Ende Februar votierte die Hauptkammer des niederländischen Parlaments mit knapper Mehrheit für das EU-Kanada-Handelsabkommen CETA. Allerdings benötigt CETA auch eine Mehrheit im niederländischen Senat. Dort wird das Abkommen demnächst auf der Tagesordnung stehen. Unser Mitstreiter gegen CETA, Arjen Nijeboer von Meer Democratie Niederlande, berichtet im Interview mit Mehr Demokratie über die neuesten Ereignisse.
Die Hauptkammer des niederländischen Parlaments hat kürzlich – wenn auch nur mit einer knappen Mehrheit – für CETA gestimmt. Wie kam das Ergebnis zustande?
Arjen Nijeboer: Im Februar stimmten nur die Koalitionsparteien der Mitte-Rechts-Regierung mit einer winzigen Mehrheit für CETA. Eine der Koalitionsparteien, die Christen-Union, stand CETA zwar immer kritisch gegenüber, hat am Ende aber doch für das Abkommen gestimmt, weil sie keine Regierungskrise riskieren wollte. Damit hatten wir gerechnet.
Die Abstimmung war aber auch deshalb so spannend für uns, weil CETA zusätzlich eine Mehrheit im niederländischen Senat braucht. Dort haben die Regierungsparteien aber keine Mehrheit, so dass sie auf die Unterstützung der Oppositionsparteien angewiesen sind. Die Sozialdemokraten konnten wir vor einigen Monaten bereits überzeugen, ihre Haltung zu ändern. Sie stimmten gegen das Abkommen Die wirklich spannende Frage bei dieser Abstimmung für uns war, wie sich kleine Oppositionsparteien wie 50PLUS zu CETA verhalten würden. Erfreulicherweise haben sie auch mit Nein gestimmt.
Was sind die Hauptkritikpunkte an CETA in den Niederlanden?
Arjen Nijeboer: Die wichtigste Rolle spielt das Investitionsgerichtssystem, mit dem multinationale Unternehmen Regierungen auf Schadenersatz verklagen können, wenn beispielsweise Klimaschutzgesetze Gewinninteressen verletzen. Das verbindet fast alle Gegner. Darüber hinaus haben Einwände in Bezug auf Produktsicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz sowie Sozial- und Arbeitsrechte eine Rolle gespielt. Es sind in etwa die gleichen Einwände, die es in Deutschland gibt.
Wie geht es jetzt nach der Abstimmung in der Hauptkammer weiter? Ist CETA noch zu stoppen?
Arjen Nijeboer: Als nächstes muss auch der Senat CETA genehmigen. Lehnt er CETA ab, dann wäre dies das Aus für CETA in den Niederlanden. Bisher haben wir die Abstimmung noch vor dem Sommer erwartet. Aber die Coronakrise sorgt für Unsicherheit. Die Koalitionsparteien haben keine Mehrheit mehr in dieser Kammer, so dass sie sich die Unterstützung der Oppositionsparteien sichern müssen. Die Rolle der Sozialdemokraten wird entscheidend sein
Wie könnt Ihr auf die nächste Abstimmung einwirken? Gibt es von Meer Demokratie Niederlande eine neue Kampagne gegen CETA?
Arjen Nijeboer: Ja, wir stecken bereits mitten in einer Kampagne. Gemeinsam mit unseren Partnern von Friends of the Earth NL, der großen Gewerkschaft FNV, Foodwatch und einem Dutzend anderer NGOs haben wir die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, Protestmails an die Politik zu schreiben. Und das haben sehr viele Menschen getan. Außerdem bleiben wir natürlich im Gespräch mit der Opposition.
Welche Auswirkungen hätte es auf den gesamten Ratifizierungsprozess, wenn die Niederlande gegen CETA stimmen würde?
Arjen Nijeboer: Dann haben wir eine Situation, die es noch nie gab. Theoretisch könnte man CETA neu verhandeln und die Investitionsgerichte herausnehmen. Aber dafür scheint wenig politischer Wille zu bestehen. Dafür ist die Atmosphäre um CETA zu negativ. Wenn der niederländische Senat mit Nein stimmt, dann haben die Niederlande nicht ratifiziert und CETA kann nicht in Kraft treten. Der Handelsteil von CETA wird auf EU-Ebene bereits seit September 2017 vorläufig angewendet. Aber auch diese vorläufige Anwendung muss dann zurückgenommen werden. Die kurze Antwort ist also: Es wäre wahrscheinlich das Ende von CETA für alle.