Lange Zeit keimte die Hoffnung, dass Luxemburg das EU-Kanada-Handelsabkommen CETA ablehnen würde. Doch jetzt hat das Parlament des kleinen Staats dem schädlichen Vertrag zugestimmt – trotz Corona und gegen den Protest der Zivilgesellschaft. Der Regierung, die CETA befürwortet, gehören neben der liberalen Demokratischen Partei und der sozialdemokratischen LSAP auch die Grünen an. Das berichtete am 6. Mai die Zeitung „Luxemburger Wort“.
Für die Nichtregierungsorganisationen „Stop TTIP und CETA“, „Votum Klima“ und für einen beachtlichen Teil der Zivilgesellschaft werden die Corona-Krise und der Klimawandel als die Konsequenz einer übertriebenen Globalisierung angesehen. Gerade die völlige Liberalisierung der Waren- und Dienstleistungsströme, die zu einer Zerstörung des Lebensraums der Tiere führen würde, hätte die Welt in die Pandemie manövriert, so ein Argument.
CETA steht für Comprehensive Economic and Trade Agreement und ist das Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union. Das Handelsabkommen, das zahlreiche Handels- und Zollerleichterungen ermöglicht, hatte bereits in der Vergangenheit die Gemüter erhitzt. Der Vertragstext ist seit 2014 fertig. Im November 2016 unterzeichneten die EU-Kommission, die EU-Staaten und Kanada das Abkommen.
Auch wenn 90 Prozent des CETA-Abkommens im September 2017 vorläufig in Kraft getreten sind, so muss der zentrale Teil des Vertrags, der sogenannte „Schiedsmechanismus“ (Kapitel 29), noch von jedem einzelnen Parlament der EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Bisher haben 13 der 27 EU-Mitgliedstaaten den Text angenommen.
Diese CETA-Investitionsgerichte bleiben, unter anderen, ein Kritikpunkt der zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie ermöglichen multinationalen Konzernen, Länder auf Schadensersatz zu verklagen, wenn politische Entscheidungen ihre „zu erwartenden“ Gewinne schmälern. Dadurch würden rein wirtschaftliche Interessen über denen des Gemeinwohls stehen. Für die NGO „Votum Klima“ stellt dies eine absurde Situation dar. Das Aktionsbündnis teilt mit, dass es zu einer Zunahme von Klagen kommen werde, auch gegen Maßnahmen, die zur Verhinderung der Ausbreitung von Covid-19 getroffen wurden.
Grüne lehnen Verschiebung ab
Kritik am CETA-Abkommen setzte es auch im Parlament. Déi Lénk [Die Linke] hatten bereits während der Plenarsitzung am Dienstag eine Verschiebung der Abstimmung über das Freihandelsabkommen gefordert. Die Abgeordneten von CSV, ADR und Piraten folgten ihrem Beispiel. Nach einem Mehrheitsbeschluss von DP, LSAP und Grünen [den drei Regierungsparteien] gegen die Opposition wurde die Tagesordnung allerdings beibehalten.
Per Pressemitteilung kommunizierten sowohl die beiden NGOs, wie auch die verschiedenen Parteien ihr Unbehagen, dass eine für die Gesellschaft so bedeutungsvolle Abstimmung während des Ausnahmezustands stattfindet. „Stop TTIP und CETA“ teilte mit: „So eine wichtige Abstimmung in Corona-Zeiten abzuhalten, wenn die Protestmöglichkeiten der Zivilgesellschaft massiv eingeschränkt sind, kommt einem demokratischen Skandal gleich.“
In ihrer Mitteilung meinte die Christlich-Soziale Volkspartei CSV, die über ein Drittel der Abgeordneten stellt: „Die Abstimmung mitten in der Corona-Krise zu halten, ist demokratisch unvertretbar.“ In dem Kommuniqué warnte Viviane Reding: „Wir werden uns deshalb nicht an der Abstimmung beteiligen, wenn wir schon die Debatte nicht verhindern konnten. Wir wollen damit ein klares Zeichen von Solidarität und Protest setzen.“
Asselborn schlägt Kompromiss vor
Dass Außenminister Jean-Asselborn (LSAP) am Anfang der Debatte intervenierte, zeigte wie wichtig das Abkommen für die Regierungsmehrheit ist. In seiner Rede bot Asselborn einen Kompromiss an. Die Debatte solle stattfinden, die Abstimmung zur Ratifizierung aber später nachgeholt werden, wenn die Demonstrationseinschränkungen aufgehoben sein werden. Marc Baum (Déi Lenk) reagierte darauf: „Dieses Thema ist den Menschen wichtig. Ich habe innerhalb von 24 Stunden um die 850 Mails bekommen. Lasst uns bitte die traditionelle Form von Debatte und Abstimmung beibehalten und einfach alles auf später verlegen.“
Martine Hansen (CSV) ging auf den Kompromiss ein: „Wir müssen nichts übers Knie brechen, das Handelsabkommen ist momentan nicht von Dringlichkeit. Wir werden nicht an der Abstimmung teilnehmen.“
Gast Gibéryen (ADR) war anderer Meinung: „Was nutzt es heute zu debattieren, wenn wir nicht abstimmen?“
Daraufhin verließ die größte Oppositionspartei, die Christlich-Soziale Volkspartei CSV, aus Protest vor der Abstimmung des umstrittenen Freihandelsabkommens den Plenarsaal im Cercle Cité. Trotzdem wurde das Abkommen mit 31 Ja- zu acht Neinstimmen angenommen.