Die Grünen haben sich entschieden: Im aktuellen Wahlprogramm wird es kein klares „Nein“ zu CETA geben. Obwohl wir bis zur letzten Minute gekämpft und dem Parteivorstand noch kurz vor der Grünen Bundesdelegiertenkonferenz am Wochenende fast 60.000 Unterschriften gegen CETA überreicht haben, unterstützt die aktualisierte Fassung des Wahlprogramms weiterhin die vorläufige Anwendung eines Handelsabkommens, welches die parlamentarische Kontrolle umgeht, dem Gemeinwohl schadet und Konzerninteressen freie Bahn lässt. Das schreibt foodwatch in einer Stellungnahme.
In einer Unterschriftenaktion haben sich fast 60.000 Menschen für ein „Nein“ zu CETA im Wahlprogramm der Grünen ausgesprochen. Die gesammelten Unterschriften der Email-Aktion haben wir der stellvertretenden Bundesvorsitzenden Ricarda Lang am Freitag vor der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen übergeben, um auch noch auf den letzten Metern an Ihre und unsere Forderung zu erinnern. Ein kurzes Video der Übergabe ist hier zu sehen:
Unser Protest hat zu einer internen Debatte bei den Grünen und verschiedenen Änderungsanträgen zum CETA-Abschnitt des Wahlprogramms geführt. Bei der Bundesdelegiertenkonferenz standen daraufhin drei Anträge zur Abstimmung. Leider haben die Grünen für eine Version gestimmt, die sich inhaltlich nicht wesentlich vom Entwurf des Wahlprogramms unterscheidet, sondern ihm lediglich einen blumigen Anstrich verleiht. Doch was steht genau drin? Im Weiteren zeigen wir Ihnen die raffinierten Fallstricke der neuen Formulierung.
Das CETA-Abkommen werden wir (deshalb) in seiner derzeitigen Fassung nicht ratifizieren. Wir werden so sicherstellen, dass die gefährlichen Investor-Staat-Schiedsgerichte nicht zur Anwendung kommen. (Grünes Wahlprogramm 2021 nach dem Abstimmungssprozess)
Bei dieser Formulierung könnte man denken, dass die Grünen bei einer Abstimmung über CETA im Bundestag/Bundesrat gegen die Ratifikation stimmen werden. Das ist aber nicht der Fall. Tatsächlich scheinen die Grünen gar nicht erst abstimmen zu wollen. Die Folge: CETA bleibt weiterhin vorläufig in Kraft. Damit werden die Investor-Staat-Schiedsgerichte ganz ohne das Zutun der Grünen nicht angewendet, denn diese sind in der vorläufigen Anwendung von CETA gar nicht enthalten. Dafür aber können geheim tagende Ausschüsse Verbraucher- und Umweltstandards festlegen – ohne demokratische Kontrolle durch das EU-Parlament oder nationale Parlamente.
Auch an den derzeit vorläufig angewendeten Teilen von CETA haben wir erhebliche Kritik. Wir wollen das Abkommen gemeinsam mit Kanada weiterentwickeln und dadurch neu ausrichten. Wir wollen insbesondere die demokratische Kontrolle bei der regulatorischen Kooperation verbessern. Hier muss das Europaparlament künftig besser eingebunden werden. Zudem braucht es stärkere Regelungen zu Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz und die Sicherung des europäischen Vorsorgeprinzips. (Grünes Wahlprogramm 2021 nach dem Abstimmungssprozess)
Damit erkennen die Grünen das bestehende Problem der fehlenden demokratischen Kontrolle der Ausschüsse zwar an, schüren aber gleichzeitig die Erwartung, dass sich diese Probleme durch zukünftige Vereinbarungen innerhalb der europäischen Institutionen und zusammen mit Kanada beseitigen ließen – eine grobe Täuschung. Änderungen an CETA sind nur möglich, wenn sowohl alle EU-Institutionen als auch Kanada zustimmen – und das ist höchst unrealistisch. Auch eine „Neuausrichtung“ von CETA ist illusorisch. Dies ist nur möglich, wenn CETA im laufenden Ratifikationsprozess gestoppt wird – das haben die Grünen aber offenbar gar nicht vor.
Auch wenn wir bei den Grünen eine Debatte zu CETA entfacht haben, sind wir noch lange nicht am Ziel. Unsere Forderung bleibt: CETA muss gestoppt werden! Der Bundestagswahlkampf und die anschließenden Koalitionsverhandlungen stehen bevor und wir werden CETA auch in Zukunft immer wieder auf die Agenda setzen!