Konzern-nahe Schiedsgerichte: Heimliche Verschärfung

Seit neuesten kursieren Meldungen, denen zufolge die EU-Kommission die höchst umstrittenen Klagerechte für Konzerne im europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA ausweiten will – ohne Mitsprache der nationalen Regierungen, politischer und juristischer Instanzen, der Bürger und Bürgerinnen.

Das Verhandlungsdokument umfasst nur acht Seiten, hat es aber in sich. Die wichtigsten Inhalte lassen sich in fünf Punkten zusammenfassen:

  • Der klagende Investor soll die Möglichkeit erhalten, ein sogenanntes „beschleunigtes Verfahren“ zu beantragen (Art. 2 (1))
  • Wird das beschleunigte Verfahren gewählt, wird nur noch ein/e einzige/r Richter:in mit dem Fall befasst (Art. 3 (1)).
  • Bei Einvernehmen zwischen Investor und Staat kann die Art und Anzahl der Zeugenaussagen durch den Schiedsrichter begrenzt werden (Art. 5 (5))
  • Es kann auch komplett auf eine Anhörung verzichtet werden. Falls nicht, kann der einzige Richter entscheiden, wie die Anhörung stattfindet (z.B. telefonisch) (Art. 5 (6)).
  • Sollten sich die streitenden Parteien nicht auf gemeinsame Verfahrensregeln einigen können, entscheidet der einzige Richter, wie das beschleunigte Verfahren gestaltet wird (Art. 5(11))

Zusammengefasst wird mit diesen neuen Regeln der Begriff eines Gerichtsverfahrens ad absurdum geführt. Die Schiedsrichter:innen bekommen noch mehr Kompetenzen und die Gefahr der Willkür wird maximiert. Durch die Herabsetzung der Verfahrenskosten und das beschleunigte Verfahren drohen noch mehr Klagen vor nicht-staatlichen Schiedsgerichten. Eine Gefahr für Demokratie, Rechtsstaat, Haushalt und Verbraucherschutz.

Erste Kanzleien wittern bereits das große Geschäft. Denn nur wenige Tage nach der Veröffentlichung der Verhandlungsdokumente warb White & Case [https://www.whitecase.com/insight-alert/charting-new-course-proposed-expedited-dispute-resolution-procedures-ceta] (eine der zehn größten Wirtschaftskanzleien) bei ihren Klienten für die neuen Klagemöglichkeiten. 

Der Grund dafür ist, dass große Anwaltskanzleien und Prozesskostenfinanzierer die Anregung und Betreuung von Investitionsschutzfällen als lukratives Geschäftsfeld nutzen – kein Wunder bei Stundenlöhnen von 1000 US-Dollar und mehr. Sie helfen den Konzernen, die schwammigen Rechtsbegriffe aus internationalen Abkommen gezielt auszunutzen.

Lug und Trug

Soweit die Planung der EU-Kommission. In diesem Zusammenhang ist vielleicht ein Rückblick nützlich: Nachdem Ende 2022 waren im Deutschen Bundestag viele Palamentarier:innen durch die Bundesregierung mit einer bewußten Täuschung dazu bewogen worden, der Ratifizierung des CETA-Abkommen zuzustimmen. Es wurde damals behauptet, es gäbe einen Anhang im Vertrag, die sogenannte „Interpretationserklärung“, die von allen Vertragsseiten unterzeichnet gewesen sei. Dies stellte sich später als Lüge heraus: Es gab zum Abstimmungszeitpunkt nur einen Entwurf, und da es nur ein Entwurf war, gab es weder ein unterschriftsreifes und vertraglich bindendes Dokument noch war dieses nicht vorhandene Dokument von dafür zuständigen Gremien unterzeichnet worden).

Inzwischen haben unabhängige JuristInnen auch klargestellt, dass der damalige Beschluss des gemeinsamen CETA-Ausschusses hinsichtlich dieser Interpretationserklärung in keinster Weise bindend war. Oder anders ausgedrückt: Die damals in Aussicht gestellte Sanktionierungsmöglichkeit bei Verstößen gegen Arbeits- und Klimaschutznormen hat nie bestanden. Um – wie von vielen erhofft – einen besseren Schutz der Umwelt und der Menschen zu bewirken, wäre nicht eine Interpretationserklärung nötig gewesen. Sondern eine Vertragsänderung zugunsten von Natur-, Arten- und Klimaschutz sowie von Menschen- und Arbeitnehmerrechten.

Aber das wollten ja weder die EU-Kommission noch die CETA-befürwortenden Parteien SPD, Grüne, FDP, CDU und CSU. Und nun kommt also der nächste Hammer auf EU-Ebene, der nur einem Zweck dient: den Konzernen noch mehr Macht zuzuschustern – und zwar auf Kosten dringend nötiger Klimaschutzmaßnahmen. Denn welcher Staat greift noch zu besseren Regeln, wenn er damit vor Sondergerichte gezerrt und zu Millionen-, wenn nicht Milliardenstrafen verurteilt werden kann?

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