Am 14. März findet die Landtagswahl in Baden-Württemberg statt. Die Wahl hat nicht nur Auswirkungen auf die Landespolitik, denn mit einer Änderung der Regierungskoalitionen ändern sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Eine Entscheidung, die der Bundesrat in den kommenden Monaten oder Jahren fällen wird, ist das „Ja“ oder „Nein“ zur Ratifizierung des EU-Kanada-Abkommens CETA. Das Netzwerk Gerechter Welthandel Baden-Württemberg hat die Parteien [1] nach ihren Positionen zur Handelspolitik im Allgemeinen und zu CETA im Speziellen befragt, wir präsentieren im Folgenden die Antworten.
Der Wortlaut der Fragen zu CETA lautete: „Wird Ihre Partei CETA zum Thema im kommenden Landtagswahlkampf machen?“ und „Können Sie verbindlich zusagen, dass Ihre Partei – bei einer Regierungsbeteiligung in Baden-Württemberg – ein JA zu CETA ausschließt, sodass die Landesregierung CETA im Bundesrat ablehnt oder sich enthält?“
Und so positionieren sich die baden-württembergischen Parteien zu CETA:
Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg
geben keine klare Antwort auf die Frage, ob sie ein Ja zu CETA im Bundesrat ausschließen, da sie eine solche verbindliche Aussage zum jetzigen Zeitpunkt als „nicht seriös“ betrachten. Stattdessen verweisen sie darauf, dass das Bundesverfassungsgericht noch über die CETA-Verfassungsbeschwerdenentscheiden und die Bundesregierung anschließend ein Ratifizierungsgesetz formulieren muss. Erst wenn dieses vorliegt, wollen sie anhand ihrer formulierten Anforderungen an EU-Handelsabkommen über das Abstimmungsverhalten zu CETA entscheiden.
Diese von der Partei formulierten Anforderungen umfassen unter anderem den konsequenten Schutz von Arbeits- und Verbraucherschutzrechten, die Verankerung des Pariser Klimavertrags als wesentlichen Bestandteil des Handelsabkommens, und die Gewährleistung der parlamentarischen Mitentscheidung bei der regulatorischen Kooperation. Einseitige Sonderklagerechte für Investor*innen werden klar abgelehnt.
Sofern die Grünen konsequent nach den von ihnen selbst formulierten Anforderungen an Handelsabkommen abstimmen, müssten sie die vollständige Ratifizierung von CETA ablehnen. Diese Einschätzung findet sich auch imWahlprogramm wieder, in dem CETA „in der jetzigen Form“ abgelehnt wird“. Allerdings gibt es keinen Grund zur Annahme, dass der Inhalt des Abkommens zum jetzigen Zeitpunkt noch verändert werden könnte, immerhin wurde es bereits von 15 EU-Mitgliedsstaaten vollständig ratifiziert. Dass sich die baden-württembergischen Grünen – im Gegensatz zu anderen Landesverbänden und zur Bundestagsfraktion, und anders als noch vor einigen Jahren – nicht zu einem grundsätzlichen Nein zu CETA durchringen können, ist Ausdruck der innerparteilichen Auseinandersetzungen zu diesem Thema: Während die breite Basis der Partei das Abkommen ablehnt, äußerte Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach einer Kanada-Reise 2019 die Hoffnung auf seine baldige Ratifizierung.
Die CDU Baden-Württemberg
weist darauf hin, dass CETA „in der gegenwärtigen Fraktionsarbeit“ kein Thema sei und enthält sich einer klaren Aussage zum Abstimmungsverhalten im Bundesrat. Generell äußert sich die Partei durchgehend positiv gegenüber der Öffnung von Märkten und dem Abschluss von Freihandelsabkommen und verweist darauf, dass diese Abkommen ein „Hebel“ sein können, „um auch die Lage der Menschen in den entsprechenden Partnerstaaten zu verbessern“. Dass eine Zunahme des Handels nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung des Wohlstands auf beiden Seiten und erst recht nicht zu einer gerechten Verteilung dieses Wohlstands führen muss, kommt in dieser Sichtweise nicht vor. Ebenso wenig wird thematisiert, dass aktuelle Handelsabkommen wenige Gewinner – in erster Linie Wirtschaftsakteure zum Beispiel aus der Automobil-, Agrar- oder Chemieindustrie – und viele Verlierer produzieren.
Daher ist davon auszugehen, dass sich die CDU Baden-Württemberg entsprechend ihrer Positionierung auf Bundesebene für den Abschluss von CETA einsetzen wird.
Die SPD Baden-Württemberg
steht CETA „positiv gegenüber“ und wird sich „für seine Ratifizierung einsetzen“. Sie begründet dies einerseits mit der „existentiell wichtig[en]“ Bedeutung, die „barrierefreie Handelsbeziehungen“ für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Bundeslandes einnehmen. Andererseits sieht die SPD keinerlei Anhaltspunkte für Kritik an der Ausgestaltung des Abkommens: CETA enthalte demnach „zukunftsweisende Regeln für den Schutz der Arbeitnehmerrechte, der öffentlichen Daseinsvorsorge und für einen fortschrittlichen Investitionsgerichtshof“; private Schiedsgerichte seien „ausgeschlossen“.
