Ursprünglich wollten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) Unternehmen verpflichten, auf die Einhaltung von Menschenrechten bei ihren Zulieferern zu achten. Eckpunkte dazu sollten in dieser Woche präsentiert werden. Doch nun hat das Kanzleramt den Ministern einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Das Bundeskanzleramt hat die Pläne von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für ein Gesetz gegen Dumping und Ausbeutung in globalen Lieferketten vorerst ausgebremst. Das wurde dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND/Dienstag) in Regierungskreisen bestätigt. Müller und Heil hatten ihre Pläne an diesem Dienstag eigentlich öffentlich vorstellen und konkretisieren wollen – stattdessen nahm Heil an einer Pressekonferenz mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zur Neuregelung der Kurzarbeit infolge der Corona-Krise teil.
Es war vor allem Altmaier, der Einwände gegen eine gesetzliche Regelung der Sorgfaltspflicht bei Lieferketten zum jetzigen Zeitpunkt geltend gemacht hat. Aus seiner Sicht hat die Bundesregierung den Unternehmen bis Ende 2020 Zeit eingeräumt, die im Nationalen Aktionsplan (NAP) Wirtschaft und Menschenrechte vorgesehen Sorgfaltspflichten umzusetzen.
Umfrageergebnisse abwarten
„Gesetzliche Regelungsvorschläge zum jetzigen Zeitpunkt wären verfrüht”, teilte das Wirtschaftsministerium auf Anfrage des RND mit. Der Koalitionsvertrag sehe vor, zunächst die Ergebnisse einer Umfrage bei den Unternehmen zum Stand der menschenrechtlichen Sorgfalt einzuholen und auszuwerten. Erst danach könne man entscheiden, ob ein Gesetz überhaupt noch notwendig sei. „Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, dass sich die Bundesregierung an das vereinbarte Verfahren hält und nicht mittendrin die Zeitpläne oder Verfahren ändert, verkürzt oder gar überspringt”, so das Wirtschaftsministerium weiter. Außerdem sei es eine „Frage der Sorgfaltspflicht“, dass die Bundesregierung gesetzlichen Maßnahmen rein auf Basis von Fakten entscheidet und nicht einfach „ins Blaue“ hinein schieße.
Befürworter einer schnellen gesetzlichen Regelung weisen diese Argumentation zurück. Die Minister Heil und Müller würden mitnichten “ins Blaue schießen”, sondern stützten sich auf eine Umfrage unter 3.200 deutschen Unternehmen, ob und inwieweit diese ihren Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten nachkommen. Trotz zweimaligen Nachfassens und Fristverlängerungen hätten nur rund 450 Firmen geantwortet, von denen weniger als 20 Prozent die Vorgaben des Nationalen Aktionsplans erfüllt hätten. Auf dieser Grundlage hätten die Minister Heil und Müller mit der Erarbeitung von Eckpunkten für das Gesetz begonnen.
Wirtschaftsministerium zweifelt an Umfragemethodik
Im Wirtschaftsministerium zweifelt man dagegen die Methodik der Pilot-Umfrage an. Demnach habe der verwendete Fragebogen missverständliche und teils irreführende Frage- und Antwortmöglichkeiten beinhaltet. Auch seien die Fragen lediglich an Info-Mail-Adressen von Unternehmen gemailt worden, weshalb einige von ihnen die Umfrage fälschlicherweise als Werbung oder Spamnachricht eingestuft hätten.
Kritik an der Qualität der Fragen weist wiederum die Gegenseite zurück.
Bei der gerade gestarteten zweiten Fragebogenrunde werden nun die Hauptgeschäftsführer der Unternehmen angeschrieben. Die Ergebnisse dieser zweiten Befragung sollen Mitte Juli 2020 vorliegen.
Sollte bei der Befragung herauskommen, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen zur Einhaltung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nicht ausreicht, wollen Heil und Müller aufs Gas drücken und berufen sich dabei auf den Koalitionsvertrag, der in diesem Fall eine gesetzliche Regelung vorsieht.
Entwicklungshilfeorganisationen kritisierten die Verzögerung. „Was in Deutschland verboten ist – zum Beispiel ausbeuterische Kinderarbeit – darf nicht länger bei ausländischen Zulieferern deutscher Unternehmen geduldet werden“, sagte Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt. „Ein Lieferkettengesetz ist überfällig. Die Minister Heil und Müller drängen darauf, dass es in dieser Sache vorangeht. Es ist unverständlich und bedauerlich, dass sie deshalb so viel Gegenwind bekommen.”