Immer mehr? Immer schneller? Immer dümmer?

Gibt es noch eine Chance, die Klimakatastrophe aufzuhalten? Schon heute hat vor allem der globale Norden so viel Treibhausgas emittiert, dass das 1,5-Grad-Erwärmungsziel des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 bereits erreicht ist – zwar nicht sofort, aber demnächst. Und doch setzt die EU auf noch mehr Handel und plant weitere Freihandelsabkommen. Dazu erschien im regionalen Online-Magazin seemoz.de folgender Beitrag.

„Wir leben auf Kosten anderer“, heißt es auf einem der dreißig Plakate, die am Infostand des Bündnisses am Kaiserbrunnen zu sehen sein werden. Thema dieses Aufstellers sind die Arbeitsbedingungen im globalen Süden: miserable Löhne, einstürzende Textilfabriken in Bangladesh, Kinderarbeit bei der Gewinnung von für die Herstellung von Smartphones unabdingbaren Elemente und Mineralien wie Kobalt und Coltan im Kongo. Und was bekommen die Armen dafür? Unseren Müll.

Die Ausbeutung der Arbeitskräfte im Süden – und das völlig unzureichende Lieferkettengesetz, das der Bundestag im Juni verabschiedet hat – ist eins der Themen, die die Ausstellung anspricht. Es gibt noch mehr. Zum Beispiel die Auswirkungen des geplanten Mercosur-Handelsabkommens, das die EU mit den vier südamerikanischen Staaten des Wirtschaftsraums Mercosur (Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay) abschließen will. Dafür, dass europäische Konzerne mehr Autos, mehr Maschinen, mehr chemische Produkte über den Atlantik exportieren kann, wird beispielsweise in Brasilien der Amazonas-Regenwald in Brand gesteckt – um Platz zu schaffen für Gentech-Soja, das als Futtermittel für die industrielle Landwirtschaft nach Europa transportiert wird. Oder für höhere Ausfuhrquoten an Rindfleisch, schließlich braucht es dafür mehr Weideflächen. „Europa grillt den Regenwald“, heißt es auf einem der Plakate.

Der Wachstumswahn unserer turbokapitalistischen Wirtschaft wird ebenfalls thematisiert. So hat sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands von 1970 bis heute von 360 Milliarden auf 3340 Milliarden Euro fast verzehnfacht – entsprechend angestiegen sind auch die CO2-Emissionen. Aber sind wir deswegen zehnmal zufriedener als vor fünfzig Jahren? Und doch soll es so weitergehen – mit Hilfe der geplanten (und teilweise im Kraft getretenen) Handelsabkommen, die die EU zum „wettbewerbsstärksten Wirtschaftsraum der Welt“ machen sollen. Nach der coronabedingten Wachstumsdelle setzt die exportorientierte deutsche Wirtschaft jetzt wieder auf schnelle Erhöhung des BIP.

Das trifft auch jene, die von diesem Wachstum in einer immer ungleicheren Gesellschaft nichts haben. Denn einige der Handelsabkommen (wie das Comprehensive Economic and Trade Agreement CETA mit Kanada) sehen explizit die Privatisierung von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge vor. Das gilt für das Gesundheitswesen genauso wie für den öffentlichen Verkehr, für die Bildung wie die Kultur. Und wenn beispielsweise ein kommunaler Betrieb privatisiert wird (wie beispielsweise die Berliner Wasserbetriebe 1999), darf er nie wieder rekommunalisiert, also von der öffentlichen Hand übernommen werden (was in Berlin einer breiten Protestbewegung 2012 gelang).

Verfolgen die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten eine Strategie des „Immer mehr, immer schneller, immer dümmer“ – zugunsten einer immer reicheren Elite? Einiges spricht dafür. Das zeigt zum Beispiel die in CETA enthaltene Sonderjustiz für Konzerne, die es internationalen Großunternehmen erlaubt, Staaten zu verklagen, wenn diese Maßnahmen zum Schutz der Arbeitskräfte, der VerbraucherInnen, der Umwelt erlassen. Denn die neuen Regeln könnten sich profitmindernd auswirken. In diesem Fall drohen Entschädigungsklagen. Dass damit nicht nur gedroht wird, zeigen Urteile von privaten Investorschiedsgerichten, die bisher Großkonzernen rund 700 Milliarden US-Dollar zugesprochen haben – oft zu Lasten armer Staaten. Und so soll es weitergehen: Auch mit Japan, Singapur oder Mexiko sind (völkerrechtlich verbindliche) Investorenschutzabkommen in Vorbereitung.

Die Openair-Ausstellung des Konstanzer Bündnisses greift weitere Aspekte auf, die zeigen, wie verheerend sich die EU-Handelspolitik auswirkt: die schleichende Beseitigung des in Europa (noch) geltenden Vorsorgeprinzips, der Energiecharta-Vertrag zum Schutz fossiler Energien oder das geheimnisvolle Ausschusswesen in CETA.

Die Ausstellung findet statt im Rahmen der Aktionswochen 17 Ziele für Konstanz, mit denen auf die Globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals) der UNO aufmerksam gemacht werden soll. Sie wird zu sehen sein am Samstag, 10. Juli, von 10 bis 18 Uhr. Ort: Marktstätte Konstanz.


Die dreissig Plakate unserer Ausstellung finden Sie unter „Plakate und Veranstaltungen“.