werden.
Die nichtstaatliche Organisation Council of Canadians hat gemeinsam mit Foodwatch Europa geleakte Dokumente in einer Studie verarbeitet, die – wie auch die Pressemitteilung – bisher leider nur auf Englisch zur Verfügung steht. Die originale Erklärung finden Sie hier, die gemeinsame Studie können Sie da einsehen: report-ceta-committees-europe
Attacke auf europäische Lebensmittelvorschriften:
Worum es geht, zeigt der Wortlaut eines Flugblatts der Initiative Stopp TTIP Traunstein/Berchtesgadener Land:
Die Nichtregierungsorganisation Council of Canadians hat Dokumente im Zusammenhang mit der ersten Sitzung des CETA-Ausschusses für gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (SPS-Ausschuss), die am 27. und 28. März 2018 in Ottawa stattfand, auswerten können. Der SPS-Ausschuss ist einer von vielen in CETA vereinbarten Ausschüsse. Diese können über die Parlamente hinweg in die europäische und nationalstaatliche Gesetzgebung eingreifen. Diese Ausschüsse können sich nämlich mit allen Regulierungen befassen, die sich tatsächlich oder möglicherweise auf den bilateralen Handel zwischen Kanada und der EU auswirken. Die EU hat sich übrigens geweigert diese brisanten Unterlagen zu veröffentlichen.
Es zeigt sich nun, dass Kanada viele europäische Vorschriften in Frage stellt, darunter die Gesetzgebung zum Tier- und Pflanzenschutz, Vorschriften für bestimmte Pestizide und Herbizide und sogar ganz generell das Vorsorgeprinzip. Davor haben Kritiker immer gewarnt!
Das Vorsorgeprinzip bildet die Grundlage des europäischen Rechts in den Bereichen Lebensmittel, Chemikalien und Pestizide. Es verlangt, dass die Mitgliedstaaten vorbeugende Maßnahmen ergreifen, wenn ein Risiko für die öffentliche Gesundheit und die biologische Vielfalt besteht. Es zeigt sich, dass die kanadischen Regulierungsbehörden den EU-Ansatz nicht nur ablehnen, sondern dass sie auch Zusicherungen der EU-Regulierungsbehörden erhalten, das Vorsorgeprinzip bei Gelegenheit zu ersetzen!
An vielen Stellen offenbaren sich subtile Drohungen der kanadischen Regulierungsbehörden mit Klagen vor der Welthandelsorganisation. Als Reaktion darauf versichern die EU-Vertreter, die Gesetzgebung ändern oder Kanada die Möglichkeit einer Beteiligung am EU-Gesetzgebungsverfahren einräumen zu wollen – und das übrigens ohne EU-Mitgliedschaft!
Den Dokumenten zufolge hat Kanada offenbar bereits Änderungen an Grenzwerten für Pestizid- und Herbizidrückstände erreicht. In Bezug auf Dimethoat und Glyphosat hat der CETA-SPS-Ausschuss sogar beschlossen, eine Kampagne zur Änderung sowohl der EU-Vorschriften wie jener der Mitgliedstaaten auf den Weg zu bringen. Deutlich wird auch, dass sich die kanadischen Regulierungsbehörden häufig weigern, die Anliegen ihrer europäischen Kollegen überhaupt zu diskutieren. Denn, so ihre Begründung: Aufgrund der Bedeutung des US-Marktes für Kanada hätten sie keine Wahl, als eine Harmonisierung mit den USA statt mit Europa anzustreben.
„Es ist sehr wichtig, dass die europäischen Politiker*innen diese Dokumente zur Kenntnis nehmen, denn die CETA-Werbesprüche haben mit der Realität rein gar nichts zu tun“, sagte Nicole van Gamert, die foodwatch-Direktorin in den Niederlanden. „Immer und immer wieder wurde uns versichert, dass CETA mit all diesen Ausschüssen den Schutz unserer Gesundheit und der Umwelt nicht gefährde. Man sagte uns, dass das Vorsorgeprinzip in den EU-Verträgen verankert und unantastbar sei. Aber bereits die allererste Sitzung nur eines von vielen Ausschüssen straft dies Lügen. CETA ist eine ernste Gefahr für die europäische Lebensmittelsicherheit.“