Tatsächlich wird CETA nach der vollständigen Ratifizierung aber durchaus private Schiedsgerichte ermöglichen, die außerhalb staatlicher Gerichtsbarkeit stehen und ausschließlich von ausländischen Investoren angerufen werden können, um Staaten auf Schadensersatz zu verklagen. Zwar enthält der Mechanismus für die Investor-Staat-Streitschlichtung in CETA (das so genannte Investment Court System – ICS) einige prozedurale Veränderungen gegenüber dem früheren Mechanismus, beispielsweise können sich die Streitparteien ihre Schiedsrichter*innen nicht mehr selbst auswählen. Der Kern der traditionellen Investor-Staat-Streitschlichtung blieb jedoch unverändert: Zugang zu diesem Mechanismus haben weiterhin ausschließlich ausländische Investoren, die sich von einem Vertragsstaat ungerecht behandelt fühlen. Staaten, Gewerkschaften, Umweltverbänden oder Einzelpersonen können diese Schiedsgerichte grundsätzlich nicht nutzen, um Schadensersatz für Verstöße gegen Arbeits-, Umwelt- oder Verbraucherschutzstandards einzufordern.
(Eine Übersicht zum Status Quo des EU-Investitionsschutz und den Änderungen durch CETA sowie den in CETA angestrebten Multilateralen Investitionsgerichtshof bietet übrigens das Factsheet „Wenn Totgesagt wieder auferstehen“von PowerShift).
Die FDP Baden-Württemberg
setzt sich „nach wie vor für ein klares ‚Ja‘ des Landes Baden-Württemberg zu einer CETA-Ratifizierung ein“. Sie sieht CETA sowie alle anderen Freihandelsabkommen grundsätzlich als „positiver Schritt in Richtung eines gerechten Welthandels“ – selbst dann, wenn es nicht gelingt „alle unsere hohen Standards“ und Klimaschutzziele zu vereinbaren.
Die LINKE Baden-Württemberg
sagt zu, sich „konsequent auf allen Ebenen“, „zusammen mit zivilgesellschaftlichen Gruppen“ und „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ gegen die Ratifizierung von CETA einzusetzen. Im Falle einer Regierungsbeteiligung schließt sie ein Ja zu CETA aus. Als Begründung verweist sie darauf, dass CETA ein „Instrument des Demokratieabbaus“ sei und weitreichende Folgen unter anderem auf die Daseinsvorsorge sowie auf die Bereitstellung von öffentlichen Dienstleistungen im Gesundheitswesen oder dem Bildungs- oder Kulturbereich haben werde.
Über CETA und ähnliche Handelsabkommen hinaus fordert die Linke eine „andere Globalisierung“ und einen „sozial-ökologischen Umbau unserer Wirtschaft“: Regionale Wirtschaftskreisläufe sollten gefördert werden, verbindliche Regelungen müssten sicherstellen, dass Standards auch bei importieren Produkten aufrechterhalten werden. Um sich vor Konkurrenz aus den industrialisierten Staaten zu schützen, sollten weniger industrialisierte Länder das Recht haben, „Zölle zu erheben und Handelsbeschränkungen zu erlassen“. Generell sei die Fortführung des internationalen Handels sei „ohne ein Ende von Kinderarbeit, Ausbeutung und unmenschlichen Arbeitsverhältnissen […] nicht vertretbar.
Die ÖDP Baden-Württemberg
sieht CETA als ein „unfaires“ Handelsabkommen, das sie im Landtagswahlkampf als Unterpunkt ihres Schwerpunktthemas Wachstumskritik thematisieren möchte. Im Falle einer Regierungsbeteiligung schließt sie ein Ja zu CETA aus.
Detaillierte Gründe für die Ablehnung enthält die Antwort auf unseren Wahlprüfstein nicht. In ihrem Wahlprogrammkritisiert die ÖDP, dass Freihandelsabkommen den Weg zur Privatisierung von öffentlichen Versorgungseinrichtungen ebnen und weist auf den von ihr initiierten „Volksantrag gegen CETA“ hin, mit dem sie „die Herabsetzung bei Umwelt-und Sozialstandards deutlich gemacht“ habe.
Die Klimaliste Baden-Württemberg
verspricht, „keinem Abkommen in der Tradition von CETA, TTIP & Co“ zuzustimmen und im Fall einer Regierungsbeteiligung gegen CETA zu stimmen.
Die Klimaliste wurde im letzten Jahr gegründet und tritt mit den beiden Hauptzielen 1,5°C-Grenze sowie Generationengerechtigkeit an. Handelsabkommen, „deren Entstehung nicht transparent und demokratisch ist, die gegen Gesetze, Richtlinien und Standards verstoßen und grundsätzlich Umwelt und Menschen wirtschaftlichen Belangen unterordnen“, lehnt die Klimaliste klar ab.
Die ausführlichen Antworten der Parteien finden sich auf der Website des Netzwerks Gerechter Welthandel.
Übrigens: Das Konstanzer Bündnis befragt derzeit die KandidatInnen in den Wahlkreisen Singen und Konstanz. Deren Antworten werden demnächst hier veröffentlicht.